FG Düsseldorf: Keine erweiterte Kürzung bei Veräußerung einer Teilfläche
Ein einmaliges Grundstücksveräußerungsgeschäft ist schädlich für die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, wenn mit unbedingter Veräußerungsabsicht ein Objekt anderer Marktgängigkeit erschaffen wurde und die Betätigung des Verkäufers in ihrer Gesamtheit dem Bild eines Gewerbetreibenden entspricht.
FG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2023, 14 K 1546/22 G
Sachverhalt
Eine GmbH (Klägerin) erwarb ein Gesamtareal, u.a. um dort Gewerbeimmobilien zu errichten und diese zu vermieten. Die Stadt C machte die Veräußerung der Teilfläche E an N zur Voraussetzung für die Schaffung des erforderlichen Baurechts und damit mittelbar auch für die Erteilung der Baugenehmigung an die GmbH.
Die Betriebsprüfung lehnte die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ab, da die GmbH aufgrund des geplanten Verkaufs der Teilfläche E einen schädlichen Grundstückshandel betrieben habe. Hingegen war die GmbH der Auffassung, dass die Veräußerung der Teilfläche E ein zwingend notwendiges Nebengeschäft für die Aufnahme ihrer Tätigkeit als Grundstücksverwalterin gewesen ist.
Entscheidung
Das FG bestätigt die Auffassung der Finanzverwaltung und lehnt ebenfalls die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ab.
Gesetzliche Grundlage
Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG können Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Ein-, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, auf Antrag den Gewerbeertrag statt um 1,2 % des Einheitswerts des Grundbesitzes (§ 9 Nr. 1 S. 1 GewStG) um den Teil des Gewerbeertrags kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Kürzung).
Ausschließlichkeitsgebot und kürzungsunschädliche Nebentätigkeiten
Nach dem FG setzt die erweiterte Kürzung die ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes voraus (Ausschließlichkeitsgebot). Die neben der Vermögensverwaltung des Grundbesitzes erlaubten (kürzungsunschädlichen), jedoch nicht begünstigten Tätigkeiten sind in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt (vgl. BFH-Urteil vom 22.10.2020, IV R 4/19). Darüber hinaus liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH Nebentätigkeiten dann noch innerhalb des von dem Ausschließlichkeitsgebot gezogenen Rahmens und sind ausnahmsweise kürzungsunschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden können.
Bild eines Gewerbetreibenden
Das FG vertritt die Auffassung, dass die Veräußerung der Teilfläche E über die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes hinausgeht. Nach dem FG sind insbesondere die Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG „Nachhaltigkeit“ und „Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ erfüllt.
Nach dem FG können auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten bestimmte Umstände auf eine gewerbliche Betätigung schließen lassen und zwar insbesondere dann, wenn die maßgebenden Tätigkeiten (regelmäßig Anschaffung und anschließende Bebauung) in unbedingter Veräußerungsabsicht vorgenommen worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 18.09.2002, X R 183/96). Im Streitfall habe die GmbH mit unbedingter Veräußerungsabsicht gehandelt und ein Objekt anderer Marktgängigkeit geschaffen.
Auch sei die Grenze zur Nachhaltigkeit wegen des Umfangs der aufgrund der vertraglichen Verpflichtungen durchgeführten Maßnahmen, die allesamt zu einer Wertsteigerung des Grundstücks beitrugen, durch die GmbH überschritten. Ob infolge der Vielzahl und des Gewichts der vom Verkäufer im Hinblick auf die Bebauung entfalteten Aktivitäten die Gesamttätigkeit als nachhaltig anzusehen ist, richte sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eines jeden Falles. Entscheidend sei letztlich, ob die Betätigung dem Bild eines Gewerbetreibenden, z.B. dem eines Bau- oder Erschließungsunternehmers entspreche (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 12.07.2007, X R 4/04). Die von der GmbH in Vorbereitung der Veräußerung durchgeführten Arbeiten, nämlich Entkernung und Abriss der alten Gebäude, Entsiegelung der befestigten Flächen, Entfernung der unterirdischen Bauteile, Auffüllung vorhandener bzw. durch den Abbruch entstehender Gruben und Entfernung der Bäume und Sträucher auf der gesamten Teilfläche E sowie die durch die Errichtung der Straße und Leitungen jedenfalls miterfolgte (Neu-) Erschließung der Teilfläche, entsprechen dem Bild eines Bau- bzw. Erschließungsunternehmers, so das FG.
Auch hinsichtlich der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sei entscheidend, dass die GmbH Leistungen erbracht habe, wie sie von Bau- oder Generalunternehmen, mithin von Gewerbetreibenden, typischerweise erbracht werden; die zu beurteilende Tätigkeit entspreche nach Art und Umfang dem Bild einer unternehmerischen Marktteilhabe (vgl. hierzu auch Großer Senat des BFH, Beschluss vom 10.12.2001, GrS 1/98).
Kein zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksvewaltung
Weiter hebt das FG hervor, dass die Veräußerung der Teilfläche E nicht als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und- nutzung angesehen werden kann.
Für die Annahme einer solchen „unschädlichen“ Nebentätigkeit müsse neben dem qualitativen Kriterium der „zwingenden Notwendigkeit“ (vgl. BFH-Beschluss vom 07.04.2011, IV B 157/09) für die wirtschaftlich sinnvoll gestaltete Grundstücksverwaltung und-nutzung stets auch das quantitative Kriterium der „Geringfügigkeit“ erfüllt sein (vgl. zuletzt z.B. BFH-Urteil vom 22.10.2020, IV R 4/19). Im Streitfall sei angesichts des Umfangs der Aktivitäten, aber auch der Höhe des erzielten Veräußerungspreises bzw. des Veräußerungsgewinns der Teilfläche E nicht mehr von einer „Geringfügigkeit“ auszugehen.
Betroffene Norm
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
Streitjahr: 2007
Fundstelle
FG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2023, 14 K 1546/22 G
Anmerkung
Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 22.10.2020, IV R 4/19, BStBl. II 2022, S. 87
BFH, Urteil vom 18.09.2002, X R 183/96, BStBl. II 2003, S. 238
BFH, Urteil vom 12.07.2007, X R 4/04, BStBl. II 2007, S. 885
Großer Senat des BFH, Beschluss vom 10.12.2001, GrS 1/98, BStBl. II 2002, S. 291
BFH, Beschluss vom 07.04.2011, IV B 157/09, BFH/NV 2011, S. 1392