FG Münster: Untergang von Gewerbesteuer-Verlusten bei unterjährigem Gesellschafterwechsel bei der Organträgerin
Wechselt unterjährig ein Teil der Gesellschafter einer Organträger-Personengesellschaft, gehen auch die auf die ausgeschiedenen Gesellschafter entfallenden, laufenden Verluste des Organträgers für Zwecke der Gewerbesteuer unter und stehen nicht mehr zur Verrechnung mit laufenden Gewinnen der Organgesellschaften zur Verfügung.
Sachverhalt
Die Klägerin ist gewerbesteuerliche Organträgerin i.S.d. § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG mit der B GmbH und der C GmbH als Organgesellschaften. Komplementärin der Klägerin (OT) ist die D GmbH, die zu 3 % an der Gesellschaft beteiligt ist. Die Kommanditisten E, F und G brachten unterjährig (zum 01.11.2014) ihre Anteile an der Klägerin (OT) gegen Gewährung von neuen Gesellschaftsrechten zum 01.11.2014 in die H KG ein. Die Beteiligung der D GmbH an der Klägerin blieb unverändert bestehen. Bei der Klägerin (OT) bestand zum Schluss des vorangegangenen Erhebungszeitraums kein vortragsfähiger Gewerbeverlust i.S.d. § 10a GewStG. Im Streitjahr erlitt die Klägerin (OT) vor Berücksichtigung der gewerbesteuerlichen Organschaftsfolgen nach § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG einen laufenden Verlust. Die beiden Organgesellschaften erwirtschafteten laufende Gewinne.
Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Unternehmeridentität der Klägerin (OT) durch die Einbringungsvorgänge und den Gesellschafterwechsel im Umfang von 97 % nicht mehr gewahrt sei, weshalb der laufende Gewerbeverlust nach § 10a GewStG insoweit anteilig untergehe. Hingegen hatte nach der Klägerin (OT) der Gesellschafterwechsel keine gewerbesteuerlichen Folgen, da in einem ersten Schritt der laufende Verlust des Organträgers mit den laufenden Gewinnen der Organgesellschaften zu verrechnen sei und sich bei dieser Zusammenrechnung ein positiver Gewerbeertrag ergebe.
Entscheidung
Das FG kommt in Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung zu dem Ergebnis, dass die auf die ausgeschiedenen Gesellschafter entfallenden Verluste aufgrund des Gesellschafterwechsels bei der Klägerin (OT) untergegangen sind und somit nicht mehr zur Verrechnung mit den laufenden Gewinnen der Organgesellschaften zur Verfügung stehen.
Anteiliger Wegfall der Unternehmeridentität
Der Gewerbeertrag der Klägerin (OT) sei ohne Berücksichtigung der auf die ausgeschiedenen Gesellschafter entfallenden Verluste zu ermitteln. Denn eine Verlustberücksichtigung setze nach ständiger BFH-Rechtsprechung die Unternehmens- und Unternehmeridentität voraus (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.2014, IV R 34/10). An der Unternehmeridentität fehle es im Streitfall. Diese liegt nämlich nur vor, wenn der Steuerpflichtige, der den Verlustabzug in Anspruch nimmt, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten hat. Danach muss dieser sowohl zur Zeit der Verlustentstehung als auch im Jahr der Entstehung des positiven Gewerbeertrags Unternehmensinhaber gewesen sein (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.2012, IV R 3/09 sowie Beschluss vom 03.05.1993, GrS 3/92).
Bei einer Personengesellschaft sind die Gesellschafter, die unternehmerisches Risiko tragen und unternehmerische Initiative ausüben können, die (Mit-)Unternehmer des Betriebs (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Sie sind auch gewerbesteuerrechtlich Träger des Verlustabzugs. Dementsprechend geht beim Ausscheiden von Gesellschaftern aus einer Personengesellschaft der Verlustabzug im Rahmen des § 10a GewStG verloren, soweit der Fehlbetrag anteilig auf die ausgeschiedenen Gesellschafter entfällt (vgl. BFH-Urteile vom 03.02.2010, IV R 59/07 und vom 22.01.2009, IV R 90/05). Es mangelt auch dann an der Unternehmeridentität, wenn Gesellschafter, wie im Streitfall, ihre Gesellschaftsanteile an eine andere Personengesellschaft veräußern, an welcher sie wiederum mit gleichen Anteilen beteiligt sind und dadurch eine doppelstöckige Personengesellschaft bilden (vgl. BFH-Urteil vom 29.08.2000, VIII R 1/00).
Die Vorschrift des § 10a GewStG regelt vom Wortlaut her zwar allein die Verlustverrechnung mit festgestellten Verlusten eines Erhebungszeitraums mit dem Betriebsergebnis des Folgejahres, gelte aber auch im Fall des unterjährigen Ausscheidens eines Gesellschafters für den bis dahin entstandenen laufenden Verlust (vgl. BFH-Urteile vom 22.01.2009, IV R 90/05 und vom 14.01.2016, IV R 5/14).
Keine (vorrangige) Verrechnung der laufenden Verluste des OT mit den laufenden Gewinnen der Organgesellschaften
Zur Frage, ob in einem ersten Schritt zunächst der laufende Verlust der Klägerin (OT) auf Stand-alone-Basis mit den laufenden Gewinnen der Organgesellschaften verrechnet werden kann, nimmt das FG, wie folgt, Stellung: So beruft sich das FG auf die vom BFH vertretene sog. eingeschränkte Einheitstheorie (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.1999, I R 79/98), nach der Organträger und Organgesellschaft trotz der Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG kein einheitliches Unternehmen bilden. Nach § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG gilt eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft im Sinne der § 14 oder § 17 KStG als Betriebsstätte des Organträgers. Trotz dieser Fiktion bleiben die Organgesellschaft und der Organträger aber selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind. Der Gewerbeertrag der Organgesellschaft ist so zu ermitteln, als wäre diese Gesellschaft ein selbständiges Steuersubjekt. Erst der selbständig ermittelte Gewerbeertrag der Organgesellschaft ist sodann - auf einer zweiten Stufe - mit dem für den Organträger selbst ermittelten Gewerbeertrag zusammenzurechnen. Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Gewinnverrechnung innerhalb des Wirtschaftsjahres zwischen Organträger und Organgesellschaft aus. Der damit auf der Ebene der Klägerin (OT) im Rahmen der ersten Stufe der Ermittlung des Gewerbeertrages entstandene Verlust sei, soweit er auf die ausgeschiedenen Gesellschafter entfällt, aufgrund der auch unterjährig geltenden Wirkung des § 10a GewStG bei der Bildung des einheitlichen Gewerbeertrags für den Organkreis nicht berücksichtigungsfähig.
Etwas Gegenteiliges folge auch nicht aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil (BFH-Urteil vom 04.05.2017, IV R 2/14). Soweit dort ausgeführt ist, dass „Verluste der Organgesellschaft, die während der Dauer der Organschaft entstanden sind, auch nach deren Beendigung nur von dem maßgebenden Gewerbeertrag des Organträgers abgesetzt werden können“ folge daraus nicht, dass im Rahmen der zweistufigen Gewinnermittlung nicht zunächst der Gewerbeertrag des Organträgers zu ermitteln wäre.
Betroffene Normen
§ 10a GewStG
Streitjahr 2014
Fundstelle
FG Münster, Urteil vom 21.03.2023, 11 K 2517/21 G
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 24.04.2014, IV R 34/10, BStBl. II 2017, S. 233, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 11.10.2012, IV R 3/09, BStBl. II 2013, S. 176, siehe Deloitte Tax News
BFH, Beschluss vom 03.05.1993, GrS 3/92, BStBl. II 1993, S. 616
BFH, Urteil vom 03.02.2010, IV R 59/07, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 22.01.2009, IV R 90/05
BFH, Urteil vom 14.01.2016, IV R 5/14, BStBl. II 2016, S. 875, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 29.08.2000, VIII R 1/00, BStBl. II 2001, S. 114
BFH, Urteil vom 28.10.1999, I R 79/98
BFH, Urteil vom 04.05.2017, IV R 2/14, BStBl. II 2017, S. 1138, siehe Deloitte Tax News