FG Münster: Kein Gewerblicher Grundstückshandel bei Veräußerungen nach Ablauf der Fünfjahresfrist
Die Grenze zur Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels bei der Veräußerung von 13 Objekten ca. sechs Monate nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums ist nicht überschritten, wenn keine besonderen Umstände für eine Verlängerung dieses Zeitraums hinzutreten.
Sachverhalt
Geschäftsführer der Klägerin, einer GmbH, waren ursprünglich C und E. Nach dem Ableben des E im Jahr 2012 übernahm C die alleinige Geschäftsführung. Unternehmensgegenstand der GmbH war ausschließlich die Vermietung und Verpachtung sowie die Veräußerung von Immobilien. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war die X-GmbH. Deren Gesellschafter waren zunächst C und E zu gleichen Teilen. Nach dem Tod des E war C Alleingesellschafter. Zur Unternehmensgruppe der X-GmbH gehörten weitere Gesellschaften, die teilweise andere Unternehmenszwecke wie die Klägerin verfolgten, wie beispielsweise die Bautätigkeit oder der Immobilienhandel. Geschäftsführer dieser Gesellschaften war ebenfalls C.
In 2013 veräußerte die Klägerin insgesamt 13 Grundstücke an eine KG. Der Fünfjahreszeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung war bei einem Objekt um 5 Monate, bei sieben Objekten um 6 Monate, bei vier Objekten um 6 ½ Monate und bei einem Objekt um 7 ½ Monate überschritten. Zur Finanzierung der ursprünglichen Anschaffungskosten dieser Grundstücke hatte die Klägerin zum Teil Darlehen aufgenommen. Diese löste sie nach der Veräußerung zum größten Teil ab, wofür sie Vorfälligkeitsentschädigungen zu leisten hatte. Das Finanzamt versagte die beantragte erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags für Grundstücksunternehmen gem. § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG, da die Tätigkeit der GmbH über eine reine Vermögensverwaltung hinausgegangen sei.
Entscheidung
Das FG kommt entgegen der Ansicht des Finanzamts zu dem Ergebnis, dass die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel nicht überschritten wurde.
Gesetzliche Grundlagen
Gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG wird auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, der Teil des Gewerbeertrags gekürzt, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung). Umfasst werden auch etwaige Erlöse aus der Veräußerung der zu den begünstigten Zwecken eingesetzten Grundstücke. Die Tätigkeit darf den Rahmen der Vermögensverwaltung nicht überschreiten und nicht gewerblich sein. Dabei ist für die Abgrenzung der Vermögensverwaltung zu einer gewerblichen Tätigkeit auf die ertragsteuerlichen Grundsätze abzustellen (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.01.2022, 8 K 8008/21).
Verlängerung der Fünfjahresfrist für die „Drei-Objekte-Grenze“ unter besonderen Umständen
Im Fall des Erwerbs und der Veräußerung von bebauten oder unbebauten Grundstücken sind aus Sicht des FG daher die Kriterien des gewerblichen Grundstückshandels nach der sog. Drei-Objekt-Grenze heranzuziehen. Von einem gewerblichen Grundstückshandel kann nach der ständigen Rechtsprechung des BFH im Regelfall dann ausgegangen werden, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf, d.h. von etwa fünf Jahren, mindestens vier Objekte veräußert wurden. Dem Fünfjahreszeitraum komme dabei nur eine indizielle Bedeutung zu, sodass sich dieser Zeitraum bei Hinzutreten besonderer Umstände verlängern könne (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2015, X R 22/13).
So beispielsweise bei einer nur geringfügigen zeitlichen Überschreitung (vgl. BFH-Urteil vom 21.06.2001, III R 27/98: zwei Monate), einer größeren Anzahl von Objekten (vgl. BFH-Urteil vom 09.05.2001, XI R 34/99: 26 Objekte), der Ausübung eines branchennahen Hauptberufs (vgl. z.B. BFH- Urteil vom 15.06.2004, VIII R 7/02: Grundstücksmakler oder Tätigkeit im Baubereich) oder kontinuierlich fortlaufenden Grundstücksan- und -verkäufen (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.1995, VIII R 16/93).
Übertragung auf den zugrundeliegenden Streitfall
Die Grundstücke wurden im zugrundeliegenden Streitfall erst nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums veräußert. Es liegen nach Auffassung des FG ferner keine besonderen Umstände des Einzelfalls vor, aufgrund derer trotz Überschreitens des Fünf-Jahres-Zeitraums von einem gewerblichen Grundstückshandel auszugehen ist.
Die Klägerin habe mit dem Unternehmensgegenstand der Verwaltung eigenen Grundbesitzes durch Vermietung und Verpachtung keinen „branchennahen“ Hauptberuf ausgeübt. Dabei sei auch nicht auf die (branchenüblichen) Tätigkeiten anderer gruppenzugehöriger Gesellschaften abzustellen, da eine Zurechnung der Tätigkeiten dieser Gesellschaften aufgrund des körperschaftsteuerlichen Trennungsprinzips nicht zulässig sei. Eine Durchbrechung dieses Prinzips sei in der vorliegenden Konstellation nicht zulässig, selbst dann nicht, wenn wie hier die Geschäftsführer der Kapitalgesellschaft zugleich Geschäftsführer der „branchennahen“ Gesellschaften sind.
Auch eine nur geringfügige Überschreitung des Fünf-Jahres-Zeitraums komme als besonderer Umstand nicht in Frage, da die Überschreitung mit ca. 6 Monaten nicht lediglich „geringfügig“ war. Weiterhin spreche gegen eine im Erwerbszeitpunkt vorliegende Veräußerungsabsicht, dass keine vollumfängliche Fremdfinanzierung vorgelegen habe. Als weiteres Indiz gelte der Umstand, dass 80 % der Darlehen mit einer längerfristigen Laufzeit und festen Zinsbindung vereinbart worden waren und die Klägerin infolge der frühzeitigen (Teil-) Rückzahlung Vorfälligkeitsentschädigungen zu leisten hatte. Dies spreche dafür, dass sie bei Aufnahme der Darlehen nicht von einer baldigen Veräußerung der Grundstücke ausging. Allein die Anzahl der veräußerten Objekte rechtfertige ferner nicht die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels, da die Veräußerung auf das überraschende Versterben des Gesellschafter-Geschäftsführers E und somit auf ein unvorhersehbares Ereignis zurückzuführen sei.
Betroffene Normen
§ 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG
Streitjahr 2011 und 2013
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 26.04.2023, 13 K 3367/20 G, BFH-anhängig: III R 14/23
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 28.10.2015, X R 22/13, BStBl. II 2016, S. 95, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 15.06.2004, VIII R 7/02, BStBl. II 2004, S. 914
BFH, Urteil vom 21.06.2001, III R 27/98, BStBl. II 2002, S. 537
BFH, Urteil vom 09.05.2001, XI R 34/99, BFH/NV 2001, S. 1545
BFH, Urteil vom 14.11.1995, VIII R 16/93, BFH/NV 1996, S. 466
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.01.2022, 8 K 8008/21, BFH-anhängig: III R 12/22