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12.04.2021
Unternehmensteuer

FG Schleswig-Holstein: Tatbestandsmerkmal der Vorteilsgeneigtheit bei vGA

Eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 S. 2 KStG auf der Grundlage einer verhinderten Vermögensmehrung liegt nur dann vor, wenn die verhinderte Vermögensmehrung auf der Ebene der Gesellschaft einen sachlich korrespondierenden wirtschaftlichen Vorteil auf der Ebene des Gesellschafters oder eines diesem nahestehenden Dritten begründen kann. 

Sachverhalt

Eine inländische GmbH, welche über inländische und ausländische Gesellschaften zu 100% in den im Ausland (Staat Y) ansässigen Mutterkonzern E eingebunden war, hatte von der im Ausland (Staat Z) ansässigen D diverse Aufträge erhalten. Anfang 2007 belegte der Staat Y den Staat Z mit einem Wirtschaftsembargo. In Y ansässige Unternehmen durften in Z ansässige Abnehmer nicht mehr beliefern. Daraufhin wies die E die GmbH an, die von der D erteilten Aufträge nicht mehr weiter auszuführen. Nachdem die GmbH der D dies mitgeteilt hatte, erhob Letztere Klage wegen der Nichterfüllung der Aufträge und machte Schadensersatzforderungen geltend. Die GmbH strengte ein Schiedsverfahren an, in dessen Folge sich diese zur Leistung von Schadensersatz verpflichtete und entsprechend Rückstellungen bildete bzw. aufstockte.

Das Finanzamt vertrat dazu die Auffassung, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht dazu bereit gewesen wäre, die durch die allein im Interesse der Konzernmutter erfolgten Auftragsabbrüche eingetretenen Schäden (Schadensersatzleistungen, entstandene Verfahrens­ und sonstige Kosten, entgangener Gewinn) zu tragen. Dass die GmbH dies hier dennoch getan hat, stelle eine vGA in Gestalt einer verhinderten Vermögensmehrung dar. Im Streitjahr 2011 umfasse diese der Höhe nach die Zuführung zur Rückstellung und die Kosten des Schiedsgerichtsverfahrens.

Entscheidung

Das FG kommt dagegen zu dem Schluss, dass nicht vom Vorliegen einer vGA ausgegangen werden kann.

Ständige Rechtsprechung zu den Tatbestandsmerkmalen einer vGA

Unter einer vGA gem. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gem. § 4 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG auszulösen (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 08.09.2010, I R 6/09). Dieses Merkmal der Vorteilsgeneigtheit bildet aus Sicht des FG den notwendigen „Brückenschlag“ zwischen Kapitalgesellschaft und Anteilseigner, der erforderlich ist, weil nach der BFH-Rechtsprechung jegliche gesellschaftliche (Mit-)Veranlassung genügt, um eine vGA anzunehmen. 

Insofern genügt zwar für die Annahme einer vGA auf der Ebene der Kapitalgesellschaft eine bei dieser eingetretene Vermögensminderung – eine konkrete oder abstrakte Vorteilszuwendungsabsicht oder gar ein tatsächlicher korrespondierender Vermögenszufluss beim Gesellschafter ist weder in zeitlicher noch in tatsächlicher Hinsicht notwendig (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.04.2013, I R 45/11). Es taugen aber von vornherein nur solche Unterschiedsbetragsminderungen als vGA bei der Gesellschaft, die die – objektive – Eignung haben, beim Gesellschafter einen Vorteil in Gestalt eines sonstigen Bezuges i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG auslösen zu können (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 26.06.2013, I R 39/12). Folglich bedarf es laut FG einer Korrespondenz zwischen der Unterschiedsbetragsminderung und der Eignung, beim Empfänger einen bestimm- und messbaren geldwerten Vorteil auszulösen - im Sinne einer Sach-, nicht aber einer Zeitkorrespondenz.

Kein Vorliegen einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung und Vorteilsgeneigtheit

Im Streitfall ist nach Ansicht des FG weder hinsichtlich der Zahlung der Verfahrenskosten noch hinsichtlich der Erhöhung des Rückstellungsbetrages eine gesellschaftliche Veranlassung erkennbar. Vielmehr erfolge die Zahlung der Verfahrenskosten ersichtlich im eigenbetrieblichen Interesse der GmbH. Allein sie sei am - betrieblich veranlassten - Schiedsverfahren beteiligt gewesen und dementsprechend Kostenschuldnerin. Entsprechendes gelte für die Erhöhung des Rückstellungsbetrages, die ebenfalls allein im eigenbetrieblichen Interesse der Gesellschaft erfolgt sei. Weiterhin ist aus Sicht des FG nicht zu erkennen, inwiefern die Erhöhung der Rückstellung und die Zahlung der Kosten für das Schiedsverfahren zu einem korrespondierenden Vorteil auf der Gesellschafterebene geführt haben sollen. 

Zwar kann eine Vorteilseignung auch dann vorliegen, wenn der Vorteil einer dem Gesellschafter nahestehenden Person zugewandt wird (vgl. BFH-Urteil vom 30.01.2013, II R 6/12). Vorliegend dürfte nach Auffassung des FG demnach auch die Konzernmutter als eine der GmbH nahestehende Person anzusehen sein. Es sei jedoch nicht ersichtlich, inwiefern die Erhöhung der Rückstellung und die Zahlung der Verfahrenskosten zu einem sachlich korrespondierenden wirtschaftlichen Vorteil bei der Konzernmutter geführt haben sollen. So habe die GmbH die Verfahrenskosten nicht für Rechnung der Konzernmutter, sondern für eigene Rechnung an einen gesellschaftsfremden Dritten geleistet. 

Kein Vorliegen einer verhinderten Vermögensmehrung

Auf eine verhinderte Vermögensmehrung kann aus Sicht des FG ebenfalls nicht abgestellt werden. Eine solche könne nicht in einem Verzicht der GmbH auf zivilrechtliche (Ersatz-)Ansprüche gegen die Konzernmutter gesehen werden. Denn für solche sei schon keine Grundlage ersichtlich; ferner habe die GmbH auch nicht erklärt, auf etwaige Ansprüche verzichten zu wollen. Unabhängig vom Bestehen solcher zivilrechtlichen Ansprüche lasse sich der Ansatz einer vGA ausgehend von einer verhinderten Vermögensmehrung auch nicht damit begründen, dass die GmbH die Durchführung der Aufträge auf Weisung der Konzernmutter abgebrochen hat und der Abbruch somit gesellschaftlich veranlasst gewesen sei. 

Auch für diesen Fall müssten die der GmbH entstandenen Vermögensnachteile für das Vorliegen einer vGA nach Auffassung des FG geeignet gewesen sein, einen korrespondierenden Vermögensvorteil bei der Konzernmutter E herbeizuführen. Das sei nicht nur bei einer vGA in Gestalt einer Vermögensminderung, sondern auch in der Variante der verhinderten Vermögensmehrung zu fordern. Im Entscheidungsfall sei dies nicht zu erkennen. So liege insbesondere kein Fall der Kostenverlagerung von E auf die GmbH vor. Denn es wäre E von vornherein gar nicht möglich gewesen, den Abbruch der Vertragsbeziehungen zwischen der GmbH und D selbst und auf eigene Kosten herbeizuführen. 

Betroffene Normen

​§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG

Streitjahr ​2011​ 

Anmerkung

Ausführungen zum Fremdvergleich

​Im Rahmen des oben dargestellten Urteils verdient zudem der Gedanke des FG Aufmerksamkeit, ob eine konzerninterne Weisung überhaupt einem Fremdvergleich unterzogen werden kann, da es Bereiche gebe, die einem Fremdvergleich von vornherein nicht zugänglich seien und in denen sich ein solcher als untauglich erweise. Insofern lehnt sich das FG an eine in der Literatur vertretene Sichtweise an, der zufolge ein Fremdvergleich hinsichtlich solcher grundlegender gesellschaftsbezogener Entscheidungen, die nur autonom vom Gesellschafter selbst getroffen werden können, nicht in Betracht kommen könne. In diesen Fällen sei ein Vergleich mit einem fremden Dritten nämlich hypothetisch wie tatsächlich ausgeschlossen (vgl. Gosch in Gosch, § 8 KStG, Rz. 314). Es bleibt abzuwarten, ob der BFH sich im anhängigen Revisionsverfahren auch zu dieser Frage äußern wird.

Fundstelle

Finanzgericht​ Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.12.2020, 1 K 16/19, BFH-anhängig: I R 2/21

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 26.06.2013, I R 39/12, BStBl II 2014, S. 174

BFH, Urteil vom 10.04.2013, I R 45/11, BStBl II 2013, S. 771

BFH, Urteil vom 30.01.2013, II R 6/12, BStBl II 2013, S. 930, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 08.09.2010, I R 6/09, BStBl II 2013, S. 186, siehe Deloitte Tax-News

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