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06.02.2020
Unternehmensteuer

BFH: Unternehmensidentität bei Betriebsverpachtung

Ein vortragsfähiger Gewerbeverlust geht unter, wenn der Gewerbebetrieb im Anrechnungsjahr zwar wieder mit dem des Verlustentstehungsjahrs identisch ist, in der Zwischenzeit aber die werbende Tätigkeit nicht nur vorübergehend unterbrochen bzw. eine andersartige werbende Tätigkeit aufgenommen wurde. Es entfällt dann die für die Verlustfeststellung erforderliche Unternehmensidentität. Das Vorliegen einer die einkommensteuerrechtliche Existenz des Betriebs unberührt lassenden Betriebsunterbrechung ("ruhender Gewerbebetrieb") genügt für die Feststellung der gewerbesteuerlichen Unternehmensidentität nicht. 

Bei einer Betriebsaufspaltung besteht die Unternehmensidentität bei der Besitzpersonengesellschaft jedenfalls so lange fort, als sie mit der nämlichen Betriebskapitalgesellschaft sachlich und personell verflochten bleibt.

Sachverhalt

An einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, der K-KG, waren als alleinige Komplementärin – ohne vermögensmäßige Beteiligung – die V-GmbH und als alleinige Kommanditistin die R-GmbH beteiligt. Alleinige Anteilseignerin der V-GmbH war wiederum die R-GmbH. Im Rahmen einer Umstrukturierung der Unternehmensgruppe verpachtete die K-KG ihren Geschäftsbetrieb an die R-GmbH. Nach einem Jahr wurde der Pachtvertrag wieder aufgehoben, die R-GmbH erwarb Teile des Betriebsvermögens von der K-KG und mietete nur noch das Betriebsgrundstück an. Das Finanzamt war der Meinung, dass der bisher festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust untergegangen sei, weil eine Unternehmensidentität aufgrund des Übergangs zur Verpachtung nicht mehr bestehe. Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, dass auch bei Wegfall der Unternehmensidentität ein vormals festgestellter vortragsfähiger Gewerbeverlust nicht automatisch untergeht, sondern in dem Fall, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Unternehmer- und Unternehmensidentität – in der Art und Weise wie im Verlustjahr – erneut vorliegt, hierdurch der ursprüngliche Gewerbeverlust wieder genutzt werden kann. 

Entscheidung

Der BFH kommt entgegen der Auffassung des FG zu dem Ergebnis, dass die für die gewerbesteuerliche Verlustfeststellung erforderliche Unternehmensidentität ununterbrochen fortbestehen muss.

Voraussetzung für die gewerbesteuerliche Verlustverrechnung

Die Kürzung des Gewerbeertrags um Verluste aus früheren Erhebungszeiträumen nach § 10a S. 1 GewStG setzt neben der Unternehmeridentität auch die Unternehmensidentität voraus (vgl. BFH-Urteil vom 07.09.2016, IV R 31/13).

Rechtsprechungsgrundsätze bei der Prüfung der Unternehmensidentität

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH bedeutet Unternehmensidentität, dass der im Anrechnungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch ist mit dem Gewerbebetrieb, der im Jahr der Entstehung des Verlusts bestanden hat. Unter Gewerbebetrieb ist in diesem Zusammenhang die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Betätigung zu verstehen. Ob diese die gleiche (wirtschaftlich identisch) geblieben ist, muss nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Merkmale wie u.a. der Art der Betätigung, des Kunden- und Lieferantenkreises sowie der Zusammensetzung des Aktivvermögens beurteilt werden. Bei einer Personengesellschaft ist hierbei auf die von ihr ausgeübte werbende Tätigkeit abzustellen. Die Personengesellschaft kann nacheinander mehrere Betriebe unterhalten. Daher kann die Unternehmensidentität auch dadurch wechseln, dass sie ihre ursprüngliche werbende Tätigkeit einstellt und eine anders gelagerte werbende Tätigkeit aufnimmt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 07.09.2016, IV R 31/13).

Ununterbrochener Fortbestand der Unternehmensidentität

Aus diesen Grundsätzen ergibt sich nach Ansicht des BFH, dass die Unternehmensidentität – ebenso wie die Unternehmeridentität (vgl. dazu BFH-Urteil vom 11.10.2012, IV R 3/09) – in dem Zeitraum zwischen Anrechnungsjahr und Verlustentstehungsjahr ununterbrochen bestanden haben muss. Es reiche nicht aus, wenn der Gewerbebetrieb im Anrechnungsjahr wieder mit dem des Verlustentstehungsjahrs identisch ist, in der Zwischenzeit aber die werbende Tätigkeit nicht nur vorübergehend unterbrochen oder eine andersartige werbende Tätigkeit ausgeübt wurde. Es könne zwar eine die einkommensteuerrechtliche Existenz des Betriebs unberührt lassende Betriebsunterbrechung ("ruhender Gewerbebetrieb") gegeben sein. Gewerbesteuerrechtlich entfalle jedoch die Unternehmensidentität, es sei denn, es liege eine (nur) betriebsbedingte Anpassung der werbenden Tätigkeit an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse oder eine vorübergehende Betriebsunterbrechung i.S. des § 2 Abs. 4 GewStG vor. Das Gewerbesteuerrecht kenne keinen "ruhenden Gewerbebetrieb" i.S. des einkommensteuerrechtlichen Begriffsverständnisses.

Beurteilung der Unternehmensidentität bei Betriebsaufspaltung

Eine Besitzpersonengesellschaft im Rahmen einer bestehenden Betriebsaufspaltung übt eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG aus; eine gewerbliche Prägung i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG wäre überlagert (vgl. BFH-Urteil vom 20.08.2015, IV R 23/16). Auch bei einer derartigen Gesellschaft beurteilt sich ein etwaiger Fortfall der Unternehmensidentität nach Auffassung des BFH danach, ob die von ihr ausgeübte Tätigkeit nach dem Gesamtbild unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Merkmale die gleiche (wirtschaftlich identisch) geblieben ist. Gleichwohl bestehe die Unternehmensidentität bei einer Besitzpersonengesellschaft jedenfalls so lange fort, als sie mit der nämlichen Betriebskapitalgesellschaft sachlich und personell verflochten bleibt. Denn für diesen Fall übe die Besitzpersonengesellschaft aufgrund genannter Verflechtungen gegenüber dem nämlichen „Kunden“ (Vertragspartner) ununterbrochen eine nutzungsüberlassende Tätigkeit aus, die sich nach ihrem Gesamtbild als die wirtschaftlich (originär) gewerbliche Tätigkeit darstelle.

Zurückverweisung an das FG

Der BFH hat die Sache mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen an das FG zurückverwiesen. Das FG hat zu untersuchen, ob die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung – insbesondere die der personellen Verflechtung – vorgelegen haben. Sollte das FG eine Betriebsaufspaltung verneinen, so sei zu prüfen, ob die von der K-KG ausgeübte Tätigkeit nach dem Gesamtbild unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Merkmale die gleiche (wirtschaftlich identisch) geblieben ist.

Exkurs: Grundsätze zur personellen Verflechtung als Voraussetzung für eine Betriebsaufspaltung

In seinem Urteil vom 30.10.2019 (IV R 59/16) gibt der BFH zudem folgende Hinweise für die Prüfung der personellen Verflechtung als Voraussetzung für das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung:

Betriebs-KapGes ist Mehrheitsgesellschafterin der Besitz-PersGes

Ist eine Kapitalgesellschaft Rechtsträgerin des Betriebsunternehmens (hier: R-GmbH) und zugleich Mehrheitsgesellschafterin der Besitzpersonengesellschaft (hier: K-KG), liegt nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH die für eine Betriebsaufspaltung erforderliche enge personelle Verflechtung dann vor, wenn die Gesellschafter der Besitzpersonengesellschaft für den Abschluss und die Beendigung des Miet-/Pachtvertrags bezüglich der funktional wesentlichen Betriebsgrundlage gemeinsam zur Geschäftsführung befugt sind und dabei mit Stimmenmehrheit nach Anteilen am Kapital der Gesellschaft entscheiden. Denn für die personelle Verflechtung ist entscheidend, dass die Geschicke des Besitzunternehmens in den wesentlichen Fragen durch die Personen bestimmt werden, die auch hinter dem Betriebsunternehmen stehen. Gleiches gilt, wenn dies durch das Betriebsunternehmen selbst geschieht (vgl. BFH-Urteil vom 08.09.2011, IV R 44/07).

Betriebs-KapGes ist Mehrheitsgesellschafterin der Besitz-PersGes und mittelbar über eine 100%-ige Tochter-KapGes an der Besitz-PersGes beteiligt

Dabei ist nach Ansicht des BFH eine personelle Verflechtung nicht schon deshalb gegeben, weil die R-GmbH sowohl unmittelbar als alleinige Kommanditistin als auch mittelbar über eine 100%-ige Tochterkapitalgesellschaft an der K-KG beteiligt gewesen ist. Denn nach der bisherigen Rechtsprechung begründet die Beteiligung am Besitzunternehmen über eine 100%-ige Tochterkapitalgesellschaft keine personelle Verflechtung (sog. Abschirmwirkung); die Tochterkapitalgesellschaft ist eine Nur-Besitzgesellschafterin. Danach liegt bei der Beteiligung von Nur-Besitzgesellschaftern an der Besitzpersonengesellschaft keine personelle Verflechtung vor, wenn im Besitzunternehmen das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Sie besteht hingegen bei nicht mehrheitlich beteiligten Nur-Besitzgesellschaftern dann, wenn für die Beschlussfassung in der Besitzpersonengesellschaft das einfache Mehrheitsprinzip gilt (vgl. BFH-Urteil vom 08.09.2011, IV R 44/07).

Der BFH geht zwar davon aus, dass eine personelle Verflechtung bereits dann fehlt, wenn an der Besitzgesellschaft ein Nur-Besitzgesellschafter beteiligt ist und das Einstimmigkeitsprinzip auch die laufende Verwaltung der vermieteten Wirtschaftsgüter einschließt (vgl. BFH-Urteil vom 21.01.1999, IV R 96/96). Der hieraus abzuleitende Grundsatz, wonach die an beiden Unternehmen beteiligte Person ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Besitzpersonengesellschaft auch im Hinblick auf die laufende Verwaltung der Nutzungsüberlassung durchsetzen können muss, ist aber eingehalten, wenn der Mehrheitsgesellschafter der Besitzpersonengesellschaft personenidentisch mit dem Rechtsträger des Betriebsunternehmens ist (vgl. BFH-Urteil vom 08.09.2011, IV R 44/07). 

Bei Übertragung der oben dargestellten Grundsätze auf den Streitfall geht der BFH davon aus, dass eine personelle Verflechtung bereits dann gegeben wäre, wenn – abweichend vom Einstimmigkeitsprinzip –nach dem Gesellschaftsvertrag der K-KG deren Gesellschafter (die V-GmbH und die R-GmbH) über den Abschluss und die Beendigung des Pacht-/ Mietvertrags hinsichtlich des Betriebsgrundstücks mit der Stimmenmehrheit nach Anteilen am Kapital entscheiden. 

Betroffene Norm

§ 10a S. 1 GewStG

Streitjahr 2006

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 29.09.2016, 10 K 1180/13, EFG 2017, S. 320

Fundstelle

BFH, Urteil vom 30.10.2019, IV R 59/16, lt. BMF Schreiben vom 25.03.2020 zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen 

Pressemitteilung Nr. 4 vom 30.01.2020

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 07.09.2016, IV R 31/13, BStBl II 2017, S. 482

BFH, Urteil vom 20.08.2015, IV R 23/16, BStBl II 2016, S. 408, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 11.10.2012, IV R 3/09, BStBl II 2013, S. 176, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 08.09.2011, IV R 44/07, BStBl II 2012, S. 136

BFH, Urteil vom 21.01.1999, IV R 96/96, BStBl II 2002, S. 771

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