BMF: Steuerbegünstigte Einrichtungen - Politische Betätigung und Neues zur Kooperation
Nachdem die vieldiskutierte politische Betätigung steuerbegünstigter Einrichtungen weder im Rahmen der Gemeinnützigkeitsreform Eingang in das Jahressteuergesetz (JStG 2020) gefunden hat, noch im zur Reform ergangenen BMF-Schreiben vom 06.08.2021 entsprechende Regelungen aufgenommen wurden, nimmt das BMF nunmehr im Schreiben vom 12.01.2022 Stellung hierzu. Darüber hinaus werden die Regelungen zur Kooperation steuerbegünstigter Einrichtungen untereinander modifiziert sowie weitere Anpassungen insbesondere zu den §§ 51ff. AO vorgenommen.
Hintergrund
Die politische Betätigung steuerbegünstigter Einrichtungen ist vieldiskutiert, seitdem der Vereinigung attac die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde. Hiergegen geht – nach erfolglosem finanzgerichtlichen Verfahren vor FG und BFH (vgl. Deloitte Tax-News) - attac mit einer Verfassungsbeschwerde vor. Bestrebungen, die politische Betätigung im Rahmen der Gemeinnützigkeitsreform im JStG 2020 gesetzlich zu regeln, gelangen bisher nicht. Die Regierungskoalition verfolgt eine gesetzliche Normierung weiter (vgl. Koalitionsvertrag, S. 165). Das BMF hat nun im Vorgriff auf eine etwaige gesetzliche Regelung den AEAO um entsprechende Passagen zur politischen Betätigung steuerbegünstigter Einrichtungen ergänzt. Darüber hinaus werden weitere Erläuterungen und Anpassungen, insbesondere zum Abschnitt der steuerbegünstigten Zwecke nach §§ 51ff. AO, vorgenommen, die zum einen Rechtsprechung umsetzen, zum anderen im Zusammenhang mit der Gemeinnützigkeitsreform stehen. Hier sind die Modifikationen zu Kooperationen steuerbegünstigter Einrichtungen untereinander von besonderer Bedeutung.
Verwaltungsanweisung
AEAO zu § 52
Die Ergänzung des AEAO zur politischen Betätigung steuerbegünstigter Einrichtungen stellt klar, dass politische Zwecke, d.h. die Beeinflussung der politischen Meinungs- und Willensbildung, die Gestaltung der öffentlichen Meinung oder die Förderung politischer Parteien, nicht zu den gemeinnützigen Zwecken i. S. d. § 52 AO zählt. Zulässig ist es, auf die politische Meinungs- und Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss zu nehmen, wenn dies der Verfolgung der steuerbegünstigten Zwecke dient und parteipolitisch neutral bleibt. Eine parteipolitische Betätigung wird als unvereinbar mit der Gemeinnützigkeit eingestuft. Die politische Betätigung muss gegenüber der unmittelbaren Förderung des steuerbegünstigten Zwecks in den Hintergrund treten. Betätigt sich die steuerbegünstigte Körperschaft außerhalb der eigenen Satzungszwecke politisch, soll dies unschädlich für die Steuerbegünstigung sein, solange dies nur vereinzelt zu tagespolitischen Themen erfolgt.
Im Zusammenhang hiermit hat das BMF den Begriff der politischen Bildung, der im Rahmen der Zweckverfolgung im Sinne des § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO (Förderung der Volksbildung) liegen kann, sowie die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesen nach § 52 Abs. 2 Nr. 24 AO definiert und von der politischen Betätigung abgegrenzt:
Politische Bildung liegt demnach vor, wenn diese auf der Grundlage der Normen und Vorstellungen einer rechtsstaatlichen Demokratie erfolgt und Ziel die Schaffung und Förderung politischer Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins in geistiger Offenheit ist. Sie umfasst jedoch nicht die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung in beliebigen Politikbereichen im Sinne eines „allgemeinpolitischen Mandats. Eine allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens liegt vor, wenn sich die Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral würdigt.
Über den Bereich der politischen Betätigung hinaus greift das BMF Urteile des BFH auf und ergänzt den AEAO zu § 52 entsprechend:
So soll beispielsweise keine Förderung der Allgemeinheit vorliegen, wenn ein Träger einer Privatschule Schulgebühren in einer Höhe festsetzt mit der Folge, dass die Schülerschaft sich nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.
Zudem werden Grundsätze aufgestellt, nach denen es möglich ist, die Förderung des IPSC-Schießens als gemeinnützig einzustufen.
AEAO zu § 55 AO
Im Zusammenhang mit der Möglichkeit, gewerbliche Körperschaften, die mit steuerbegünstigten Einrichtungen planmäßig im Sinne des § 57 Abs. 3 AO zusammenwirken, in die Steuerbegünstigung zu überführen, wird seitens des BMF Stellung zum Umfang der Vermögensbindung im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO genommen. Die Vermögensbindung umfasst hiernach nicht nur das Vermögen, dass seit Eintritt der Körperschaft in die Steuerbegünstigung gebildet wird, sondern auch das Vermögen, dass zuvor angesammelt worden ist.
Daneben greift das BMF die Rechtsprechung des BFH zum Begünstigungsverbot und der Frage, wann eine überhöhte Vergütung vorliegt sowie welcher Maßstab an einen Fremdvergleich zu stellen ist, auf. Demnach kann entweder ein (betriebs)interner Fremdvergleich erfolgen oder ein externer. Bei letzterem kann auch auf vergleichbare Tätigkeiten von Wirtschaftsunternehmen abgestellt werden. Eine Überschreitung der Angemessenheitsverhältnis liegt erst bei einem „krassen Missverhältnis“ vor.
AEAO zu § 57 Abs. 3
Nachdem mit BMF-Schreiben vom 06.08.2021 bereits viele – zum Teil sehr umstrittene - Regelungen im AEAO zum planmäßigen Zusammenwirken steuerbegünstigter Körperschaften im Sinne des § 57 Abs. 3 AO vom BFM getroffen wurden, werden diese nun ergänzt:
Es wird klargestellt, dass ein Zusammenwirken nicht nur in der Erbringung von Dienstleistungen und Nutzungsüberlassungen liegt, sondern auch mittels Warenlieferung erfolgen kann.
Für eine satzungsmäßige Verankerung des planmäßigen Zusammenwirkens soll es aus Sicht der Finanzverwaltung für die Benennung der Kooperationspartner ausreichend sein, wenn sich die Kooperationspartner aus einer dem Finanzamt vorzulegenden Aufstellung ergeben, die zu Beginn sowie bei Änderung einer Kooperationsbeziehung dort vorzulegen ist. Eine namentliche Bezeichnung in der Satzung selbst ist nicht erforderlich. Bei Kooperationen innerhalb eines Konzerns bzw. Verbunds soll die Bezeichnung des Unternehmensverbunds bzw. des Konzerns in der Satzung ausreichen.
In zeitlicher Hinsicht kann das planmäßige Zusammenwirken bereits vor zivilrechtlicher Wirksamkeit der Satzungsanpassung vorliegen. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass auf Seiten der Körperschaft, die sich auf § 57 Abs. 3 AO beruft, die zivilrechtliche Wirksamkeit bereits eingetreten ist. Auf Seiten des Kooperationspartners soll es dann ausreichen, wenn ein wirksamer Beschluss des zuständigen Organs bspw. zur Satzungsanpassung vorliegt, das Verfahren zum Eintritt der zivilrechtlichen Wirksamkeit eingeleitet wurde und diese später auch tatsächlich eintritt.
AEAO zu § 57 Abs. 4
Bei der im Rahmen der Gemeinnützigkeitsreform ebenfalls eingefügten Neuregelung des § 57 Abs.4 AO, wonach das Halten von Beteiligungen an steuerbegünstigten Körperschaften dem unmittelbaren Wirken zugerechnet wird, ergänzt das BMF die bisherige Verwaltungsauffassung zur Erbringung entgeltlicher Leistungen durch eine Holdinggesellschaft. Entgeltlich Leistungen, die von einer Holdinggesellschaft an die Tochtergesellschaften ausgeführt werden, sind grundsätzlich dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzurechnen. Ausgenommen hiervon waren nach der bisherigen Regelung im AEAO Leistungen im Rahmen eines planmäßigen Zusammenwirkens im Sinne des § 57 Abs. 3 AO. Ergänzend werden nun auch die Dienstleistungserbringung, die Nutzungsüberlassung sowie die Warenlieferung nach § 58 Nr. 1 AO von einer Zurechnung zum steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgenommen.
AEAO zu § 58
Das BMF stellt klar, dass Mittelzuwendungen nicht nur in der Erbringung von Dienstleistungen oder in der Nutzungsüberlassung bestehen können, sondern auch Warenlieferungen dem Begriff der Mittel unterfallen.
AEAO zu §§ 60 und 60a AO
Mit Blick auf Förderkörperschaften im Sinne des § 58 Nr. 1 S. 4 AO besteht die Möglichkeit, von der Aufnahme des Gebots der Unmittelbarkeit in der Satzung zu verzichten. Eine Widergabe des § 1 der Mustersatzung ist nicht erforderlich.
Maßgeblich für die Verhältnisse, die für die Feststellung nach § 60a AO erheblich sind, ist der Eintritt der zivilrechtlichen Wirksamkeit.
AEAO zu §§ 64, 67, 67a, 68 AO
Im Hinblick auf wirtschaftliche Geschäftsbetriebe bzw. Zweckbetriebe werden im AEAO Ausführungen zur Einordnung von Aushilfslöhnen als Betriebsausgaben sowie zur Zurechnung von Einnahmen aus der Vermietung von Standflächen für Werbezwecke gemacht. Zudem werden Regelungen zur Besteuerung der Blutspendedienste getroffen und Stellung zu Organisationsleistungen von Sportdachverbänden genommen.
Entsprechend des Urteils dem BFH vom 06.06.2019, V R 39/17, BStBl. II 2019, 651 werden Leistungen, die ein Arzt im Rahmen seiner Nebentätigkeitserlaubnis und damit außerhalb seiner dienstvertraglichen Pflichten im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit erbringt, als sozialversicherungsrechtlich vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst angesehen, wenn der vom Patienten erteilte Behandlungsauftrag durch den Arzt auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko erfüllt wird.
Darüber hinaus werden Ausführungen zum Kreis der hilfsbedürftigen Personen im Zusammenhang mit Geflüchteten sowie zum Umfang von steuerbegünstigten Inklusionsbetrieben im Sinne des § 215 SGB IX gemacht.
AEAO zu § 251 AO
Unabhängig von den Regelungen, die die steuerbegünstigten Zwecke im Sinne der §§ 51ff. AO betreffen, hat sich das BMF zur Vollstreckbarkeit von Verwaltungsakten im Insolvenzverfahren geäußert und die bisherigen Bestimmungen zur drohenden Zahlungsunfähigkeit, zur beantragten Eigenverwaltung sowie für den Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten ergänzt.
Anmerkungen
Mit Blick auf die Regelungen zur politischen Betätigung von steuerbegünstigten Einrichtungen nimmt das BMF die vom BFH aufgestellten Grundsätze zur Abgrenzung zur steuerbegünstigten Zweckverfolgung auf. Es bleibt abzuwarten, ob und ggf. wie die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag bezeichneten Ziele umsetzen wird.
Nachdem diverse Aspekte der Bestimmung des AEAO zu § 57 Abs. 3 und Abs. 4 heftig von Seiten der Literatur kritisiert werden, hat das BMF etwas nachgesteuert bei dem Erfordernis der Benennung der Kooperationspartner. Dennoch hält die Finanzverwaltung daran fest, dass das planmäßige Zusammenwirken in den Satzungen aller Beteiligten, d.h. auch auf Seiten der leistungsempfangenden Körperschaft, zu verankern ist. Klarstellend weist das BMF bei Holdingstrukturen darauf hin, dass entgeltliche Leistungen an Tochtergesellschaften, die (maximal) zu Selbstkosten erbracht werden, nunmehr in den Anwendungsbereich des § 58 Nr. 1 fallen. Dies nimmt der Frage nach Gewinnaufschlägen in diesem Zusammenhang deutliches Diskussionspotential.
Betroffene Normen
§§ 52, 55, 57, 58, 60, 60a, 64, 67, 67a, 68 AO, 251 AO.
Fundstelle
BMF, Schreiben vom 12.01.2022, Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO), IV A 3 -S 0062/21/10007 :001