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30.08.2022
Unternehmensteuer

JStG 2022: Ausweitung des Kapitalertragsteuereinbehalts im Referentenentwurf vorgesehen

Der Referentenentwurf zum JStG 2022 greift aktuelle Entwicklungen im Rahmen der Digitalisierung auf und bindet daher zunehmend Plattformbetreiber und Kryptoregisterstellen als Abzugsverpflichtete ein.

Der Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes 2022 (JStG 2022) vom 28.07.2022 sieht einige Änderungen im Bereich der Kapitalertragsteuer vor. Diese greifen vorrangig die Entwicklungen aufgrund der Digitalisierung auf und binden Plattformbetreiber und Kryptoregisterstellen als Abzugsverpflichtete ein. Die Änderungen sollen zum 01.01.2023 in Kraft treten. 

Anpassung der Einbehaltungspflichten für Plattformbetreiber

Bisher wurden im Rahmen des § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG lediglich Zinsen aus Forderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, welche über eine Internet-Dienstleistungsplattform erworben wurden, der Kapitalertragsteuer unterworfen. Hieraus ergab sich in der Praxis ein Abgrenzungsproblem, da für Zinsen aus patriarischen Darlehen und aus Beteiligungen als stiller Gesellschafter i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG keine Abzugsverpflichtung für Plattformbetreiber bestand. Daher wurde aus Praktikabilitätsgründen die Einbehaltungspflicht aus Zinseinkünften i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 und des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die über einen Plattformbetreiber erworben worden nun in der neuen Regelung des § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 8a EStG-E zusammengefasst. Der bisherige § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 lit. c) EStG wird dafür aufgehoben.

Folgende juristische oder natürliche Personen können dann zum Einbehalt verpflichtet sein: 

  • Wie bisher - Einbehalt durch den inländischen Plattformbetreiber (§ 44 Abs. 1 S. 4 Nr. 2a lit. a) EStG-E): Sofern ein inländischer Betreiber (oder inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Betreibers) die Kapitalerträge gutschreibt oder diese auszahlt, ist auch der Plattform-Betreiber zum Einbehalt der Kapitalertragsteuer verpflichtet.
  • Wie bisher - Einbehalt durch inländische Finanzdienstleister (§ 44 Abs. 1 S. 4 Nr. 2a lit. b) EStG-E): Sofern ein inländisches Kreditinstitut- oder ein inländischer Finanzdienstleister die Erträge gutschreibt bzw. auszahlt, ist dieses zum Einbehalt der Kapitalertragsteuer verpflichtet. Das Kreditinstitut oder der Finanzdienstleister kann dabei sowohl direkt vom Schuldner der Kapitalerträge oder vom Plattformbetreiber beauftragt werden.
  • Neu - Einbehalt durch den inländischen Schuldner (§ 44 Abs. 1 S. 4 Nr. 2a lit. c) EStG-E): Sofern die Gutschrift oder die Auszahlung eben nicht durch den inländischen Plattformbetreiber oder den inländischen Finanzdienstleister vorgenommen wird, sondern die Zahlung entweder durch einen ausländischen Finanzdienstleister oder durch den Schuldner direkt administriert wird, geht Pflicht zum Einbehalt der Kapitalertragsteuer auf den Schuldner über. Da die Schuldner jedoch in der Regel Unternehmen (kein Finanzdienstleister) oder sogar Privatpersonen sind, die zumeist nicht mit den Pflichten hinsichtlich des Kapitalertragsteuereinbehalts vertraut sind, müssen die inländischen Plattformbetreiber entsprechende Hinweise geben und dies auch dokumentieren. Sollte der Hinweis und die Dokumentation nicht erfolgen, haftet der Plattformbetreiber für nicht einbehaltende Steuern und andere zu Unrecht gewährte Steuervorteile.

Änderungen für den Einbehalt bei Kryptowertpapieren

Mit Wirkung zum 10.06.2021 wurde das elektronische Wertpapiergesetz (eWpG) verabschiedet und damit auch die elektronischen Wertpapierregister eingeführt. Neben der physischen Ausgabe und Verwahrung der Wertpapierurkunden würde damit auch eine elektronische Durchführung zulässig. Mit Hinblick auf den internationalen Wertpapierhandel kommt der elektronischen Ausgabe und Verwahrung auch eine zunehmend prägnantere Rolle zu. Daneben wird für Kryptowertpapiere ein gesondertes Kryptowertpapierregister geführt.

Während elektronischen Wertpapiere sowohl Inhaberschuldverschreibungen, Pfandbriefe als auch bestimmte Anteile am Sondervermögen abbilden können, erfassen Kryptowertpapiere lediglich Inhaberschuldverschreibungen, die im Rahmen der DLT-Technologie „verbrieft“ werden. Sofern das jeweilige Kryprowertpapier von einer inländischen, depotführenden Stelle verwahrt und verwaltet wird, gelten weiterhin die Abzugsverpflichtungen wie Sie im Rahmen des regulären Depotgeschäfts bereits anzuwenden sind. Da laut eWPG eben nur Inhaberschuldverschreibungen als Kryptowertpapiere einzuordnen sind, sollte hierbei regelmäßig die Abzugsverpflichtung nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 lit. a) EStG-E greifen. Sofern die Inhaberschuldverschreibungen von inländischen Kreditinstituten oder den inländischen Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute als Emittenten ausgegeben werden, kann ebenfalls die Abzugsverpflichtung nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 lit. b) EstG-E in Betracht kommen. Sollte letzteres der Fall sein, erfolgt der Einbehalt der Kapitalertragsteuer nach § 44 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 EStG-E durch das inländische Kreditinstitut oder den Finanzdienstleister.

Hinsichtlich der Einbehaltungspflicht durch den Plattformbetreiber nach § 44 Abs. 1 S. 4 Nr. 6 EStG-E sind die bestehenden Pflichten anderer Intermediäre zunächst vorrangig zu prüfen. Dies umfasst nach Nr. 1 und Nr. 4 die auszahlende bzw. verwahrende Stelle (also die inländischen Kreditinstitute und Finanzdienstleister und deren Zweigniederlassungen in Deutschland) einschließlich der Verwahrung von Anteilen an Investmentfonds und nach Nr. 5 inländische Investmentfonds, deren Anteile nicht von Kreditinsituten und Finanzdienstleitstern in Deutschland verwahrt oder verwaltet werden. Erst wenn keiner dieser vorgenannten Intermediäre in den Verwahr- oder Zahlungsprozess involviert ist, kann die Einbehaltungspflicht der Kryptoregisterstelle greifen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass Kryptowertpapiere grundsätzlich auch ohne die Zwischenschaltung einer dieser Intermediäre (bspw. einer Depotbank) verwahrt werden können. Die registerführende Stelle für Kryptowertpapiere soll in solchen Fällen als Abzugsverpflichteter auftreten, auch weil ihr die entsprechenden Informationen zur Durchführung zur Verfügung stehen.

Insoweit greift die neue Abzugsverpflichtung für tokenisierte Inhaberschuldverschreibungen also nur, sofern kein anderer der genannten Intermediäre involviert ist. Da Inhaberschuldverschreibungen in der Praxis jedoch häufig von Kreditinstituten selbst begeben werden, ist abzuwarten, inwiefern die neue Abzugsverpflichtung durch die Kryptoregisterstelle auch Anwendung finden wird.

Andere Krypto-Assets, welche bspw. als Equity Token ausgestaltet sind und damit Gesellschaftsrechte vermitteln, sind weiterhin getrennt von den Kryptowertpapieren i.S.d. eWpG zu betrachten. Sie können zwar nicht unter die eigenständige Abzugsverpflichtung nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 8a EStG-E i.V.m. § 44 Abs. 1 S. 4 Nr. 6 EStG-E subsumiert werden, allerdings greifen auch hierfür weiterhin die bereits bestehenden Abzugsverpflichtungen.

Handlungsbedarf - Nächste Schritte

Dienstleister, die den plattformbasierten Handel von Finanzinstrumenten anbieten und Kreditnehmer und Kreditgeber zusammenbringen (z.B. im Rahmen der sog. Micro-Financings), müssen sich mit den geänderten Abzugspflichten auseinandersetzen und bestehende Prozesse anpassen. Durch die explizite Einbeziehung von Einkünften aus partiarischen Darlehen und stillen Beteiligungen sollten die bisher bestehenden Abgrenzungsprobleme zwischen Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 und § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG beseitigt werden.

Erstmals müssen sich auch Kryptowertpapierregister mit der Tatsache auseinandersetzen, dass sie in Zukunft als Abzugsverpflichtete auftreten müssen. Die notwendigen steuerlichen Prozesse sollten nun rechtzeitig analysiert und umgesetzt werden, um den Abzugspflichten implementiert nachkommen zu können.

Fazit

​Da die Neuregelung bereits ab 01.01.2023 greifen sollen und sich aus der Abzugsverpflichtung umfangreiche Folgepflichten ergeben (bspw. die Erfassung von Kirchensteuermerkmalen der Kunden, die Abführung ans Betriebstätten-Finanzamt nach Bundesländern, die Pflicht zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen, jährliche Meldepflicht gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern, Dokumentations- und Nachweispflichten etc.) sollte eine umfassende Betroffenheitsanalyse bereits vor dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrungen begonnen werden. Erfahrungsgemäß sind die Vorlaufzeiten für die erforderlichen Anpassungen an den IT-Systemen lang, insbesondere wenn noch entsprechende Testläufe und Dokumentation erfolgen müssen.  

Betroffene Normen

§ 43 EStG, § 44 EStG

Fundstelle

Bundesfinanzministerium, Referentenentwurf Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022)​

 

Ihre Ansprechpartner

Birgit Köhler
Partner

bkoehler@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 5033

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Senior Manager

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