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19.04.2018
Unternehmensteuer

FG Bremen: Fehlende finanzielle Eingliederung bei Stimmrechtsmehrheit aufgrund Stimmbindungsvertrag

Die für eine ertragsteuerliche Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung setzt voraus, dass die Stimmrechtsmehrheit bei der Organgesellschaft dem Organträger aufgrund seines (bürgerlich-rechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums an dem Anteil an der Organgesellschaft zuzurechnen ist. Eine Mehrheit der Stimmrechte des bürgerlich-rechtlich zu 50 % an der Organgesellschaft beteiligten Organträgers nur aufgrund eines schuldrechtlichen Stimmbindungsvertrags ist nicht ausreichend.

Sachverhalt

An der Klägerin, einer GmbH, waren im Streitjahr 2007 die B-GmbH und eine natürliche Person C zu jeweils 50 % beteiligt. Mit der B-GmbH hatte die Klägerin bereits 2001 einen GAV abgeschlossen. Darüber hinaus hatten die B-GmbH und C einen Stimmbindungsvertrag vereinbart, wonach die Stimmabgabe bei allen Gesellschafterbeschlüssen übereinstimmend erfolgen sollte. Die Stimmführerschaft oblag dem Geschäftsführer der B-GmbH, der allein über die Stimmen der Vertragsparteien in der Gesellschafterversammlung entscheiden konnte.

Die Klägerin ging für das Streitjahr vom Vorliegen einer körperschaft- und gewerbesteuerlichen (ertragsteuerlichen) Organschaft mit der B-GmbH aus. Nach einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass eine Organschaft mangels finanzieller Eingliederung nicht vorgelegen habe.

Entscheidung

Auch das FG sah die Voraussetzungen für eine finanzielle Eingliederung als nicht erfüllt an.

Eine finanzielle Eingliederung ist dann anzunehmen, wenn der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahrs an ununterbrochen in einem solchen Maß beteiligt ist, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 KStG).

Nach Auffassung des FG müssen für eine solche finanzielle Eingliederung dem Organträger die Stimmrechte als aus seinem (bürgerlich-rechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentum an dem Anteil an der Organgesellschaft fließend zuzurechnen sein. Dies folge aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 S.1 Nr. 1 S. 1 KStG, wonach es auf die Mehrheit der Stimmrechte aus der Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft ankomme. Bloß schuldrechtlich vereinbarte Ausweitungen (bzw. Einschränkungen) hinsichtlich der Stimmrechtsausübung, z.B. eine Stimmrechtsvollmacht oder eine Stimmrechtsvereinbarung, seien für die Annahme einer finanziellen Eingliederung nicht ausreichend (vgl. FG Saarland, Urteil vom 16.06.2015).

Da die B-GmbH an der Klägerin bürgerlich-rechtlich nur zu 50 % beteiligt war, habe dieser im Streitjahr nicht die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Klägerin zugestanden. Mit einer Beteiligung von 50 % könne zwar jeder ungewollte Beschluss der Gesellschafterversammlung verhindert, ein gewünschter Beschluss gegen den Willen der Mitgesellschafterin C aber nicht durchgesetzt und somit eine finanzielle Eingliederung nicht gewährleistet werden.

Auch sei der im bürgerlich-rechtlichen Eigentum von C. stehende Anteil i.H.v. 50 % der B-GmbH nicht gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO steuerrechtlich zuzurechnen. Der zwischen der B-GmbH und der Klägerin geschlossene Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag in Verbindung mit dem zwischen der B-GmbH und C abgeschlossenen Stimmbindungsvertrag reiche bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Streitfalls nicht aus, um vom Übergang wirtschaftlichen Eigentums des Anteils von C auf die B-GmbH auszugehen. Der B-GmbH sei weder aufgrund eines Herausgabeanspruchs die Substanz des Anteils von C zuzurechnen, noch habe sie eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Eigentums an diesem Anteil gerichtete Position erworben. Vielmehr habe C trotz des Stimmbindungsvertrags weiterhin über ihre Anteile uneingeschränkt verfügen können.

Betroffene Norm

§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 KStG
Streitjahr 2007

Anmerkungen

Die Frage des Vorliegens einer Organschaft kann bei der Umsatzsteuer grundsätzlich anders als bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer zu beurteilen sein. Für die umsatzsteuerliche Organschaft vertritt der BFH nach neuerer Rechtsprechung die Auffassung, dass Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten für die Frage der finanziellen Eingliederung ohne Bedeutung seien (vgl. BFH-Urteil vom 02.12.2015). Sie könnten nur dann zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten („Geschäftsanteil mit Mehrstimmrecht“) ergeben Zur ertragsteuerlichen Organschaft gibt es insoweit – soweit ersichtlich – noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Das FG Bremen hatte daher die Revision zugelassen, die aber nicht eingelegt wurde, sodass eine Klärung durch den BFH aus ertragsteuerlicher Sicht weiterhin aussteht.

Fundstelle

Finanzgericht Bremen, Urteil vom 14.12.2017, 3 K 12/17 (1), EFG 2018, S. 228, rechtskräftig

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 02.12.2015, V R 25/13, BStBl II 2017, S. 547, siehe Deloitte Tax-News  
Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 16.06.2015, 1 K 1109/13, EFG 2016, S. 396

 

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