FG Münster: Verlustrücktrag trotz schädlichen Beteiligungserwerbs
Nach einem unterjährig stattgefundenen schädlichen Beteiligungserwerb ist ein Verlustrücktrag trotz § 8c Abs. 1 KStG möglich, da ein nach dem schädlichen Beteiligungserwerb erzielter Verlust schon vom Wortlaut der Norm nicht erfasst wird und ein bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erzielter Verlust aufgrund von Sinn und Zweck der Norm abziehbar sein muss (entgegen BMF-Schreiben vom 04.07.2008 sowie Entwurf eines BMF-Schreibens vom 15.04.2014).
Sachverhalt
Im Jahr 2013 (21.11.2013) trat die Gesellschafterin N ihre Gesellschaftsanteile (50%) an der Klägerin unentgeltlich an die Gesellschafter und Eheleute I und K ab. Die Klägerin erzielte in 2013 einen der Höhe nach unstreitigen Verlust, den sie in voller Höhe nach 2012 zurücktragen wollte. Das Finanzamt folgte dem nicht. Es ging davon aus, dass 50% des zeitanteilig bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erzielten Verlustes des Jahres 2013 untergangenen sei.
Entscheidung
Das Finanzamt sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass von dem im Jahr 2013 erzielten Verlust 50% des bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erzielten Verlustes nicht habe zurückgetragen werden können.
Werden innerhalb von 5 Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % (aber nicht mehr als 50%) des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Person übertragen oder liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor, so handelt es sich um einen sog. schädlichen Beteiligungserwerb, der zum quotalen Untergang der bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) führt (vgl. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG). Dabei gilt auch eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen als „ein Erwerber“.
Zwar liege im Streitfall unstreitig ein solcher schädlicher Beteiligungserwerb im Jahre 2013 vor, da 50 % der Anteile an der Klägerin von N auf K und I (Eheleute als Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen i.S. des § 8c Abs. 1 S. 3 KStG) übertragen worden sind, die dadurch zu den einzigen Gesellschaftern der Klägerin wurden.
Dennoch stehe § 8c Abs. 1 KStG dem Rücktrag des im ganzen Jahr 2013 insgesamt erzielten Verlustes nicht entgegen. Für den nach dem schädlichen Beteiligungserwerb erzielten Teil des Verlustes folge dies daraus, dass dieser weder vom Wortlaut noch vom Telos des § 8 Abs. 1 KStG erfasst werde.
Auch für den vor dem schädlichen Beteiligungserwerb erzielten Verlust sei ein Rücktrag – entgegen Rz. 30 des BMF-Schreibens vom 04.07.2008 (sowie des Entwurfs für ein BMF-Schreiben vom 15.04.2014) – möglich. Zwar sehe § 8c Abs. 1 S. 1 KStG vor, dass die nicht genutzten Verluste nicht mehr abziehbar sind. Ausgehend von ihrem Wortlaut sage die Vorschrift daher nichts darüber aus, ob ein Verlustabzug im Wege des Rücktrags (und/oder des Vortrags) nicht mehr möglich sein soll.
Einen Verlustrücktrag zuzulassen entspreche auch dem Sinn und Zweck des § 8c Abs. 1 KStG, der lediglich verhindern solle, dass früher entstandene Verluste durch einen Beteiligungserwerb wirtschaftlich übertragen und durch personell veränderte Gesellschaften genutzt werden können. Daher werde ein Verlustrücktrag, bei dem lediglich diejenigen Anteilseigner den Verlustanteil nutzen, die ihn während ihres wirtschaftlichen Engagements wirtschaftlich getragen haben, von der Norm nicht berührt. Weder aus dem Wortlaut, noch aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass oder warum die Verlustnutzung für solche Zeiträume, in denen unverändert im Wesentlichen dieselben Anteilseigner an der Kapitalgesellschaft beteiligt waren wie im Zeitraum der Verlustentstehung, eingeschränkt werden sollte.
Diese Auslegung werde durch die Rechtsprechung des BFH getragen (vgl. BFH-Urteil v. 30.11.2011), nach der ein bis zum (unterjährigen) schädlichen Beteiligungswechsel erwirtschafteter Gewinn mit dem vortragsfähigen Verlust zum vorangegangenen Feststellungszeitpunkt verrechnet werden darf. Der BFH differenziere erkennbar zwischen dem alten und dem neuen wirtschaftlichen Engagement, deren Trennung durch den schädlichen Beteiligungserwerb erfolge. Auch er erlaube eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten innerhalb der Phase des alten wirtschaftlichen Engagements.
Betroffene Normen
§ 8c Abs. 1 KStG, § 10d Abs. 1 EStG
Streitjahre 2012, 2013
Hinweis
Das Revisionsverfahren wurde beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 61/16 geführt. Mit Urteil vom 28.11.2018, I R 61/16 hat der BFH das Verfahren betreffend den Körperschaftsteuerbescheid für 2013 abgetrennt. Die Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 2012 wurde abgewiesen. Mit Urteil vom 08.08.2019, I R 41/18, hat der BFH in dem abgetrennten Verfahren entschieden. Im Wege der Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit der Klage hält der BFH die Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 2013 zulässig. Obwohl die Körperschaftsteuer auf 0 Euro festgesetzt worden ist (sog. Nullbescheid), sei die Klägerin durch den Bescheid beschwert. Die materiell-rechtliche Entscheidung des BFH zu dem unterjährig stattgefundenen schädlichen Beteiligungserwerb und § 8c Abs. 1 KStG steht noch aus.
Fundstellen
BFH, Entscheidung vom 28.11.2019, I R 41/18 (Zwischenurteil: Klage gegen KSt-Bescheid 2013 ist zulässig)
BFH, Urteil vom 28.11.2018, I R 61/16 (Abtrennung Verfahren für KSt-Bescheid 2013, Abweisung Klage gegen KSt-Bescheid 2012)
Finanzgericht Münster, Urteil vom 21.07.2016, 9 K 2794/15 K, F, BFH-anhängig: I R 41/18
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 30.11.2011, I R 14/11, BStBl. II 2012 S. 360, siehe Deloitte Tax-News
BMF-Entwurf zur Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften – Anwendung des § 8c KStG vom 15.04.2014, IV C 2 - S 2745-a/09/10002 :004, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2745-a/08/10001, BStBl. I 2008, S. 736