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23.08.2018
Unternehmensteuer

BFH: Verfassungsmäßigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen

Aktuell: Die gegen die unten besprochene BFH-Entscheidung vom 14.06.2018 eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG durch Beschluss vom 05.09.2021 (1 BvR 2150/18) nicht zur Entscheidung angenommen. Gemäß den Ländererlassen vom 06.02.2023 werden sämtliche erstmaligen Festsetzungen des Gewerbesteuermessbetrags für Erhebungszeiträume ab 2008 mit Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 1 Buchstabe a, d, e und f GewStG künftig insoweit endgültig durchgeführt.
                                                                                                                             

BFH-Urteil vom 14.06.2018:

Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Schuldzinsen, Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter sowie Lizenzgebühren ist verfassungsgemäß. Die der Höhe nach unterschiedliche Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen und von Aufwendungen für Rechteüberlassung muss dabei nicht einem strikten Folgerichtigkeitsmaßstab genügen. Auch sind diese Hinzurechnungstatbestände, die einen fingierten Finanzierungsanteil enthalten, nicht zwingend an einem typischen, realitätsgerechten Zinsniveau auszurichten.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt Hotels, für deren Betrieb sie Grundstücke anmietet. Ihr entstanden im Streitjahr 2008 Aufwendungen für Schuldzinsen, für Miet- und Pachtzahlungen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter sowie für Lizenzgebühren. Diese Aufwendungen führten zu gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG. Der Einspruch der Klägerin gegen den Gewerbesteuermessbescheid, mit dem sie verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Hinzurechnungen geltend machte, blieb ohne Erfolg. Das FG wies die anschließend erhobene Klage ab.

Entscheidung

Der BFH ist davon überzeugt, dass die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften verfassungsgemäß sind. Eine Vorlage beim BVerfG hält er daher nicht für geboten.

Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer

Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist die Gewerbesteuer mit ihrer Grundstruktur und herkömmlichen Ausgestaltung verfassungsrechtlich gerechtfertigt (vgl. zuletzt BVerfG-Beschluss vom 15.02.2016). Sie ist eine vornehmlich auf den Ertrag des Gewerbebetriebs gerichtete Objektsteuer. Die damit einhergehenden Gewinnkorrekturen um Hinzurechnungen und Kürzungen, sind die Konsequenz des Objektsteuercharakters. Die von den Hinzurechnungen ausgehenden Belastungen sind von der verfassungsrechtlichen Legitimität der Gewerbesteuer erfasst und im Grundsatz hinzunehmen. Das objektive Nettoprinzip des Einkommensteuerrechts bildet dabei nicht den Maßstab für die Prüfung der Hinzurechnungsvorschriften (vgl. BFH-Urteil vom 04.06.2014). Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit trete insoweit zurück.

Kein Verstoß der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen gegen den Gleichheitsgrundsatz

Ein Gleichheitsverstoß könne entgegen der Ansicht der Klägerin nicht daraus abgeleitet werden, dass die Klägerin, die mit gemietetem Grundbesitz wirtschaftet, wegen der Hinzurechnungsvorschriften einer höheren Gewerbesteuerbelastung unterliegt als ein vergleichbarer, mit eigenem Sachkapital wirtschaftender Gewerbetreibender. Nach der Gesetzesbegründung zum Gewerbesteuergesetz sollten die Hinzurechnungsvorschriften eine gewerbesteuerrechtliche Gleichstellung von Betrieben bewirken, die mit gemieteten beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens arbeiten, mit solchen Betrieben, die eigene Wirtschaftsgüter nutzen. Diese Gleichheitsvorstellungen des damaligen Gesetzgebers seien jedoch nicht in der Weise "folgerichtig" auszugestalten, dass sie in allen denkbaren Fällen vergleichbare Betriebe in gleicher Höhe mit Gewerbesteuer belasten, unabhängig davon, ob sie mit eigenem oder fremdem Sachkapital wirtschaften.

Keine strenge Folgerichtigkeitskontrolle

Das BVerfG neigt dazu, die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften als Bestimmungen des Umfangs des Steuergegenstandes zu behandeln, was eine engere Bindung des Gesetzgebers an sachliche Erwägungen, insbesondere solche der Folgerichtigkeit und Belastungsgleichheit, vorstellbar erscheinen lässt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15.02.2016).

Auch dann, wenn der Gesetzgeber bei der gesetzlichen Konkretisierung der Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften nur einen eingeschränkten Gestaltungsspielraum haben sollte, unterliegt seine Entscheidung nicht einer strengen Folgerichtigkeitskontrolle. Es genügt vielmehr, wenn sich die Hinzurechnungsvorschriften folgerichtig in das Konzept einer ertragsorientierten Objektsteuer einfügen lassen (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 08.12.2016). Die der Höhe nach unterschiedliche Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens oder für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten müsse nicht einem strikten Folgerichtigkeitsmaßstab genügen.

Keine Ausrichtung an realitätsgerechtem Zinsniveau

Hinsichtlich der Höhe der Hinzurechnungen seien auch die strengen Vorgaben des BVerfG zu gesetzlichen Typisierungen nicht einschlägig. Der Gesetzgeber begründete die Hinzurechnung (nur) eines Teils von Miet- und Pachtzinsen damit, dass lediglich der darin enthaltene Finanzierungsanteil erfasst werden solle. Diese Fiktion eines Finanzierungsanteils, der in Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter und auch in Lizenzgebühren enthalten ist, zwinge den Gesetzgeber nicht dazu, die entsprechenden Hinzurechnungstatbestände an einem typischen, realitätsgerechten Zinsniveau auszurichten.

Zudem war der Gesetzgeber nicht gehalten, die differierenden Finanzierungsanteile bei der Vermietung und Verpachtung von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens und auch bei der Rechteüberlassung so auszugestalten und aufeinander abzustimmen, dass bei einer Gegenüberstellung der einzelnen Hinzurechnungstatbestände von realitätsgerechten Zinsanteilen gesprochen werden könne. Ebenso wenig brauchte er den jeweiligen Zinsanteil nach einem marktüblichen Zins auszurichten oder gar von ihm abhängig zu machen (vgl. BFH-Beschluss vom 16.10.2012).

Betroffene Norm

§ 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e, f GewStG
Streitjahr 2008

Anmerkungen

Die mögliche Verfassungswidrigkeit von gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Entgelten für Schulden sowie Miet- und Pachtzinsen hatte das FG Hamburg bereits in seiner Vorlage zum BVerfG thematisiert (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 29.02.2012, siehe Deloitte Tax-News). Das BVerfG hatte diese Vorlage als unzulässig abgewiesen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15.02.2016, siehe Deloitte Tax-News). Auch wenn das BVerfG in seinem Beschluss nicht in der Sache selbst entschieden hat, ist seiner Begründung zu entnehmen, dass es wohl von der Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG ausgeht.

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 19.03.2015, 13 K 2768/10, EFG 2015, S. 1384

Fundstellen

Ländererlasse vom 06.02.2023

BFH, Urteil vom 14.06.2018, III R 35/15, BStBl II 2018, Seite 662

Weitere Fundstellen

BVerfG, Beschluss vom 15.02.2016, 1 BvL 8/12, BStBl II 2016, S. 557, siehe Deloitte Tax-News  
BFH, Urteil vom 08.12.2016, IV R 55/10, BStBl II 2017, S. 722, siehe Deloitte Tax-News  
BFH, Urteil vom 04.06.2014, I R 70/12, BStBl II 2015, S. 289, siehe Deloitte Tax-News  
BFH, Beschluss vom 16.10.2012, I B 128/12, BStBl II 2013, S. 30, siehe Deloitte Tax-News  
FG Hamburg, Beschluss vom 29.02.2012, 1 K 138/10, EFG 2012, S. 960, siehe Deloitte Tax-News  

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