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04.05.2023
Unternehmensteuer

BFH: Keine erweiterte Kürzung für bestimmte Sondervergütungen, auch bei einem nicht gewerbesteuerpflichtigen Gesellschafter

Die erweiterte gewerbesteuerliche Grundstückskürzung i.S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG kommt für bestimmte Sondervergütungen nach § 9 Nr. 2 S. 5 Nr. 1a GewStG auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Vergütungsempfänger nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Entgegen der wohl überwiegenden Literaturmeinung vertritt der BFH die Auffassung, dass die Norm (§ 9 Nr. 2 S. 5 Nr. 1a GewStG) auch in diesen Fällen nicht teleologisch reduziert werden kann.  

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine gewerblich geprägte Personengesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Komplementärin ist die A-GmbH, Kommanditisten waren B und die C-GmbH. Gesellschaftszweck ist die Verwaltung von eigenen Grundstücken, Gebäuden und grundstücksgleichen Rechten.

Im Streitjahr fielen bei der GmbH & Co. KG Aufwendungen für die Verzinsung von Darlehenskonten an, die bei ihren Gesellschaftern als Sonderbetriebseinnahmen erfasst wurden. Ein Großteil der Zinsen entfiel auf den Kommanditisten B, der nicht gewerbesteuerpflichtig war.

Das Finanzamt qualifizierte die Zinsen in voller Höhe als Vergütungen i.S. des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG und versagte insofern eine erweiterte Kürzung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der GmbH & Co. KG. Hingegen vertrat die GmbH & Co. KG die Auffassung, dass § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG (bzw. der Ausschluss der Sondervergütungen aus der erweiterten Kürzung) bei einem nicht gewerbesteuerpflichtigen Empfänger der Sondervergütungen nicht anzuwenden sei. Das FG wies die Klage jedoch als unbegründet ab.

Entscheidung

Der BFH schließt sich der Auffassung des Finanzamts und des FGs an und kommt zu dem Schluss, dass die Sondervergütungen nach § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG auch dann aus der erweiterten Kürzung i.S.d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG auszuschließen sind, wenn der die Sondervergütung beziehende Gesellschafter nicht der Gewerbesteuer unterliegt.

Gesetzliche Grundlagen

Für Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, kann auf Antrag anstelle der Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags treten, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG).

§ 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG gelten nach § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a S. 1 GewStG allerdings nicht, soweit der Gewerbeertrag Vergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG enthält, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern, mit Ausnahme der Überlassung von Grundbesitz, bezogen hat. Diese Sondervergütungen des Gesellschafters werden demnach von der erweiterten Kürzung ausgeschlossen, also bei der Gesellschaft mit Gewerbesteuer belastet. Ausgenommen sind lediglich Sondervergütungen für die Überlassung von Grundbesitz an die Gesellschaft, da sie "die Kerntätigkeit der Gesellschaft umfassen". Diese werden weiterhin in die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG einbezogen und somit im Ergebnis nicht mit Gewerbesteuer belastet.

Auffassung des BFH (entgegen der wohl überwiegenden Literaturmeinung)

Der BFH stellt zunächst heraus, dass es umstritten ist, ob § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG auch dann zur Anwendung gelangt, wenn der Vergütungsempfänger nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Entgegen der wohl überwiegenden Literaturmeinung, nach der die Norm in diesem Fall aufgrund ihres überschießenden Charakters teleologisch zu reduzieren ist, kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass nach dem Wortlaut des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG diese Norm auch dann anwendbar ist, wenn der Vergütungsempfänger nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Diese Norm sei auch nicht teleologisch zu reduzieren.

Auslegung der Norm nach dem Gesetzeswortlaut

Nach dem BFH setzt der Wortlaut des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a S. 1 GewSt allein "Vergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG" voraus, "die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern, mit Ausnahme der Überlassung von Grundbesitz, bezogen hat". Dass der Gesellschafter als Vergütungsempfänger der Gewerbesteuer unterliegt, verlange die Norm nicht.

Auslegung der Norm nach dem Sinn und Zweck

Auch Sinn und Zweck der Norm sowie historische Erwägungen rechtfertigen keine einschränkende Auslegung, so der BFH.

Der Gesetzgeber verfolgte zwar mit der Einfügung des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG im Rahmen des JStG 2009 das Ziel, steuerliche Gestaltungen im Zusammenhang mit der erweiterten Kürzung für Grundstücksunternehmen in der Rechtsform der Personengesellschaft zu verhindern, nach denen Erträge, die die Gesellschaft gewerbesteuerpflichtigen Dritten für erbrachte Leistungen zahlt, in den Kürzungsumfang einbezogen werden, weil der Dritte Gesellschafter der Gesellschaft ist. Damit wollte der Gesetzgeber also insbesondere verhindern, dass sich der Vergütungsgläubiger zur Vermeidung einer Gewerbesteuer auf die Vergütung an der Gesellschaft mitunternehmerisch beteiligt. Allerdings komme das Regelungsziel der Gestaltungs- oder Missbrauchsvermeidung im Gesetzestext nicht zum Ausdruck. Eine Einschränkung auf Vergütungsempfänger, die ihrerseits der Gewerbesteuer unterliegen, lasse sich der Norm nicht entnehmen. § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG stelle vielmehr eine stark typisierende Regelung auf, die pauschal auf die Zahlung von Sondervergütungen an den Gesellschafter abstellt (vgl. BFH-Urteil vom 29.06.2022, III R 19/21) und einer einschränkenden Auslegung nicht zugänglich ist (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 29.05.2019, 8 K 291/18).

Keine teleologische Reduktion der Norm

§ 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG kann nach dem BFH auch nicht teleologisch reduziert werden. Die teleologische Reduktion setze eine Divergenz zwischen Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck voraus und ziele darauf ab, den Geltungsbereich einer Norm mit Rücksicht auf ihren Gesetzeszweck gegenüber dem zu weit gefassten Wortlaut einzuschränken. Sie komme nur in Betracht, wenn die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde.

Diese Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion seien in diesem Fall nicht erfüllt. Zwar lagen der Einfügung der Norm Gestaltungen zugrunde, in denen der Vergütungsempfänger der Gewerbesteuer unterfiel und nur deshalb Gesellschafter der Personengesellschaft wurde, um die Gewerbesteuerbarkeit der Vergütungen umgehen zu können. Dabei hatte der Gesetzgeber wohl in erster Linie das sog. Bankenbeteiligungsmodell (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 18.06.2007, 17 K 923/05 F) vor Augen, das "insbesondere", aber nicht ausschließlich verhindert werden sollte. Dementsprechend sei der Tatbestand des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG nicht auf diesen Fall beschränkt worden. Eine derartige Typisierung mag überschießende Tendenz haben, führt allerdings nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis, so der BFH. Weiter hebt der BFH hervor, dass es sich nicht eindeutig feststellen lässt, dass der Gesetzgeber mit der Norm allein Sondervergütungen an Gesellschafter erfassen wollte, die der Gewerbesteuer unterliegen. Eine tatbestandliche Reduktion sei daher nicht gerechtfertigt.

Betroffene Normen

§ 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a S. 1 GewStG, § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG

Streitjahr 2016

Anmerkungen

Hintergrund: Sinn und Zweck der relevanten gesetzlichen Vorschriften

Aufgrund der sog. erweiterten Kürzung unterliegen Erträge von Grundstücksunternehmen, soweit sie aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes resultieren, nicht der Gewerbesteuer (vgl. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG). Diese Regelung bezweckt die Gleichstellung von Unternehmen, die nur eine private Vermögensverwaltung betreiben (unabhängig von ihrer Rechtsform). So können auch Unternehmen, die kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen, aber tatsächlich nur Grundstücksverwaltung betreiben, im Rahmen der sog. erweiterten Kürzung von der Gewerbesteuer wieder befreit werden.

Durch den Ausschluss von bestimmten Sondervergütungen von der erweiterten Kürzung (vgl. § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG) sollen Gestaltungen verhindert werden, bei denen ein gewerbesteuerpflichtiger Dritter eine Gesellschafterstellung begründet, damit Zahlungen der Grundstücksgesellschaft an ihn in den Kürzungsumfang einbezogen werden und somit nicht der Gewerbesteuer unterliegen.

Einordnung des o.g. Urteils in die bisherige Rechtsprechung zur erweiterten Kürzung:

  • Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 26.06.2007 (IV R 9/05)

Das o.g. Urteil ist vom BFH-Urteil vom 26.06.2007 (IV R 9/05), welches zu§ 9 Nr. 1 S. 5 GewStG a.F. (nunmehr § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG) ergangen ist, abzugrenzen. Nach § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG kommt die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S 2 GewStG nicht zur Anwendung, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Mit Urteil vom 26.06.2007 hatte der BFH eine teleologische Reduktion des § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG a.F. (nunmehr § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG) bejaht. Nach dem BFH ist § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG a.F. im Wege der teleologischen Reduktion in der Weise einzuschränken, dass die erweiterte Kürzung auch dann zu gewähren, wenn das überlassene Grundstück zwar dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient, dieses den Grundbesitz nutzende Unternehmen jedoch mit allen seinen (positiven wie negativen) Einkünften von der Gewerbesteuer befreit ist. Im oben dargestellten, aktuellen Urteil führt der BFH aus, dass sich diese Grundsätze nicht auf § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG übertragen lassen, da sich im vorliegenden Fall ein hinreichend bestimmter Gesetzeszweck nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit feststellen lässt.

  • Im Einklang mit weiterer Rechtsprechung zur erweiterten Kürzung

Das o.g. Urteil ist im Einklang mit weiterer Rechtsprechung zur erweiterten Kürzung, die sich auch sehr eng am Gesetzeswortlaut orientiert hat und zu als unbillig empfundenen Ergebnissen führen kann, ergangen (vgl. z.B. zur Bagatellgrenze: BFH-Urteil vom 29.06.2022, III R /21, siehe Deloitte Tax-News). Abhilfe kann wohl leider nur durch den Gesetzgeber geleistet werden.

Am 29.06.2023 wurde auch das BFH-Urteil vom 09.03.2023 (IV R 11/20, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen) veröffentlicht. Diese Entscheidung bestätigt - wie bereits deren Vorinstanz (vgl. FG Köln, Urteil vom 25.03.2020, 12 K 1954/18; siehe Deloitte Tax News) - das oben dargestellte Urteil, welches eine teleologische Reduktion des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG ablehnt. Im im Juni 2023 veröffentlichten Streitfall (IV R 11/20) konnte der BFH jedoch nicht entscheiden, ob die Haftungsvergütung der Komplementär-GmbH in die erweiterte Kürzung einzubeziehen ist. Der BFH wies die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das FG zurück. Es geht hier u.a. um die Frage, ob eine sog. Altvereinbarung vorliegt, die Bestandsschutz nach § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a S. 2 GewStG genießt. in diesem Zusammenhang hat der BFH klargestellt, dass es für Zwecke der zeitlichen Anwendungsbestimmung des § 36 Abs. 6a S. 2 GewStG i.d.F. des JStG 2009 bzw. § 9 Abs. 1 S. 5 Nr. 1a S. 2 GewStG in den Fällen, in denen die Vergütungsvereinbarungen vor Begründung der Gesellschafterstellung getroffen worden ist, auf die Begründung der Gesellschafterstellung ankommt.

Vorinstanz

FG Düsseldorf, Urteil vom 03.09.2020, 9 K 3300/18 G,F

Fundstelle

BFH, Urteil vom 09.03.2023, IV R 25/20, BStBl II 2023, S. 836

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 29.06.2022, III R 19/21, BStBl II. 2023, S. 84, siehe Deloitte Tax-News 

Hessisches FG, Urteil vom 29.05.2019, 8 K 291/18

FG Düsseldorf, Urteil vom 18.06.2007, 17 K 923/05 F

BFH, Urteil vom 26.06.2007, IV R 9/05, BStBl. II 2007, S. 893

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