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10.08.2021
Unternehmensteuer

BMF: Umsetzung der Gemeinnützigkeitsreform – Anpassung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung

Veranstaltungshinweis:

  • Am 09.09.2021 von 12.30-13.30 Uhr befasst sich eine Sonderausgabe des NPO Lunch Talk mit dem geänderten Anwendungserlass zur Abgabenordnung. Mehr zur Veranstaltung 

Nachdem das Gemeinnützigkeitsrecht im Rahmen des Jahressteuergesetzes (JStG 2020) reformiert wurde, nimmt mit Schreiben vom 06.08.2021 das BMF Stellung dazu, wie einzelne Regelungen aus Sicht der Finanzverwaltung umzusetzen sind.

Hintergrund

Das Gemeinnützigkeitsrecht wurde im Rahmen des JStG 2020 umfassend reformiert. Neben redaktionellen Anpassungen sowie Erläuterungen u.a. zur Erweiterung der gemeinnützigen Zwecke (Freifunk, Friedhofsverwaltung, Ortsverschönerung), zur Erhöhung von bisherigen Freigrenzen sowie Mittelweitergabe im Sinne des § 58 Nr. 1 AO, nimmt das BMF ausführlich Stellung dazu, wie die Neuregelungen im Zusammenhang mit der Kooperation von steuerbegünstigten Einrichtungen und dem Halten von Beteiligungen an steuerbegünstigten Gesellschaften aus Sicht der Finanzverwaltung umzusetzen sind.

Verwaltungsanweisung


AEAO zu §§ 52 und 60

Die Anpassungen umfassen zunächst Erläuterungen zu den einzelnen Erweiterungen des Katalogs gemeinnütziger Zwecke im Sinne des § 52 Abs. 2 AO. Hierbei werden die Zwecke „Förderung der Ortsverschönerung“, „Förderung des Freifunks“ sowie „Förderung der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen“ definiert. Es wird ausgeführt, dass eine Satzungsanpassung nicht erforderlich ist, wenn die Satzung bereits vor dem 29.12.2020 bestanden hat und die bisherige satzungsmäßige steuerbegünstigte Tätigkeit weiterhin in gleichem Umfang durchgeführt wird.

AEAO zu § 55 AO
Im Zusammenhang mit dem Wegfall des Gebots zur zeitnahen Mittelverwendung bei Körperschaften mit weniger Einnahmen als 45.000 € im Jahr stellt das BMF klar, dass sämtliche Einnahmen zu berücksichtigen sind. Hierzu gehören auch Zuwendungen zum Vermögen im Sinne des § 62 Abs. 3 AO. Es gilt das Zuflussprinzip des § 11 EStG. Nicht zu den Einnahmen zählen Mittel, bei denen die Mittelverwendungspflicht wieder auflebt. Wird die Grenze in einem Jahr überschritten, sind die entsprechenden Mittel zeitnah zu verwenden.

AEAO zu § 57 Abs. 3
Kernstück der Anpassung des AEAO sind die Regelungen zu § 57 Abs. 3 AO, der das planmäßige Zusammenwirken steuerbegünstigter Einrichtungen dem unmittelbar steuerbegünstigten Wirken zurechnet. Eine (finanzielle) Verbindung zum Kooperationspartner wird nicht vorausgesetzt. Das BMF stellt klar, dass auch gemeinnützige Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts unter diese Regelungen fallen, nicht jedoch die juristische Person des öffentlichen Rechts als solche. Der Begriff des Zusammenwirkens umfasst neben der Dienstleistungserbringung auch die Nutzungsüberlassungen. Beispielsweise sind gemeinschaftliche Serviceleistungen wie Buchhaltung oder Beschaffungsstellen sowie Vermietungen inbegriffen. Hierfür eingesetzte Wirtschaftsgüter sind entsprechend dem steuerbegünstigten Bereich (ideeller Bereich oder Zweckbetreib) zuzurechnen. Die Verwendung von Mitteln, die dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen, sind zulässig. Um in den Anwendungsbereich der Regelung des § 57 Abs. 3 AO zu gelangen, verlangt das BMF entsprechende Satzungsregelungen, die die Art des Zusammenwirkens definieren und auch die Kooperationspartner benennen. Eine zeitliche Übergangsregelung ist im Rahmen dieser Anpassungen nicht vorgesehen.

AEAO zu § 57 Abs. 4
Im direkten Zusammenhang zur Regelung des § 57 Abs. 3 AO steht § 57 Abs. 4 AO, der das ausschließliche Halten und Verwalten von Anteilen an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften dem unmittelbaren Wirken zuordnet. Das BMF führt hierzu aus, dass eine Mindestbeteiligungsquote nicht erforderlich ist. Auch ist es unschädlich, wenn Anteile an nicht steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften gehalten werden. Wesentlich ist, dass die Satzungszwecke denen der gehaltenen Beteiligungsgesellschaft entsprechen. Dann erfolgt eine Zuordnung zum ideellen Bereich. Die Verwendung zeitnah zu verwendender Mittel ist zulässig. Werden entgeltliche Leistungen von einer Holdingsgesellschaft an die Tochtergesellschaften ausgeführt, ohne dass ein planmäßiges Zusammenwirken im Sinne des § 57 Abs. 3 AO vorliegt, sind diese Tätigkeiten grundsätzlich als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu qualifizieren.

AEAO zu §§ 58, 58a, 60
Im Hinblick auf die Neufassung des § 58 Nr. 1 AO und die Zusammenfassung mit der bisherigen Regelung des § 58 Nr. 2 AO erläutert das BMF, dass die Mittelzuwendung an anderer steuerbegünstigte Einrichtungen eine Art der Zweckverwirklichung darstellt und keinen selbständigen Satzungszweck. Mittelempfänger müssen nicht in der Satzung aufgeführt sein. Im Hinblick auf deren steuerbegünstigten Status herrscht Vertrauensschutz (§ 58a), sofern ein Freistellungsbescheid o.Ä. in (elektronischer) Kopie vorliegt. Bei Zuwendungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts gilt stets Vertrauensschutz, da die Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden ist.
Mittelzuwendungen können auch in der Erbringung von Dienstleistungen oder in der Nutzungsüberlassung bestehen. Werden diese unentgeltlich oder zu Selbstkosten erbracht, sind diese bei der Geberkörperschaft dem ideellen Bereich bzw. dem Zweckbetrieb zuzurechnen. Wird mit einem die Selbstkosten übersteigenden Betrag abgerechnet, erfolgt eine Zuordnung zum steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Gegebenenfalls kann die Regelung des § 57 Abs. 3 AO unter den entsprechenden Voraussetzungen (u.a. Benennung der Kooperationspartner in der Satzung) zur Anwendung kommen.
Das BMF stellt klar, dass eine Satzungsanpassung in diesem Kontext nicht erforderlich ist, wenn die Satzung bereits vor dem 29.12.2020 bestanden hat und die bisherige satzungsmäßige steuerbegünstigte Tätigkeit weiterhin in gleichem Umfang durchgeführt wird.

AEAO zu § 60a AO
Im Hinblick auf die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen stellt das BMF klar, dass die tatsächliche Geschäftsführung grundsätzlich kein Prüfungsgegenstand im Verfahren nach § 60a AO ist. Sofern jedoch Erkenntnisse über Verstöße gegen die tatsächliche Geschäftsführung vorliegen, beispielsweise aufgrund von extremistischen Aktivitäten, ist der Antrag auf Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen abzulehnen.

AEAO zu § 64 AO
Die Anhebung der Besteuerungsgrenze von 35.000 € auf 45.000 € ist erstmalig für den Veranlagungszeitraum 2020 anzuwenden.

AEAO zu § 68 AO
Die Regelungen des AEAO enthalten Erläuterungen zu den in den Katalog des § 68 AO aufgenommenen Zweckbetrieben (Einrichtungen zur Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen und zur Fürsorge von Menschen mit Sehbehinderungen).

Betroffene Normen

§§ 52, 55, 57, 58, 58a, 60, 60a, 62, 64, 68 AO.

Anmerkungen

Nachdem die Gemeinnützigkeitsreform endlich im Rahmen des JStG 2020 durchgeführt wurde, nimmt nun das BMF zur Umsetzung der Reform Stellung. Insbesondere die Erforderlichkeit von Satzungsanpassungen im Zusammenhang mit der Regelung des § 57 Abs. 3 AO, der das planmäßige Zusammenwirken regelt, ist von besonderem Interesse. Die häufig in Betriebsprüfungen streitige Frage, ob Gewinnaufschläge auf konzerninterne Dienstleistungen und Nutzungsüberlassungen erforderlich sind, ist insofern geregelt, dass die Finanzverwaltung unter den entsprechenden satzungsmäßigen Voraussetzungen die Abrechnung zu Selbstkosten für zulässig erachtet. Ob Satzungsanpassungen im konkreten Einzelfall erforderlich sind, sollte insbesondere mit Blick auf die Regelung des AEAO zu § 58 Nr. 1, die eine Zurechnung zur steuerpflichtigen Sphäre nur annimmt, wenn mit Gewinnaufschlag abgerechnet wird, im Detail geprüft werden. Unter Sicherheitsgesichtspunkten ist im Zweifel zu einer Änderung der Satzung zu raten.

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 06.08.2021, IV C 4 -O 1000/19/10474 :004

Ihre Ansprechpartner

Dr. Achim Bollweg
Partner

abollweg@deloitte.de
Tel.: +49 511 3023 4421

Sabine Kachel
Senior Manager

skachel@deloitte.de
Tel.: +49 511 3023 4150

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