BFH: Keine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags einer Komplementär-GmbH bei fehlender Beteiligung am Gesellschaftsvermögen
Die Beteiligung einer Komplementär-GmbH an einer grundbesitzverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Kommanditgesellschaft (sog. Zebragesellschaft) ist keine Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes. Sie berechtigt daher nicht zur erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, wenn die GmbH am Vermögen der Zebragesellschaft nicht beteiligt ist. Die Komplementär-GmbH nutzt insofern fremden Grundbesitz. Eine Vergütung für die Übernahme der Haftung gilt insofern als Ertrag aus der Verwaltung und Nutzung fremden und nicht eigenen Grundbesitzes.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, errichtete, erwarb, vermietete und verpachtete Liegenschaften und verwaltete in ihrem eigenen Vermögen gehaltene Beteiligungen. Außerdem war sie Komplementärin ohne Kapitalanteil und Vermögensbeteiligung einer nicht gewerblich geprägten KG. Im Jahr 2012 erhielt die Klägerin dafür eine "Haftungsvergütung" von 5 % ihres Stammkapitals. 2013 wurde der Gesellschaftsvertrag der KG dahingehend geändert, dass der Klägerin nun eine "Avalgebühr" oder "Vorabvergütung" von 1 % bezogen auf ihr Stammkapital zustand.
Das Finanzamt versagte die von der GmbH beantragte erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Das FG bestätigte diese Auffassung. Die GmbH sei am Vermögen der KG nicht beteiligt gewesen und habe mit der entgeltlichen Haftungsübernahme für die KG eine der erweiterten Kürzung entgegenstehende Nebentätigkeit ausgeübt.
Entscheidung
Der BFH kommt in Übereinstimmung mit Finanzamt und FG zu dem Ergebnis, dass der GmbH die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht zusteht.
Gesetzliche Grundlagen: erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
Bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder daneben eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder bestimmte Immobilien errichten und veräußern, wird der Gewerbeertrag um den Teil gekürzt, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.
Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundbesitz i.S.d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
Eigener Grundbesitz wird i.S.d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG verwaltet und genutzt, wenn er zum Zweck der Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz eingesetzt wird, also durch Gebrauchsüberlassung in Gestalt von Vermietung und Verpachtung (BFH, Urteile vom 22.10.2020, IV R 4/19 und vom 14.07.2016, IV R 34/13). Eigener Grundbesitz kann auch durch die Nutzung des Absicherungspotentials für fremde Schuld gegen Entgelt eingesetzt werden (BFH, Urteil vom 17.01.2006, VIII R 60/02), sofern die Sicherheitengestellung für fremde Schuld die Grenze zur Gewerblichkeit nicht überschreitet. Zur Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes können auch Bürgschaften und Schuldmitübernahmen zugunsten Dritter zählen, wenn sie ihre Werthaltigkeit nur aus Grundbesitz erfahren und nur aus Grundbesitz realisiert werden können.
Beteiligung einer Komplementär-GmbH an sog. Zebragesellschaft ohne Vermögensbeteiligung
Auch die zur Entstehung einer sog. Zebragesellschaft führende Beteiligung einer nur wegen ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegenden Gesellschaft an einer grundbesitzverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft ist als Form der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes anerkannt (BFH, Beschluss vom 25.09.2018, GrS 2/16). Findet diese Beteiligungskonstellation jedoch ohne Vermögensbeteiligung statt und übernimmt die Kapitalgesellschaft als Komplementärin gegen Entgelt die volle Haftung, verwaltet und nutzt sie nicht nur eigenen Grundbesitz und daneben allenfalls eigenes Kapitalvermögen i.S.d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG.
Ein Unternehmen, das einen Anteil an einer nicht gewerblich geprägten KG, OHG oder GbR hält, verwaltet und nutzt eigenen Grundbesitz i.S.d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG (nur) in dem Umfang, in dem ihm der im Eigentum dieser Gesellschaft stehende Grundbesitz gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO steuerrechtlich als sein Betriebsvermögen zuzurechnen ist.
Beruht das Entgelt für die Übernahme der Komplementärstellung auf dem Gesellschaftsvertrag, handelt es sich deshalb um einen Ertrag aus der Verwaltung und Nutzung fremden Grundbesitzes. Wird das Entgelt aufgrund eines neben den Gesellschaftsvertrag tretenden schuldrechtlichen Vertrags gezahlt (BFH, Urteil vom 07.04.1987, IX R 103/85) und die Haftung für fremde Schuld nicht auf bestimmte Vermögensgegenstände beschränkt, sondern auf das gesamte Vermögen bezogen, wird das "Haftungsentgelt" bzw. die "Avalgebühr" nur dann durch die Nutzung des Absicherungspotentials des Grund- und Kapitalvermögens erzielt, wenn das Vermögen ausschließlich aus Grund- und Kapitalvermögen besteht. Andernfalls liegt keine für die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG erforderliche ausschließliche Nutzung von Grund- und Kapitalvermögen vor, so der BFH.
Nutzung des Absicherungspotentials von Beteiligungsvermögen
Ferner stelle die Nutzung des Absicherungspotentials von Beteiligungsvermögen für fremde Schuld gemäß oder analog § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO keine Nutzung des Sicherungspotentials eigenen Grund- und Kapitalvermögens dar, wenn es sich um Beteiligungen an rein grundbesitzverwaltenden Personengesellschaften handelt. Denn eine Nutzung des Absicherungspotentials von Grundbesitz liege nicht vor, wenn Beteiligungen als Haftungsmasse zur Verfügung gestellt werden.
Schädliche Nebentätigkeit
Liegt ein Verstoß gegen den Ausschließlichkeitsgrundsatz vor, weil durch eine bestimmte Tätigkeit nicht nur eigenes Grund- und Kapitalvermögen verwaltet und genutzt werden, führt dies regelmäßig zum Verlust der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Eine derartige Nebentätigkeit ist nur ausnahmsweise unschädlich, wenn sie zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung ist (BFH, Urteil vom 22.10.2020, IV R 4/19) oder wenn es sich um eine der in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG ausdrücklich erlaubten Tätigkeiten handelt.
Keine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags im Streitfall
Der BFH kommt daher zu dem Ergebnis, dass der GmbH die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht zusteht, unabhängig davon, ob die entgeltliche Haftung aufgrund des Gesellschaftsvertrags erfolgt ist oder ob ein die entgeltliche Haftungsübernahme betreffendes schuldrechtliches Vertragsverhältnis zwischen der GmbH und der KG bestand.
Wenn die GmbH die Haftungsvergütung nur aufgrund des Gesellschaftsvertrags erhalten hat, bezog sie das Entgelt für die Verwaltung und Nutzung fremden Grundbesitzes, denn der Grundbesitz der KG ist gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nur den Gesellschaftern zuzurechnen, die am Betriebsvermögen beteiligt waren. Da die GmbH am Vermögen der KG nicht beteiligt war, wurde das für die Übernahme der Komplementärstellung und der damit verbundenen Haftung gezahlte Entgelt aus dem für die GmbH fremden Grundbesitz erwirtschaftet.
Wurde das Entgelt für die Bereitstellung von Absicherungspotential dagegen aufgrund eines neben den Gesellschaftsvertrag tretenden schuldrechtlichen Vertrags bezogen, hätte es die GmbH gleichfalls nicht ausschließlich aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes und Kapitalvermögens erzielt, denn sie nutzte für Haftungszwecke nicht nur ihr Grund- und Kapitalvermögen, sondern ihr gesamtes Vermögen einschließlich ihres Beteiligungsvermögens.
In beiden Fällen lag keine begünstigungsunschädliche Nebentätigkeit vor. Die Haftungsübernahme war kein zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung, weil die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes der GmbH zu etwa gleichen Bedingungen auch ohne dieses Nebengeschäft hätte durchgeführt werden können. Soweit es um den Grundbesitz im Gesellschaftsvermögen der KG geht, scheidet eine eigene Grundbesitzverwaltung bereits deshalb aus, weil dieser der GmbH mangels Vermögensbeteiligung nicht (anteilig) zuzurechnen ist. Ferner handelt es sich bei beiden Sachverhaltsalternativen um keine in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG ausdrücklich erlaubte Tätigkeiten.
Weiterhin ist zu vernachlässigen, dass die GmbH für die Haftungsübernahme nur eine vergleichsweise geringe Vergütung erhalten hat. Vom Ausschließlichkeitsgebot sind nach der BFH-Rechtsprechung auch in Bagatellfällen keine Ausnahmen wegen Geringfügigkeit oder des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten (BFH, Urteile vom 29.06.2022, III R 19/21 und vom 01.06.2022, III R 3/21).
Betroffene Normen
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
Streitjahre 2012-2015
Anmerkungen
Praxishinweis
In der Praxis kann es gegebenenfalls sinnvoll sein, der Komplementärin zumindest eine geringfügige Beteiligung an der Kommanditgesellschaft einzuräumen, so dass ihr der im Eigentum der KG stehende Grundbesitz anteilig gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO steuerrechtlich als ihr Betriebsvermögen zuzurechnen ist. Damit gilt die Vergütung für die Haftungsübernahme als Ertrag aus der Verwaltung und Nutzung des eigenen – nämlich des zugerechneten – Grundbesitzes und die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG kommt zum Tragen.
Vorinstanz
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14.08.2020, 6 K 200/19
Fundstelle
BFH, Urteil vom 20.04.2023, III R 53/20, BStBl II 2023, S. 933
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 29.06.2022, III R 19/21, BStBl II 2023, S. 84, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 01.06.2022, III R 3/21
BFH, Urteil vom 22.10.2020, IV R 4/19, BStBl. II 2022, S. 87
Großer Senat des BFH, Beschluss des Großen Senats vom 25.09.2018, GrS 2/16, BStBl. II 2019, S. 262, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 14.07.2016, IV R 34/13, BStBl. II 2017, S. 175, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 17.01.2006, VIII R 60/02, BStBl. II 2006, S. 434
BFH, Urteil vom 07.04.1987, IX R 103/85, BStBl. II 1987, S. 707