FG Münster: Zum Abzugsverbot für Schuldzinsen bei Umwandlungen
Im Fall der formwechselnden Umwandlung einer GmbH in eine Personengesellschaft ist das von dieser übernommene positive Eigenkapital als (fiktive) Einlage im Rahmen des Abzugsverbots für Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen.
FG Münster, Urteil vom 12.06.2024, 6 K 564/19 G, F; BFH-anhängig: IV R 10/24
Sachverhalt
Strittig ist, ob im Fall der formwechselnden Umwandlung einer GmbH in eine Personengesellschaft das von dieser übernommene positive Eigenkapital als (fiktive) Einlage im Rahmen des Abzugsverbots für Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, wurde zum 01.01.2010 aus der E2 GmbH i.S.d. § 9 UmwStG formgewechselt. Gesellschafterin der E2 GmbH war die R1 GmbH & Co. KG, die nach dem Formwechsel die Kommanditistin der Klägerin ist.
Komplementärin der Klägerin ist die E1 Verwaltungs GmbH. Alleinige kapitalmäßig beteiligte Gesellschafterin der R 1 GmbH & Co. KG ist die R2 SE & Co. KG.
Das Eigenkapital der Klägerin entspricht dem Einlagewert nach § 5 Abs. 3 UmwStG zuzüglich dem Übernahmegewinn 1. Stufe gemäß § 4 Abs. 4 UmwStG. Im Streitjahr (2012) tätigte die Kommanditistin Entnahmen aus der Rücklage.
Das Finanzamt berücksichtigte das positive Eigenkapital der GmbH (zum 31.12.2009) nicht als (fiktive) Einlage in die GmbH & Co. KG und kam folglich zu dem Schluss, dass für das Streitjahr Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG vorliegen, so dass ein Teil der Schuldzinsen der Klägerin als nicht abziehbar zu behandeln sind.
Entscheidung
Das FG kommt entgegen der Auffassung des Finanzamtes zu dem Ergebnis, dass das in Folge der formwechselnden Umwandlung der E2 GmbH auf die Klägerin übernommene Eigenkapital als (fingierte) Einlage im Sinne des § 4 Abs. 4a S. 2 EStG zu berücksichtigen ist. Folglich liegen nach dem FG im Streitjahr keine Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG vor und dementsprechend ist auch kein Hinzurechnungsbetrag gewinnerhöhend zu berücksichtigen.
Gesetzliche Grundlage
Nach § 4 Abs. 4a EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen.
Anwendung auch bei einer mehrstöckigen Personengesellschaft ohne Beteiligung einer natürlichen Person
Das FG beruft sich auf Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2023, IV R 8/21) und kommt entgegen der Auffassung der Klägerin zu dem Schluss, dass die Regelungen des § 4 Abs. 4a EStG auch auf mehrstöckigen Personengesellschaften ohne Beteiligung einer natürlichen Person anzuwenden sind.
Der BFH habe mit o.g. Urteil explizit entschieden, dass auch im Bereich der mehrstöckigen Personengesellschaften kein Raum für die „konzernbezogene“ Betrachtung des Entnahmebegriffs bestehe.
Die Gewinnhinzurechnung sei in dem einzelnen Betrieb vorzunehmen, für den eine eigenständige Gewinnermittlung durchgeführt werde (vgl. BFH-Urteil vom 24.11.2016, IV R 46/13). Dem entspreche die betriebsbezogene Auslegung. Hingegen würde es der vom Gesetzgeber angestrebten Vereinfachung widersprechen, wenn in Konzernsachverhalten oder bei doppelstöckigen Personengesellschaftsstrukturen eine betriebsübergreifende Betrachtung anzustellen wäre.
Das übernommene positive Eigenkapital als (fingierte) Einlage
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. OFG Rheinland, Kurzinformation zur Einkommensteuer Nr. 31/2011) und von Teilen der Literatur vertretenen Auffassung kommt das FG zu dem Ergebnis, dass das in Folge der formwechselnden Umwandlung der E 2 GmbH auf die Klägerin übernommene positive Eigenkapital als (fingierte) Einlage i.S.d. § 4 Abs. 4a S. 2 EStG zu berücksichtigen ist.
Der Einlagebegriff in § 4 Abs. 4a S. 2 EStG sei vor dem Hintergrund der (umwandlungs-) steuerrechtlichen Besonderheiten des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft und unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Norm zu modifizieren bzw. normspezifisch auszulegen (so auch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.04.2024, 15 K 15090/22). Für steuerliche Zwecke fingiere das UmwStG beim Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft einen Vermögensübergang auf die übernehmende Personengesellschaft. Dieser fingierte Vermögensübergang kann nach dem FG im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG nicht unberücksichtigt bleiben. Hierfür spreche die gesetzgeberische Konzeption des § 4 Abs. 4a EStG, da die Ausgestaltung des § 4 Abs. 4a EStG auf dem sog. Eigenkapitalmodel beruhe (vgl. z.B. -BFH-Urteil vom 03.03.2011, IV R 53/07). Das vorhandene Eigenkapital bildet die Grenze, was der Betriebsinhaber dem Betrieb an Mitteln entziehen darf, ohne die Rechtsfolge des § 4 Abs. 4a EStG auszulösen. Kommt es im Falle des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft aufgrund des steuerrechtlich fingierten Vermögensübergangs zu einer Übertragung positiven Eigenkapitals von der Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft, so ist nach dem FG der Vorgang nicht anders zu beurteilen als die Neugründung des Betriebs einer Personengesellschaft bei der dieser erstmalig Mittel (Kapital) durch die Gesellschafter zugeführt werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 10.07.1991, VIII R 126/86).
Auch der Sinn und Zweck der Norm spreche nicht gegen eine entsprechende Berücksichtigung.
Betroffene Norm
§ 4 Abs. 4a EStG
Streitjahr 2012
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 12.06.2024, 6 K 564/19 G, F; BFH-anhängig: IV R 10/24
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 27.09.2023, IV R 8/21, BStBl. II 2024, S. 110 siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 24.11.2016, IV R 46/13, BStBl. II 2017, S. 268
FG Berllin-Brandenburg, Urteil vom 29.04.2024, 15 K 15090/22, EFG 2024, S. 1598; BFH-anhängig: III R 19/24
BFH, Urteil vom 03.03.2011, IV R 53/07, BStBl. II 2011, S. 688 siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 10.07.1991, VIII R 126/86, BStBl. II 1991, S. 840