FG Berlin-Brandenburg: Verlustverrechnungsverbot bei Umwandlungen
Aktuell: Entgegen der Auffassung des FG ist der BFH zu dem Ergebnis gekommen, dass das Verlustverrechnungsverbot des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG nicht nur für die Einkommen- und Körperschaftsteuer, sondern auch für die Gewerbesteuer gilt.
BFH, Urteil vom 12.04.2023, I R 48/20,siehe Deloitte Tax-News
FG Berlin-Brandenburg (Vorinstanz):
Die Versagung der Verrechnung von positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum mit Verlusten des übernehmenden Rechtsträgers nach § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG im Rahmen eines Umwandlungs- oder Einbringungsvorgangs gilt unabhängig von einer Missbrauchsabsicht. Dieses Verlustverrechnungsverbot gilt jedoch nur für die Einkommen- und Körperschaftsteuer, nicht jedoch für die Gewerbesteuer. Darüber hinaus hat sich das FG erstmalig zu weiteren Einzelfragen bezüglich der Anwendung von § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG geäußert.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, wurde im Wege der Ausgliederung zur Neugründung aus dem Vermögen eines Einzelkaufmanns gegründet. Als Umwandlungsstichtag wurde der 01.01.2017 gewählt. Die Eintragung der GmbH ins Handelsregister erfolgte am 21.08.2017.
Die Ertragslage des Unternehmens änderte sich durch die Umwandlung nicht und war gleichbleibend gut. Das Ergebnis der GmbH reduzierte sich jedoch durch das Geschäftsführergehalt und die Geltendmachung eines Investitionsabzugsbetrages i.S.d. § 7g EStG. Mangels aufgestellter Zwischenbilanz schätzte das Finanzamt den im Rückwirkungszeitraum erzielten Gewinn des Einzelkaufmanns anhand des Vorjahresergebnisses und schloss rechnerisch aufgrund des steuerlichen Gesamtergebnisses auf einen Verlust der GmbH. Das Finanzamt war der Auffassung, dass diese von dem Einzelkaufmann im Rückwirkungszeitraum bis zur Gründung der GmbH erzielten positiven Einkünfte nicht mit Verlusten der GmbH verrechenbar seien (§ 20 Abs. 6 S. 4 i.V.m. § 2 Abs. 4. S. 3 UmwStG).
Entscheidung
Auch das FG kommt zu dem Ergebnis, dass der GmbH eine Verlustverrechnung im Rahmen der Einbringung nach § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG zu versagen ist. Darüber hinaus hat sich das FG erstmalig zu weiteren Einzelfragen zur Anwendung des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG geäußert.
Gesetzliche Grundlage und Intention des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG
Nach § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG ist der Ausgleich oder die Verrechnung von positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum mit verrechenbaren Verlusten, verbleibenden Verlustvorträgen, nicht ausgeglichenen negativen Einkünften und einem Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 S. 5 EStG des übernehmenden Rechtsträgers nicht zulässig.
Nach der Intention des Gesetzgebers sollten mit der Einführung der Regelung des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG im Rahmen des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 26.06.2013 u. a. von Banken betriebene modellhafte Gestaltungen, mit denen im Wege der Umwandlung die Besteuerung von hohen stillen Reserven durch die Verrechnung mit Verlusten anderer Gesellschaften vermieden wurde, verhindert werden.
Anwendung des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG unabhängig von einer Missbrauchsabsicht
Die Frage, ob es bei der Klägerin zu einer Beschränkung der Verlustverrechnung im Rückwirkungszeitraums nach § 2 Abs. 4. S. 3 UmwStG kommt, ist nach Auffassung des FG nicht von einer möglichen Missbrauchsabsicht abhängig. Denn § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG gilt nach dem FG auch bei gewöhnlichen, nicht steuergestalterisch angelegten Einbringungen. Es sei zwar davon auszugehen, dass die Verhinderung von Gestaltungen zur Verlustverrechnung die gesetzgeberische Intention der Gesetzesänderung im Jahr 2013 war. Entsprechende Gestaltungen seien jedoch nicht Tatbestandsmerkmal des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG, so dass das Gesetz entsprechend seinem Wortlaut auch dann Anwendung finde, wenn – wie im vorliegenden Urteilsfall – keine modellhafte Gestaltung vorliegt. Das FG unterscheidet bei der Anwendung der Norm des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG auch nicht zwischen Fällen der Ausgliederung zur Neugründung und solchen zur Aufnahme.
Keine Anwendung auf die Gewerbesteuer
Entgegen der Ansicht des Finanzamtes findet nach dem FG die Regelung des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG nur bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, nicht jedoch bei der Gewerbesteuer Anwendung. Entscheidend seien nach Auffassung des FG die Unterschiede im Wortlaut[GD3] der Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes. So werde die Gewerbesteuer in § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwStG und §§ 18, 19 UmwStG ganz oder teilweise ausdrücklich einbezogen, während eine Erwähnung der GewSt in § 2 Abs. 4 UmwStG fehle. Zudem ist nach dem FG eine automatische Erstreckung der für [GD4] die Einkommen- und Körperschaftsteuer im Umwandlungsgesetz gegebenen Vorschriften auf die Gewerbesteuer nicht geboten, da die Ermittlung der Gewerbesteuer nach einem eigenen Berechnungssystem und ohne rechtliche Bindung an die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerveranlagung erfolgt.
Investitionsabzugsbeträge i.S.d. § 7g EStG
Darüber hinaus stellt das FG klar, dass im Rahmen der Ermittlung der (negativen) Einkünfte des übernehmenden Rechtsträgers (hier der GmbH) für die Anwendung des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG ein im Veranlagungsjahr der Übernahme vom übernehmenden Rechtsträgers beantragter Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG nicht zu berücksichtigen ist.
§ 7g EStG dient der Verbesserung der Liquidität und Eigenkapitalausstattung kleinerer und mittlerer Unternehmen. Nach Meinung des FG würde durch die Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrages bei der Berechnung im Rahmen des Verlustabzugsverbots dieser gewünschte Effekt des § 7g EStG nicht bewirkt werden. Denn die Geldendmachung des Investitionsabzugsbetrags führe dann nicht zu einem geringeren zu versteuernden Einkommen und damit zu dem vom Gesetzgeber angestrebten Liquiditätsvorteil, sondern wie im vorliegenden Fall nur zu einem (höheren) Verlustvortrag bei bestehenbleibender Steuerschuld.
Schlussbilanz zum Ende des Rückwirkungszeitraumes
Der Berechnungsmechanismus des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG erfordert im Ergebnis die Erstellung einer (steuerlichen Schluss-)Bilanz auf den Zeitpunkt des Endes des Rückwirkungszeitraums. Diesbezüglich gelangt das FG zu der – im Schrifttum teilweise abgelehnten – Auffassung, dass der maßgebliche Rückwirkungszeitraum mit der Eintragung der Umwandlung im Handelsregister (hier Eintragung der A-GmbH) und nicht bereits mit dem Abschluss des entsprechenden Notarvertrags endet. Diese Sichtweise des FG führt dazu, dass es dem Steuerpflichtigen kaum möglich ist, eine Stichtagsbilanz zum Ende des Rückwirkungszeitraums korrekt zu erstellen, da der Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung vom Registergericht abhängt und der Steuerpflichtige hiervon regelmäßig erst nachträglich erfährt. Das FG sieht diese Problematik, bietet aber keine Lösung dafür an, dass immer dann, wenn der Steuerpflichtige nicht von vornherein sicher ausschließen kann, dass sich im Jahr der Umwandlung beim übertragenden Rechtsträger ein Gewinn, beim übernehmenden aber ein Verlust ergibt, er eigentlich zumindest vorsorglich eine (steuerlichen Schluss-)Bilanz auf den Zeitpunkt der Handelsregistereintragung erstellen müsste. Im vorliegenden Fall führte die mangelnde Vorlage einer (steuerlichen Schluss-)Bilanz dazu, dass die positiven Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum, hier also bis zum 21.08.2017, vom Finanzamt geschätzt wurden.
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken wegen möglicher Verlustnutzung
Schließlich bestehen nach dem FG keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG (kein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsgebot nach Art. 3 GG). Die Verlustausgleichsbeschränkung sei gerechtfertigt, da diese im Jahr der Einbringung nicht zu einem endgültigen Wegfall der Verlustnutzung führt, sondern lediglich eine Verlagerung (Verlustvortrag) zur Folge hat. Der Verlust kann also bei einem Gewinn in der folgenden Periode steuermindernd genutzt werden. Ebenfalls für nicht ausgeschlossen hält das FG, dass ein Verlust im Folgejahr in das Jahr der Einbringung zurückgetragen werden kann.
Betroffene Normen
§ 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG
Streitjahr 2017
Anmerkungen
Praxishinweis
Das FG hat mit dem hier besprochenen Urteil soweit ersichtlich die erste Entscheidung zu der noch relativ neuen Vorschrift des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG getroffen. Der BFH erhält nun die Gelegenheit sich im anhängigen Revisionsverfahren erstmalig höchstrichterlich zu der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Umwandlungen zu äußern. Bis dahin sollten im Falle einer Umwandlung auf einen übernehmenden Rechtsträger, der über Verlustvorträge verfügt oder unter Umständen laufende Verluste erzielt hat, mögliche Auswirkungen des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG stets mit in den Blick genommen werden. So könnte es z.B. im Einzelfall sinnvoll sein, für eine Bilanz für den Rückwirkungszeitraum (also auf den Zeitpunkt der Handelsregistereintragung) ggf. vorsorglich die notwendigen Daten zu sichern, falls sich eine solche Bilanz später als notwendig bzw. hilfreich erweisen sollte.
Ausnahme vom Verlustverrechnungsverbot
Sind übertragender Rechtsträger und übernehmender Rechtsträger vor Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags verbundene Unternehmen im Sinne des § 271 HGB kommt die neue Verlustverrechnungsbeschränkung nicht zur Anwendung (§ 2 Abs. 4 S. 6 UmwStG).
Verlustverrechnung nach alter Rechtslage möglich
Für Umwandlungen und Einbringungen, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das maßgebende Register vor dem 07.06.2013 erfolgt ist (alte Rechtslage vor Einführung der Regelung in § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG), hat der BFH bereits mit Urteil vom 17.11.2020 (I R 2/18, siehe Deloitte Tax-News) entschieden, dass bei der Verschmelzung einer Gewinn- auf eine Verlustgesellschaft eine Verrechnung positiver im Rückwirkungszeitraum erzielter Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers mit Verlustvorträgen des übernehmenden Rechtsträgers zulässig ist und zu keinem Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO führt.
FG Hamburg, Urteil vom 05.08.2021, 1 K 244/19: Verlustrücktrag eines im Folgejahr der Umwandlung erzielten Verlustes möglich
Die auch im Schrifttum umstrittene Rechtsfrage, ob § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG einem verschmolzenen Rechtsträger den Verlustrücktrag von ausschließlich im Folgejahr der Verschmelzung entstandenen Verlusten zurück in das Jahr der Verschmelzung verwehrt, war Gegenstand des Urteils des FG Hamburg vom 05.08.2021 (1 K 244/19, BFH-anhängig: IR 36/21). Das FG kam zu dem Ergebnis, dass § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG einem Verlustrücktrag nicht im Weg steht, wenn dieser ausschließlich mit Verlusten begründet wird, die erst nach Beendigung des Rückwirkungszeitraumes entstanden sind. Nach dem FG wandle sich der nach Beendigung des Rückwirkungszeitraums entstandene Verlust durch den Verlustrücktrag nicht in einen Verlust des Rückwirkungszeitraums. Vielmehr sei ein Verlustrücktrag mit im Folgejahr entstandenen Verlusten nach den allgemeinen Regeln gemäß § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 10d Abs. 1 S. 1 EStG zulässig. Dies gilt nach dem FG selbst dann, wenn der rückgetragene Verlust ausschließlich mit positiven Einkünften verrechnet wird, deren Besteuerung § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG ausdrücklich anordnet.
Die Finanzverwaltung vertritt dagegen die Auffassung, dass „nicht ausgeglichene negative Einkünfte“ i. S. d. § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG auch zurückgetragene negative Einkünfte des Folgejahres des übernehmenden Rechtsträgers sein können und schließt die Verrechnung im Wege eines Verlustrücktrages mit positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum aus (das FG belegt die Auffassung der FV mit folgenden Erlassen: vgl. Finanzministerium, Sachsen-Anhalt, Erlass vom 17.03.2017, 46-S 1978-82; OFD Frankfurt a. M., Erlass vom 14.07.2017, S 1978 A-053-St 51; FM Schleswig-Holstein, Erlass vom 18.07.2017, VI 3013-S 1978-165). Es bleibt abzuwarten, wie der BFH sich im anhängigen Revisionsverfahren zu dem zeitlichen und inhaltlichen Anwendungsbereich von § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG äußern wird.
Fundstellen
BFH, Urteil vom 12.04.2023, I R 48/20, siehe Deloitte Tax-News
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.10.2020, 10 K 10192/19
Weitere Fundstellen
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 05.08.2021, 1 K 244/19, BFH-anhängig: IR 36/21