FG Münster: Sonderbetriebsausgabenabzugsverbot bei Auslandsbezug und vollkonsolidierender Gruppenbesteuerung
Das Abzugsverbot von Sonderbetriebsausgaben nach § 4i S. 1 EStG findet bei einer vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung nach niederländischem Recht (sog. „fiscale eenheid“), bei der gruppeninterne Transaktionen unberücksichtigt bleiben, keine Anwendung, da die Steuerbemessungsgrundlage in den Niederlanden nicht gemindert wird. Eine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage liegt nach dem Verständnis des FG dann nicht vor, wenn die Aufwendungen im Ausland nicht zum Abzug zugelassen oder dem nicht steuerbaren Bereich zugeordnet werden.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 31.08.2023, 10 K 2613/20 F
Sachverhalt
An einer GmbH & Co. KG war die in den Niederlanden ansässige C- B.V. als Kommanditistin zu 100 % beteiligt. Komplementärin war die D GmbH, die selbst keine Anteile am Kapital der GmbH & Co. KG hält. An der C- B.V. war die ebenfalls in den Niederlanden ansässige F- B.V. zu 100 % beteiligt. Die F- B.V. und die C- B.V. befanden sich in den Niederlanden in einer sog. niederländischen Gruppenbesteuerung für ertragsteuerliche Zwecke („fiscale eenheid“).
Die F- B.V. gewährte der C- B.V. mehrere Tilgungsdarlehen, die dazu dienten, der C- B.V. die Mittel zu verschaffen, um die GmbH & Co. KG mit entsprechenden Geldbeträgen auszustatten. Die Darlehenszinsen wurden von der C- B.V. monatlich an die F- B.V. gezahlt. Die GmbH & Co. KG passivierte die Verbindlichkeiten aus den von der F- B.V. gewährten Darlehen in einer Sonderbilanz der C- B.V. und berücksichtigte die Schuldzinsen als deren Sonderbetriebsausgaben (SBA).
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass dem Abzug der von der Kommanditistin gezahlten Schuldzinsen zur Refinanzierung ihrer Kapitaleinlage als Sonderbetriebsausgaben die Regelung des § 4i S. 1 EStG entgegen stehe.
Entscheidung
Entgegen der Auffassung des Finanzamtes ist das FG der Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 4i S. 1 EStG nicht vorliegen, sodass die SBA der Kommanditistin in voller Höhe den Gewinn der GmbH & Co. KG mindern.
Gesetzliche Grundlagen: Abzugsverbot von SBA i.S.d. § 4i EStG
Nach § 4i S. 1 EStG dürfen Aufwendungen nicht als SBA abgezogen werden, soweit sie auch die Steuerbemessungsgrundlage in einem anderen Staat mindern. Dies gilt nicht, soweit diese Aufwendungen Erträge desselben Steuerpflichtigen mindern, die bei ihm sowohl der inländischen Besteuerung unterliegen als auch nachweislich der tatsächlichen Besteuerung in dem anderen Staat (§ 4i S. 2 EStG).
Die Vorschrift ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2017 anzuwenden.
Die Einführung des § 4i EStG steht im Zusammenhang mit Qualifikationskonflikten, die durch die Beteiligung von Steuerausländern an inländischen Mitunternehmerschaften auftreten können. Das deutsche Besteuerungskonzept von Mitunternehmerschaften kann im Fall eines im Ausland ansässigen Mitunternehmers einer deutschen Personengesellschaft dazu führen, dass vom Gesellschafter getätigte Aufwendungen sich prinzipiell zweifach als Betriebsausgaben steuermindernd auswirken (sog. Double-Dip).
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich des § 4i S. 1 EStG ist eröffnet
Im Streitfall ist der persönliche Anwendungsbereich des § 4i S. 1 EStG eröffnet, da es sich bei der GmbH & Co. KG um eine Personengesellschaft handelt, an der die in den Niederlanden ansässige C- B.V. als Kommanditistin beteiligt ist. Letztere unterliegt aus ihrer inländischen Mitunternehmerschaft im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht im Inland der Besteuerung. Auch der sachliche Anwendungsbereich ist eröffnet, denn bei den von der C- B.V. an ihre Muttergesellschaft F- B.V. geleisteten Refinanzierungszinsen handelt es sich um SBA der Kommanditistin, die im Rahmen der Mitunternehmerschaft den Gewinn der Kommanditistin gemindert haben.
Minderung der Steuerbemessungsgrundlage
Weder der Begriff „Steuerbemessungsgrundlage“ noch deren „Minderung“ ist im Gesetz näher konkretisiert. Das FG geht davon aus, dass der Begriff der ausländischen „Steuerbemessungsgrundlage“ aus dem Verständnis des nationalen Rechts zu entwickeln ist. Danach sei von einer „Minderung“ der Steuerbemessungsgrundlage auszugehen, wenn die Aufwendungen auch in dem anderen Staat dem steuerbaren Bereich zuzuordnen sind. Daher soll dann keine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage vorliegen, wenn die Aufwendungen im Ausland nicht zum Abzug zugelassen oder dem nicht steuerbaren Bereich zugeordnet werden.
Vollkonsolidierende Gruppenbesteuerung bei einer „fiscale eenheid“
Die C- B.V. bildet zusammen mit ihrer Muttergesellschaft F- B.V. in den Niederlanden eine sog. „fiscale eenheid“, d.h. beide Gesellschaften werden als einheitliches Steuersubjekt betrachtet und unterliegen im Rahmen der niederländischen Besteuerung einer sog. vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung. Dabei erfolgt die Konzernbesteuerung nach dem Prinzip der Einheitstheorie, wonach eine Fusion der teilnehmenden Gesellschaften fingiert wird, so dass die Gruppe körperschaftsteuerrechtlich als ein einziges Unternehmen behandelt wird. Dabei werden die gruppeninternen Transaktionen grundsätzlich nicht berücksichtigt, d.h. gegenseitige Forderungen und Schulden innerhalb der Gruppe sind steuerlich nicht mehr existent. Formell erfolgt daher keine separate Gewinnermittlung auf der Ebene der beteiligten Gesellschaften und eine anschließende Verrechnung dieser Zwischengewinne. Stattdessen werden während des Bestehens der fiskalischen Einheit alle Geschäftsergebnisse der Tochtergesellschaft als Ergebnisse der Muttergesellschaft betrachtet. Für die fiskalische Einheit wird nur eine Konzernbilanz und eine konzernweite Gewinn- und Verlustrechnung anstelle mehrerer Einzelbilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen für jede Gesellschaft aufgestellt. Die Besteuerung erfolgt also nicht aufgrund einer „konsolidierten“ Konzernsteuerbilanz mit einem zusammengeführten Konzernergebnis.
Dies bedeutet im Streitfall, dass die C- B.V. und die F- B.V.in den Niederlanden als einheitliches Steuersubjekt behandelt werden und daher nur eine (einheitliche) Konzernbilanz aufgestellt wird. Gruppeninterne Transaktionen, wie die gegenüber der F- B.V. bestehenden Darlehensverbindlichkeiten der C- B.V. und die damit in Zusammenhang stehenden Zinszahlungen der C- B.V. sowie die entsprechenden Darlehensforderungen der F- B.V. und die Zinseinnahmen der F- B.V., bleiben bei der Aufstellung der Konzernbilanz unberücksichtigt. Es erfolgt somit gerade keine Verrechnung von Gewinnen zwischen der C- B.V. und der F- B.V.
Keine Anwendung von § 4i S. 1 EStG
Ob die vollkonsolidierende Gruppenbesteuerung im Fall von Darlehensbeziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft zu einer Minderung der niederländischen Steuerbemessungsgrundlage führt und daher § 4i S. 1 EStG Anwendung findet, wird innerhalb der Literatur unterschiedlich beurteilt. Das FG folgt dabei der Auffassung, dass aufgrund der steuerlichen Unbeachtlichkeit der gruppeninternen Transaktionen die im Zusammenhang mit einem gruppeninternen Darlehen angefallenen Schuldzinsen bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage unberücksichtigt bleiben und somit nicht zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage in den Niederlanden führen. Die vorliegende Sachverhaltskonstellation sei mit der Fallkonstellation vergleichbar, bei der das Abzugsverbot des § 4i S. 1 EStG nicht eingreift, da die Aufwendungen im Ausland dem nichtsteuerbaren Bereich zugerechnet werden. In beiden Fallvarianten führt die jeweilige steuerliche Behandlung der Aufwendungen im Ergebnis dazu, dass die Aufwendungen tatsächlich keinen Einfluss auf die steuerliche Bemessungsgrundlage im Ausland haben.
Betroffene Normen
§ 4i EStG
Streitjahr 2017
Anmerkungen
Das hier dargestellte Urteil des FG Münster ist soweit ersichtlich die erste Entscheidung zur Auslegung der im Rahmen des EU-Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes neu eingeführten Vorschrift des § 4i EStG. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, ob im Fall der vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung nach niederländischem Recht (sog. „fiscale eenheid“), bei der die gruppeninternen Transaktionen unberücksichtigt bleiben, eine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage i.S.d. § 4i S. 1 EStG vorliegt, ist bislang noch nicht ergangen. Sofern die vom FG Münster zugelassene Revision eingelegt wird, wovon wohl auszugehen sein dürfte, erhält der BFH nunmehr erstmalig die Gelegenheit sich mit den Anwendungsvoraussetzungen von § 4i EStG zu beschäftigen. Bleibt zu hoffen, dass der BFH die für die Steuerpflichtigen positive Entscheidung des FG bestätigen wird.
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 31.08.2023, 10 K 2613/20 F
Siehe auch den englischen Beitrag in den Deloitte Tax-News