BFH: Mittelbare vGA im Zusammenhang mit nießbrauchbelasteten GmbH-Geschäftsanteilen
Eine verdeckte Gewinnausschüttung ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter ist nur dann verwirklicht, wenn der Vorteilsempfänger eine dem Gesellschafter nahestehende Person ist und die Vorteilszuwendung gesellschaftsrechtlich veranlasst ist. So kann die direkte Auszahlung der Ausschüttungen an den Nießbrauchberechtigten der Geschäftsanteile zu einer mittelbaren verdeckten Gewinnausschüttung führen.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine natürliche Person (K), hielt jeweils 50% der Geschäftsanteile an drei GmbHs (A-, B- und C-GmbH). Die übrigen Geschäftsanteile an den drei GmbHs hielt X. K und X bestellten an ihren Geschäftsanteilen der C-GmbH unentgeltlich einen Nießbrauch mit einer Quote von 80% zugunsten der A-GmbH. Die mit den Geschäftsanteilen der C-GmbH verbundenen Mitverwaltungsrechte, insbesondere die Stimmrechte, verblieben allerdings beim Anteilseigner. Des Weiteren beschlossen K und X die Erhöhung des Stammkapitals der B-GmbH. Die Stammkapitalerhöhung erfolgte durch Einbringung der nießbrauchbelasteten Geschäftsanteile an der C-GmbH. Gewinnausschüttungen der C-GmbH wurden an die A-GmbH ausgezahlt. Bei der A-GmbH wurden die empfangenen Zahlungen als verdeckte Einlagen von K und X erfasst.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die an die A-GmbH ausgezahlten Gewinnausschüttungen der C-GmbH auf Ebene der B-GmbH eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) darstellen. Die verdeckten Gewinnausschüttungen seien jeweils hälftig K und X zugeflossen.
Entscheidung
Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass ein Zufluss einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) an K insbesondere voraussetzt, dass die Einbringung der Geschäftsanteile an der C-GmbH in die B-GmbH gegen Erhalt neuer Geschäftsanteile an der B-GmbH gesellschaftsrechtlich veranlasst war und folglich nicht wie unter fremden Dritten vollzogen wurde. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, so dass das FG Gelegenheit erhält Feststellungen zur Einbringung der Geschäftsanteile der C-GmbH in die B-GmbH und den zugrunde liegenden Vereinbarungen nachzuholen.
Mittelbare verdeckte Gewinnausschüttung
Eine vGA liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Sie kann auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter verwirklicht werden, wenn der Vorteil dem Gesellschafter durch das Gesellschaftsverhältnis mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht (vgl. auch BFH-Urteil vom 10.12.2019, VIII R 2/17).
Einkommensteuerrechtliche Zurechnung der Ausschüttungen der C-GmbH
Zurechnungssubjekt einer Ausschüttung durch eine GmbH ist grundsätzlich der Anteilseigner (§ 20 Abs. 2a S. 1 und 2 EStG, § 39 Abs. 1 AO). Einem Nießbrauchberechtigten ist die Ausschüttung nur einkommensteuerrechtlich zuzurechnen, wenn er eine Rechtsposition innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und er insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichgestellt ist (vgl. BFH-Urteil vom 18.11.2014, IX R 49/13; BFH-Urteil vom 24.01.2012, IX R 51/10).
Im Streitfall berechtigte der Nießbrauch die A-GmbH nur zur Gewinnbeteiligung, wohingegen die Stimmrechte der B-GmbH als Anteilseignerin zustanden. Folglich sind die Ausschüttungen der C-GmbH in vollem Umfang der B-GmbH zuzurechnen.
Vorteilszuwendung der B-GmbH an die A-GmbH
Die direkte Auszahlung von 80% der ertragsteuerlich der B-GmbH zuzurechnenden Ausschüttung von der C-GmbH an die A-GmbH führte nach dem BFH zu Vorteilszuwendungen der B-GmbH an die A-GmbH. Diese Vorteilszuwendungen seien K – vorbehaltlich der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung - auch zuzurechnen. Der BFH bestätigt, dass eine vGA auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter verwirklicht werden kann, wenn der Vermögensvorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Im Streitfall handele es sich bei der A-GmbH als Vorteilsempfängerin um eine der K nahestehenden Person in diesem Sinne.
Gesellschaftsrechtliche Veranlassung fraglich
Eine vGA ist ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter nach dem BFH allerdings nur dann verwirklicht, wenn die Vorteilszuwendung gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Nur in diesem Fall läge eine vGA vor.
Nach Feststellung des FG habe die B-GmbH der K einen Vermögensvorteil eingeräumt, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer einem Nichtgesellschafter nicht hätte zukommen lassen. Diese Würdigung werde jedoch nicht von den Feststellungen des FG getragen. Insbesondere sei nicht ausgeschlossen, dass die Einbringung der Geschäftsanteile der C-GmbH in die B-GmbH gegen Erhalt neuer Anteile an der B-GmbH nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen und daher wie unter fremden Dritten vollzogen wurde. In diesem Fall wären die Einbringung der nießbrauchbelasteten Anteile und die nachfolgende Vorteilszuwendung der B-GmbH an die A-GmbH nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst gewesen und eine vGA der B-GmbH an K ausgeschlossen. Folglich wird die Sache an das FG zurückverwiesen, um Feststellungen zur Einbringung der Geschäftsanteile der C-GmbH in die B-GmbH und den zugrunde liegenden Vereinbarungen nachzuholen.
Betroffene Normen
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG
Streitjahre 2004 und 2006
Anmerkungen
Weitergehende Hinweise des BFH: gesellschaftsrechtliche Veranlassung im Streitfall entscheidend
Der BFH hebt hervor, dass die Feststellung einer vGA im Streitfall davon abhängt, ob die Einbringung der Geschäftsanteile an der C-GmbH in die B-GmbH durch K gegen Ausgabe neuer Geschäftsanteile der B-GmbH gesellschaftsrechtlich veranlasst war oder nicht.
Keine gesellschaftsrechtliche Veranlassung (und folglich keine vGA) läge vor, wenn die o.g. Einbringung nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen war und im Vorfeld der Einbringung die Werte der Geschäftsanteile der C-GmbH und der neu auszugebenden Geschäftsanteile der B-GmbH festgestellt und diese Anteilswerte auch den vertraglichen Vereinbarungen zugrunde gelegt worden waren. Ebenfalls ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob die Ausgabe neuer Anteile der B-GmbH an K angesichts des der B-GmbH aufgrund des Nießbrauchs im Ergebnis nur zustehenden Gewinnbezugsrechts von 20% fremdüblich war. In diesem Fall läge auch kein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO vor. Die direkt an die A-GmbH ausgezahlten Ausschüttungen seitens der C-GmbH wären einkommensteuerlich als Vorausabtretung der Ausschüttungen durch die B-GmbH zu werten, die bei der A-GmbH als sonstiger betrieblicher Ertrag zu erfassen und nicht nach § 8b Abs. 1 S. 1 KStG von der Besteuerung auszunehmen wären.
Wäre die Vorteilszuwendung hingegen gesellschaftsrechtlich veranlasst, wären die Voraussetzungen einer vGA erfüllt und die Klage abzuweisen. K hätte zugleich in derselben Höhe Einlagen in die A-GmbH getätigt.
Vorinstanz
Hessisches FG, Urteil vom 16.08.2018, 11 K 371/13
Fundstelle
BFH, Urteil vom 14.02.2022, VIII R 29/18, BStBl. II 2022, S. 544
Weitere Fundstellen
BFH-Urteil vom 10.12.2019, VIII R 2/17, BStBl. II 2020, S. 679, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 24.01.2012, IX R 51/10, BStBl. II 2012, S. 308, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 18.11.2014, IX R 49/13, BStBl. II 2015, S.224