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27.04.2023
Unternehmensteuer

FG Köln: Kapitalertragsteuererstattung für Gewinnausschüttungen während der Liquidationsphase

Eine vollständige Erstattung der Kapitalertragsteuer aufgrund der Mutter-Tochter-Richtlinie findet auch bei Gewinnausschüttungen während der Liquidationsphase einer Tochtergesellschaft statt, wenn die Gewinne aus der Zeit vor der Auflösung stammen und es sich nicht um abschließend gezahlte Abwicklungs- und Liquidationserlöse handelt.  

Sachverhalt

Eine luxemburgische Sociéte Anonyme (S.A.) war alleinige Gesellschafterin einer in Deutschland ansässigen GmbH, welche im Jahr 2010 aufgelöst wurde und sich anschließend in Liquidation befand. Während der Liquidationsphase beschloss und leistete die GmbH eine Gewinnausschüttung an die S.A.. Die Gewinnausschüttung stammte dabei vollständig aus Gewinnen, die zeitlich vor dem Beschluss der Auflösung der GmbH erwirtschaftet wurden. Ferner schüttete die GmbH an die S.A. zum Zwecke der Beendigung der Liquidation eine Abschlusszahlung aus.

Das Finanzamt versagte eine vollständige Erstattung der von der GmbH einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer, da es sich um Ausschüttungen anlässlich der Liquidation handele, für die § 43b Abs. 1 S. 4 EStG die Anwendbarkeit von § 43b Abs. 1 S. 1 EStG ausschließe. Auf Grundlage des mit Luxemburg bestehenden DBA nahm es eine Kapitalertragsteuererstattung bis zu einem Quellensteuersatz i.H.v. 10% vor (Art. 13 Abs. 4 DBA-Luxemburg).

Entscheidung

Das FG kam entgegen der Auffassung des Finanzamtes zu der Entscheidung, dass eine vollständige Erstattung der Kapitalertragsteuer aufgrund der Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie gem. § 43b Abs. 1 S. 1 EStG vorzunehmen ist.

Gesetzliche Grundlagen

Gem. § 50d Abs. 1 S. 2 EStG besteht ein Anspruch des Gläubigers der Kapitalerträge auf Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer, wenn die Einkünfte nach einem DBA oder § 43b EStG (Mutter-Tochter-Richtlinie) nicht oder nur nach einem niedrigen Steuersatz besteuert werden. § 43b Abs. 1 S. 1 EStG gelangt dabei nur bei Kapitalertragsteuer für Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zur Anwendung, nicht hingegen für Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Nach § 43 Abs. 1 S. 4 EStG wird eine vollständige Erstattung der Kapitalertragsteuer aufgrund der Mutter-Tochter-Richtlinie jedoch ausgeschlossen, wenn es sich um Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 S. 1 EStG handelt, die anlässlich der Liquidation oder Umwandlung einer Tochtergesellschaft zufließen.

Streitgegenständliche Ausschüttungen sind Kapitalerträge gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG

Im zugrundeliegenden Streitfall wurde die Tochtergesellschaft zwar aufgelöst und die Ausschüttung ist nach ihrer Auflösung angefallen. Trotzdem sind die vorliegenden Kapitalerträge nach Auffassung des FG keine Kapitalerträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Denn von § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG werden nur Zahlungen erfasst, die nach dem Zeitpunkt der Auflösung an Gesellschafter geleistet werden, soweit sie sich nicht auf Zeiträume vor Auflösung der Gesellschaft beziehen. Ausschüttungen von Gewinnen aus der Zeit vor der Auflösung der Gesellschaft, die erst nach dem Auflösungsstichtag beschlossen und geleistet werden, fallen vielmehr unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 22.10.1998, I R 15/98; BMF-Schreiben vom 26.08.2003, Tz. 10).

Da die vorliegend an die S.A. geleistete Ausschüttung vollständig aus Gewinnen stammt, die zeitlich vor der Auflösung der Tochtergesellschaft erzielt wurden, sowie aufgrund der ausdrücklichen Bezeichnung im Gesellschafterabschluss als „Gewinnausschüttung“ und nicht etwa als Liquidations- oder Abschlusszahlung ist nach Ansicht des FG von einer Ausschüttung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auszugehen. Somit sei § 43b Abs. 1 S. 1 EStG vorliegend unstreitig anzuwenden.

Kein Ausschluss gem. § 43b Abs. 1 S. 4 EStG

Nach Auffassung des FG liegen auch die Voraussetzungen von § 43b Abs. 1 S. 4 EStG nicht vor, so dass der in dieser Regelung vorgesehene Ausschluss von § 43b Abs. 1 S. 1 EStG nicht eingreift.

Die Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind laut FG nicht gem. § 43b Abs. 1 S. 4 EStG anlässlich der Liquidation der Tochtergesellschaft zugeflossen. Die Ausschüttung sei zwar in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Liquidation erfolgt. Der Begriff „anlässlich“ in § 43b Abs. 1 S. 4 EStG sei jedoch enger auszulegen, sodass jedenfalls Gewinnausschüttungen, die in Abgrenzung zu Bezügen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG durch ihren Bezug zu einem Zeitraum vor der Auflösung der Gesellschaft unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG subsumiert werden, nicht umfasst werden. Diese engere Auslegung könne sowohl mit der Gesetzesentstehung begründet werden, als auch mit Sinn und Zweck der Steuererstattung auf der Grundlage der Mutter-Tochter-Richtlinie.

Ausschluss gem. § 43b Abs. 1 S. 4 EStG für geleistete Abschlusszahlung

Hinsichtlich der zum Zwecke der Beendigung der Liquidation geleisteten Abschlusszahlung liegen nach Ansicht des FG die Voraussetzungen für eine vollständige Erstattung auf der Grundlage von § 50d Abs. 1 S. 2 EStG i.V.m. § 43b Abs. 1 EStG hingegen nicht vor. Denn insoweit seien bereits keine Kapitalerträge gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gegeben. Im Übrigen bestünden auch keine Zweifel, dass das Tatbestandsmerkmal „anlässlich der Liquidation“ gemäß § 43b Abs. 1 S. 4 EStG erfüllt wäre, so dass § 43b Abs. 1 S. 1 EStG nicht zur Anwendung käme. Der Betrag werde im Gesellschafterbeschluss zwar auch als Gewinnausschüttung bezeichnet und stamme zudem aus vor dem Beginn der Liquidation erwirtschafteten Gewinnen. Allerdings werde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Beschlusses „zur Beendigung der Liquidation ein Restbetrag in Höhe von [... €] ausgeschüttet.“ Insoweit sei mithin von einer Abschlusszahlung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG auszugehen, so dass eine Erstattung gem. § 43b EStG ausscheidet.

Betroffene Normen

§ 20 Abs. 1 EStG, § 43b Abs. 1 EStG, § 50d Abs. 1 EStG

Streitjahr 2013

Anmerkung

Praxishinweis

Die oben dargestellte Entscheidung des FG Köln ist eine begrüßenswerte Klarstellung in Bezug auf die Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie während des Liquidationszeitraums einer deutschen Gesellschaft. Auch wenn die Entscheidung des FG Köln die Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie für Ausschüttungen während des Liquidationszeitraums zulässt, sollten Steuerpflichtige eine Ausschüttung von Gewinnen, die in der Zeit vor der Liquidation erzielt wurden, sorgfältig prüfen, um Diskussionen mit den Finanzbehörden zu vermeiden. Um sich auf die hier dargestellte Entscheidung des FG Köln stützen zu können, sollte eine klare Dokumentation vorliegen, aus der hervorgeht, dass die ausgeschütteten Gewinne vor der Einleitung des förmlichen Liquidationsverfahrens erwirtschaftet wurden. Darüber hinaus sollte der Gesellschafterbeschluss für eine Dividendenausschüttung während der Liquidationsphase sorgfältig erstellt werden.

Fundstelle

FG Köln, Urteil vom 26.10.2022, 2 K 2446/19, Nichtzulassungsbeschwerde: VIII B 145/22

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 22.10.1998, I R 15/98, BFH/NV 1999, S. 829

BMF, Schreiben vom 26.08.2003, IV A 2-S 2760-4/03, BStBl. I 2003, S. 434

Englischer Beitrag

Siehe German Tax and Legal Tax News  

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