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02.02.2022
Unternehmensteuer

BFH: Kein Zufluss bei gespaltener Gewinnverwendung

Ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nach dem die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden, der auf den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer entfallende Gewinnanteil hingegen nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, ist grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen. Eine solche Einstellung in die gesellschafterbezogene Gewinnrücklage führt auch bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zum Zufluss einer Gewinnausschüttung. 

Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Streitfall war der Kläger geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter einer GmbH. Im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses traf die Gesellschafterversammlung der GmbH einen Beschluss über die Gewinnverwendung dahingehend, dass die Gewinnanteile der Minderheitsgesellschafter an diese ausgeschüttet wurden. Der Gewinnanteil des Klägers wurde hingegen nicht ausgeschüttet, sondern einer personenbezogenen Rücklage zugeführt und thesauriert. Im Jahresabschluss wurde diese Rücklage als Gewinnrücklage im Eigenkapital der GmbH ausgewiesen. Um Beträge aus der personengebundenen Rücklage ausschütten zu können, bedurfte es eines erneuten Ausschüttungsbeschlusses mit einfacher Stimmenmehrheit.

Finanzamt und FG waren der Auffassung, dass dem Kläger bereits mit dem Beschluss über die Einstellung in das persönliche Rücklagenkonto die Gewinnanteile zugeflossen seien. 

Entscheidung

Der BFH kommt dagegen zu der Entscheidung, dass dem Kläger mit der Einstellung seiner anteiligen Gewinne in die personenbezogene Gewinnrücklage mangels einer Gewinnausschüttung keine Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG zugeflossen sind.

Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit gespaltener Gewinnverwendungen

Die Gesellschafter einer GmbH können laut BFH im Rahmen der Gewinnverwendung beschließen, dass nur die Anteile bestimmter Gesellschafter am Gewinn ausgeschüttet werden, während die Anteile anderer Gesellschafter am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen eingestellt werden (sog. gespaltene bzw. inkongruente Gewinnverwendung). Für spätere Ausschüttungen aus einer solchen gesellschafterbezogenen Gewinnrücklage, die als Unterkonto der Gewinnrücklage geführt wird, sei dabei erneut ein Beschluss über die Gewinnverwendung zu fassen. Derart gespaltene Gewinnverwendungen sind laut BFH gesellschaftsrechtlich zulässig, wenn sie nach der Satzung der GmbH möglich sind und die Gesellschafter wirksam einen entsprechenden Beschluss fassen.

Steuerliche Anerkennung gespaltener Gewinnverwendungen

Nach Auffassung des BFH ist ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss über eine solche inkongruente Gewinnverwendung – ebenso wie eine zivilrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommene inkongruente Gewinnausschüttung in Gestalt einer anteilsabweichenden Verteilung des Gewinns (inkongruente Gewinnverteilung) – grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen (vgl. zu inkongruenten Gewinnausschüttungen z.B. BFH-Urteile vom 04.12.2014, IV R 28/11 und vom 13.03.2018, IX R 35/16; vgl. ferner BMF-Schreiben vom 17.12.2013, IV C 2-S 2750-a/11/10001). Auch ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO liege hierbei nicht vor, da die partielle Gewinnthesaurierung der Innen- bzw. Selbstfinanzierung diene und damit auf anzuerkennenden wirtschaftlichen Gründen beruhe.

Kein Zufluss des thesaurierten Gewinnanteils bei Beschluss über gespaltene Gewinnverwendung

Laut BFH führt ein gesellschaftsrechtlich zulässiger und steuerlich anzuerkennender Beschluss über die gespaltene Gewinnverwendung nicht zur Gewinnausschüttung an den Gesellschafter, dessen Anteil am Gewinn thesauriert wird, und insoweit auch nicht zum Zufluss eines Gewinnanteils i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG.

Übertragung auf den Streitfall

Die im streitgegenständlichen Fall beschlossene gespaltene Gewinnverwendung ist aus Sicht des BFH zivilrechtlich wirksam und folglich auch steuerlich anzuerkennen. Dass der Kläger beherrschender Gesellschafter war, stehe der Anerkennung dabei nicht entgegen. Die Einstellung des auf den Kläger entfallenden Anteils am Gewinn in seine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage führe nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 11 Abs. 1 S. 1 EStG. Denn in Höhe des dem Rücklagenkonto zugewiesenen Betrags sei kein konkreter, auszahlbarer Gewinnanspruch des Klägers entstanden. Der Auszahlungsanspruch entstehe vielmehr erst durch den erneuten auf Ausschüttung gerichteten Gewinnverwendungsbeschluss. Da ein solcher für den Kläger nicht gefasst wurde, habe dieser gegen die GmbH keine Forderung erlangt, die er aufgrund seiner beherrschenden Stellung jederzeit hätte realisieren können.

Nach Auffassung des BFH kann der Kläger, trotz seiner Stellung als beherrschender Gesellschafter und obgleich für einen erneuten Gewinnverwendungsbeschluss über die Ausschüttung des thesaurierten Betrags nur eine einfache Stimmenmehrheit erforderlich ist, nicht sicher sein, dass er die Ausschüttung der in seinen Rücklagenkonten thesaurierten Gewinne zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich durchzusetzen vermag. Denn im Verlustfall kann die Realisierung der Ausschüttung aus der personenbezogenen Gewinnrücklage unmöglich werden, so der BFH.

Betroffene Normen

​§ 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, § 11 Abs. 1 S. 1 EStG

Streitjahr 2012

Anmerkung

Soweit ersichtlich hat sich der BFH in dem hier besprochenen Urteil erstmalig mit der Fragestellung befasst, ob die Gewinnanteile eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer diesem bereits mit dem Beschluss über die Einstellung in eine personenbezogene Rücklage zugeflossen sind. Entgegen der Auffassung des FG wurde nun erstmalig höchstrichterlich entschieden, dass es nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG beim beherrschenden Gesellschafter kommt, wenn der dem beherrschenden Gesellschafter zustehende Gewinnanteil im Falle einer inkongruenten Gewinnverwendung nicht wie bei den Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet, sondern auf einem personenbezogenen Rücklagenkonto gutgeschrieben wird.

Vorinstanz

Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 04.07.2019, 10 K 181/17, EFG 2019, S. 1583

Fundstelle

BFH, Urteil vom 28.09.2021, VIII R 25/19

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 13.03.2018, IX R 35/16, BFH/NV 2018, S. 936, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 04.12.2014, IV R 28/11, BFH/NV 2015, S. 495, siehe Deloitte Tax-News 

BMF, Schreiben vom 17.12.2013, IV C 2-S 2750-a/11/10001, BStBl I 2014, S. 63

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