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19.01.2017
Unternehmensteuer

BFH: Keine Billigkeit bei Mindestbesteuerung aufgrund von Buchgewinnen

Erfolgt nach einer steuerwirksam vorgenommenen Teilwertabschreibung eine steuerwirksame Teilwertaufholung, stellen die dadurch ausgelösten Folgen der Mindestbesteuerung keinen Grund für eine abweichende Steuerfestsetzung im Billigkeitsverfahren dar.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Holdinggesellschaft, hielt in ihrem Anlagevermögen Aktien der A-AG die sie in 2001 und 2003 wertberichtigt hatte. Die aus diesen Teilwertabschreibungen resultierenden Verluste führten zu einer entsprechenden Erhöhung des steuerlichen Verlustvortrags der Klägerin. Im Streitjahr 2006 nahm die Klägerin aufgrund der aktuellen Kursentwicklung der Aktien eine Wertaufholung auf die ursprünglichen Anschaffungskosten vor und erhöhte den Bilanzgewinn.

Das Finanzamt behandelte die Erträge aus der Wertaufholung (nach § 8b Abs. 3 S. 3 2. Alt. KStG) als nicht steuerfrei und berücksichtigte bei der Verlustverrechnung die sog. Mindestbesteuerung, wodurch es im Gewinnjahr nicht zu einer vollständigen Verrechnung des Verlustes kam. Während der hiergegen gerichtete Einspruch ohne Erfolg blieb, bejahte das FG die Herabsetzung der Körperschaftsteuer 2006 aus sachlichen Billigkeitsgründen gem. § 163 AO auf 0 Euro.

Entscheidung

Das Finanzamt habe den Verlustabzug rechtsfehlerfrei nur nach Maßgabe der sog. Mindestbesteuerung (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 2 S. 1 EStG) berücksichtigt. Es sei nicht dazu verpflichtet, die Körperschaftsteuer des Streitjahres aus Billigkeitsgründen auf 0 Euro festzusetzen.

Die sog. Mindestbesteuerung in ihrer Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung des Verlustvortrags verstoße nicht gegen Verfassungsrecht (vgl. BFH-Urteil vom 22.08.2012, BFH-Beschluss vom 26.02.2014, so auch OFD Frankfurt a.M., Vfg. vom 30.03.2016). Für Definitivsituationen, d.h. bei einem endgültigen Ausschluss der Verlustnutzungsmöglichkeit, sei jedoch eine abweichende Würdigung geboten, hier verstoße die Mindestbesteuerung gegen den Gleichheitssatz (BFH-Beschluss vom 26.02.2014). Ein vom Steuerpflichtigen lediglich prognostiziertes Definitivwerden reiche allerdings nicht aus.

Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Festsetzung einer Steuer ist aus (im Streitfall allein streitigen) sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (vgl. BFH-Urteil vom 26.02.2014).

Das FG hat im Streitfall eine sachliche Unbilligkeit der Steuerfestsetzung darin gesehen, dass Aufwand und Ertrag auf demselben Grund beruhten und Teilwertabschreibung und Werterholung wegen der unterschiedlichen Ermittlungsperioden erst im Zusammenhang mit der Mindestbesteuerung eine Steuerschuld auslösten (Besteuerung von per Saldo nicht erzielten Gewinnen, kein Liquiditätszufluss oder Zuwachs an besteuerungswürdiger Leistungsfähigkeit).

Der BFH hat in seinem Beschluss vom 26.02.2014 bereits ausgeführt und begründet, warum bei sog. Definitiveffekten nicht die verfahrensrechtliche Möglichkeit bestehe, im Einzelfall im Wege der Billigkeit eine Steuerfestsetzung in einer Höhe zu erreichen, die einer Nichtanwendung der Mindestbesteuerung entspricht.

Das FG habe übersehen, dass mit dieser Entscheidung des BFH vom 26.02.2014 zugleich eine Entscheidung über die den Streitfall kennzeichnende Konstellation getroffen wurde. Denn wenn eine Billigkeitsentscheidung beim Definitivwerden eines Verlustabzugshindernisses wegen des Eingriffs in den Kernbereich einer Nettoertragsbesteuerung ausgeschlossen sei, betreffe dieser Ausschluss einer Billigkeitsentscheidung erst recht die Situation bei fortbestehender Verlustabzugsmöglichkeit.

Die veranlagungszeitraumbezogene Einkommensermittlung sei zwar im Sinne einer leistungsfähigkeitsgerechten Ertragsbesteuerung durch Regelungen zum sog. periodenübergreifenden Verlustausgleich (§ 10d EStG) abzumildern; die Möglichkeit des periodenübergreifenden Verlustausgleichs begründe aber nicht ihrerseits eine Bedingung der (Ertrags-)Besteuerung in der Weise, dass jene erst dann gerechtfertigt sei, wenn das Steuersubjekt gemessen an der Gesamtdauer seines einkommensbezogenen Tätigwerdens tatsächlich einen Zuwachs wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit erziele. Daher sei es nicht sachgerecht, wenn das FG unter Hinweis auf einen Sachzusammenhang zwischen Teilwertabschreibung und Wertaufholung das Periodizitätsprinzip vollständig ausblende und eine Ermessensreduzierung auf null für einen Billigkeitserlass annehme.

Betroffene Norm
§ 8b Abs. 2 S. 4 KStG, § 10d Abs. 2 EStG
Streitjahr 2006

Vorinstanz
FG Düsseldorf, Urteil vom 02.09.2014, 6 K 3370/09 K, AO, EFG 2015, S. 446, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle
BFH, Urteil vom 21.09.2016, I R 65/14 NV

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 22.08.2012, I R 9/11, BStBl. II 2013, S. 512, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 26.02.2014, I R 59/12, BStBl. II 2014, 1016, siehe Deloitte Tax-News
Oberfinanzdirektion Frankfurt a.M., Verfügung vom 30.03.2016, DB 2016, S. 1048

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