Zurück zur Übersicht
30.06.2022
Unternehmensteuer

BFH: Keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwendungen für eine Messestandfläche

Die Aufwendungen für die Anmietung von Messestandflächen unterliegen im Fall eines Produktionsunternehmens ohne Direktvertrieb nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG, wenn das Unternehmen nicht auf die ständige Verfügbarkeit von Messestandflächen angewiesen ist (entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung). 

Sachverhalt

Strittig war, ob Aufwendungen für die Anmietung von Messestandflächen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen.

Die Klägerin, im Rechtskleid einer GmbH, stellt Produkte selbst her und verkauft diese über ein Händlernetz. Über einen Direktvertrieb verfügt die GmbH nicht. Die GmbH mietete wiederholt auf Messen Ausstellungsflächen und Räumlichkeiten an, um ihre Produkte dort zu präsentieren. Die Aufwendungen behandelte die GmbH als abziehbare Betriebsausgaben; eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung erklärte die GmbH insoweit nicht.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Aufwendungen gem. § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG für Zwecke der Gewerbesteuer hinzuzurechnen sind. Entgegen der Auffassung des Finanzamts entschied das FG, dass die Voraussetzungen für einen Hinzurechnungstatbestand des § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG nicht vorliegen. Der konkrete Geschäftsgegenstand der GmbH gebiete nicht, dass permanent Messestände vorgehalten werden müssen. Folglich stellen nach dem FG die angemieteten Messestellplätze kein sog. fiktives Anlagevermögen dar.

Entscheidung

Der BFH kam ebenfalls zu dem Schluss, dass die Aufwendungen für die Anmietung von Messestandflächen im Streitfall nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG unterliegen.

Gesetzliche Grundlage

Gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG unterliegen Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung.

Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum fiktiven Anlagevermögen

Der Begriff des Anlagevermögens bezieht sich gem. § 247 Abs. 2 HGB auf Gegenstände, die dazu bestimmt sind, dem Betrieb auf Dauer zu dienen. Für die Hinzurechnung nach § 8 GewStG ist nach dem BFH darauf abzustellen, ob die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Mieters oder Pächters wären, wenn er ihr Eigentümer wäre (sog. „fiktives Anlagevermögen“).

Die Frage, ob das fiktiv im Eigentum des Steuerpflichtigen stehende Wirtschaftsgut zu dessen Anlagevermögen gehört, orientiere sich maßgeblich an der Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts in dem Betrieb, die einerseits subjektiv vom Willen des Steuerpflichtigen abhängt, sich andererseits aber an objektiven Merkmalen nachvollziehen lassen muss (wie z.B. der Art des Wirtschaftsguts, der Art und Dauer der Verwendung im Betrieb, der Art des Betriebs, ggf. auch der Art der Bilanzierung; vgl. BFH-Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11).

Die Fiktion dürfe allerdings nicht weiter reichen, als es die Vorstellung eines das Miet- oder Pachtverhältnis ersetzende Eigentum gebietet (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1972, I R 178/70). Es sei insbesondere zu fragen, ob der Geschäftszweck das dauerhafte Vorhandensein solcher Wirtschaftsgüter voraussetzt.

Übertragung auf den Streitfall (angemietete Messestandflächen)

Der Unternehmensgegenstand der GmbH, dem Betreiben eines Produktionsunternehmens ohne Direktvertrieb, erfordere keine zwingende Messeteilnahme. Vielmehr sei es die freie Entscheidung der GmbH, jedes Jahr neu darüber zu befinden, ob und an welchen Messen sie teilnehmen wollte oder nicht. Nicht entscheidungsrelevant sei, dass die Messebesuche auch eigenen Werbezwecken dienten. Die GmbH entfalte selbst auf den Messen keine eigene Geschäftstätigkeit, vielmehr erfolgten die Leistungen durch die auf den Messen anwesenden Händler. Weiter sei bei der GmbH in den letzten Jahren der Trend weg von den Messeveranstaltungen hin zu regionalen Veranstaltungen und zu vielfältigen anderen Webemöglichkeiten (z.B. Internet-Präsentationen) zu beobachten gewesen.

Folglich sei die GmbH unter Berücksichtigung des Geschäftsgegenstands und der Vertriebswege nicht auf die ständige Verfügbarkeit von Messestandflächen angewiesen. Die Teilnahme an Messen für den Verkauf der Produkte sei zwar förderlich, aber nicht betriebsnotwendig.

Abgrenzung von der bisherigen Rechtsprechung

Auch die bisherige BFH-Rechtsprechung zu einer Durchführungsgesellschaft für Auslandsmessebeteiligungen (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15) stehe der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Im damaligen Streitfall stellten die angemieteten Ausstellungsflächen auch kein fiktives Anlagevermögen der Durchführungsgesellschaft dar, da die Durchführungsgesellschaft nur auf Weisung ihrer Auftraggebers Ausstellungsflächen anmietete und folglich die Durchführungsgesellschaft entsprechende Flächen nicht ständig für den Gebrauch in ihrem Betrieb vorgehalten hätte.

Weiter nahm der BFH noch Bezug auf eine weitere BFH-Entscheidung zu einem Konzertveranstalter (vgl. BFH-Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11), dessen Geschäftszweck darauf gerichtet war, ständig Konzerte in hierfür angemieteten Immobilien wie Theatern, Konzertsälen, Stadien und Arenen auszurichten. In der damaligen Entscheidung bejahte der BFH die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der gezahlten Mieten für die Nutzung von Gebäuden zur Veranstaltung von Konzerten. Davon sei allerdings der vorliegende Streitfall abzugrenzen, da der Geschäftszweck der GmbH, nämlich die Entwicklung, Herstellung und der Vertrieb von Produkten, nicht mit dem Geschäftsmodell eines Konzertveranstalters vergleichbar sei.

Betroffene Norm

§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG

Streitjahre 2009, 2010, 2011

Anmerkungen

Einordnung der o.g. Entscheidung

In den letzten Jahren sind zahlreiche Entscheidungen zu den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungstatbeständen ergangen. Erst kürzlich hat die Finanzverwaltung in ihren Ländererlassen vom 06.04.2022 die BFH-Rechtsprechung übernommen (vgl. Ländererlasse vom 06.04.2022, siehe Deloitte Tax News). Des Weiteren gibt die OFD Frankfurt a. M. in ihrer Verfügung vom 08.04.2022 einen ausführlichen Gesamtüberblick zu Anwendungsfragen zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 GewStG (vgl. OFD Frankfurt a. M., Verfügung vom 08.04.2022, siehe Deloitte Tax News).

Die o.g. Entscheidung zu den angemieteten Messestandflächen schafft nun Rechtssicherheit in einer praxisrelevanten und stark umstrittenen Rechtsfrage. Außerdem lassen sich sicherlich auch Argumente aus dieser Entscheidung für andere Streitfälle ableiten.

FG Münster, Urteil vom 18.08.2022, 10 K 1421/19 G

Mit Urteil vom 18.08.2022 (10 K 1421/19 G) hat sich das FG Münster in die in den letzten Jahren ergangenen Entscheidungen zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Aufwendungen für die Anmietung von Messestandflächen eingereiht. Während Gegenstand der bislang zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Aufwendungen für eine Messestandfläche ergangenen Entscheidungen ausschließlich die Frage war, ob die angemieteten Ausstellungsflächen fiktives Anlagevermögen darstellen, setzt sich das FG Münster in seinem Urteil darüber hinaus auch ausführlich mit der Frage auseinander, ob die für die Teilnahme an Fachmessen geleisteten Entgelte überhaupt Miet- oder Pachtzinsen darstellen. Das FG Münster kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die für die Teilnahme an (Fach-)Messen geleisteten Entgelte in der Regel nicht als i.S.v. § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG hinzurechnungspflichtige Miete anzusehen sind. Die den Aufwendungen zugrundeliegenden Messeteilnahmeverträge stellen vielmehr Verträge eigener Art dar, die zwar auch miet- und pachttypische Elemente enthalten, darüber hinaus aber auch hiervon nicht trennbare wesentliche miet- und pachtfremde Leistungspflichten, die dem Vertrag insgesamt einen eigenständigen Charakter verleihen.

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 09.06.2020, 9 K 1816/18 G, EFG 2020, 1689

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 23.03.2022, III R14/21, BStBl. II 2022, S. 559

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11, BStBl. II 2022, S. S. 276, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 29.11.1972, I R 178/70, BStBl. II 1973, S. 148

BFH, Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15, BStBl. II 2022, S. 273,siehe Deloitte Tax-News

Finanzgericht Münster, Urteil vom 18.08.2022, 10 K 1421/19 G, EFG 2022, S. 1919

Obersten Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 06.04.2022, siehe Deloitte Tax News 

OFD Frankfurt a.M., Verfügung vom 08.04.2022, siehe Deloitte Tax News

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.