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30.03.2022
Unternehmensteuer

BFH: Gewinnzurechnung aus Realteilung wegen Sperrfristverletzung

Veräußert ein Realteiler seinen Betrieb, in den er die im Rahmen der Realteilung übernommenen wesentlichen Betriebsgrundlagen zum Buchwert übertragen hat, innerhalb der Sperrfrist, ist insoweit rückwirkend der gemeine Wert anzusetzen. Der aufgrund der Aufdeckung der stillen Reserven resultierende Gewinn ist allein dem betreffenden Realteiler zuzurechnen. 

Sachverhalt

A und B waren zu gleichen Teilen an einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis (GbR) beteiligt, die sie im Wege einer (echten) Realteilung zum 30.06.2012 beendet haben. Sie übernahmen die im Rahmen der Realteilung zugeteilten Wirtschaftsgüter jeweils zu Buchwerten in freiberufliche Einzelpraxen, in denen sie ihre ärztliche Tätigkeit nach Auflösung der GbR fortsetzten. Die Auseinandersetzungsvereinbarung enthielt keine Regelungen zu einer Veräußerung oder Entnahme des Gesamthandsvermögens innerhalb der Sperrfrist des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG.

Zum 30.09.2013 veräußerte B seine im Wege der Realteilung entstandene Arztpraxis. Den daraus resultierenden Gewinn wollte er rückwirkend auf den Zeitpunkt der Realteilung nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel verteilt wissen. Das Finanzamt rechnete den Gewinn aus der die Sperrfrist des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG verletzenden Betriebsveräußerung hingegen allein dem B zu.

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass der Aufgabegewinn allein dem die Sperrfrist verletzenden B zuzurechnen ist.

Gesetzliche Grundlagen

Werden im Zuge der Realteilung Grundstücke, Gebäude oder andere wesentliche Betriebsgrundlagen als Einzelwirtschaftsgüter zum Buchwert übernommen und werden diese innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren nach der Übertragung veräußert oder entnommen, so ist gemäß § 16 Abs. 3 S. 3 EStG für den jeweiligen Übertragungsstichtag rückwirkend für das veräußerte bzw. entnommene Wirtschaftsgut der gemeine Wert anzusetzen.

Abgrenzung zu gemeinschaftlich verwirklichter Entnahme

Die Frage der Zurechnung des rückwirkend infolge einer Sperrfristverletzung eines Realteilers entstehenden Gewinns beantwortet der BFH in Abgrenzung zu jenen Fällen, in denen es bereits im Zeitpunkt der Realteilung aufgrund einer gemeinschaftlichen Entnahme eines Wirtschaftsguts durch die Realteilungsgesellschaft zur Gewinnrealisierung und zur Zurechnung dieses Gewinns nach Maßgabe der allgemeinen Gewinnverteilungsquote kommt (vgl. BFH-Urteil vom 16.03.2017, IV R 31/14).

Sperrfristverletzung eines Realteilers

Bei der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen, die nach einer Realteilung zu Buchwerten (§ 16 Abs. 3 S. 2 EStG) als Sperrfristverletzung eines Realteilers i.S. des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG zu beurteilen ist, handelt es sich nach Ansicht des BFH nicht um eine gemeinschaftlich verwirklichte Entnahme der Realteilungsgesellschaft. Die Gewinnrealisierung beruhe vielmehr auf einer der Realteilung zeitlich nachfolgenden Sperrfristverletzung eines Realteilers, die die übrigen ehemaligen Mitunternehmer nicht verhindern können.

Für diesen Fall bestimmt das Gesetz, dass für das veräußerte Wirtschaftsgut nachträglich auf Ebene der Realteilungsgesellschaft der gemeine Wert angesetzt wird, wodurch ein "Mehrgewinn" entsteht. § 16 Abs. 3 S. 3 EStG sieht nach seinem Wortlaut allein den rückwirkenden Ansatz des gemeinen Wertes der betroffenen Wirtschaftsgüter vor, enthält jedoch keine Aussage zur Zurechnung des so entstehenden Gewinns. Die Regelung fingiert auch keine nachträgliche gemeinschaftliche Veräußerung des Wirtschaftsguts auf Ebene der Realteilungsgesellschaft. Vielmehr lässt sie die Zuteilung der Wirtschaftsgüter der Gesellschaft an die Realteiler, die Kapitalkontenanpassung (Buchwerte der Realteiler), die Verlagerung der stillen Reserven auf die Gesellschafter und die Buchwertfortführung für das übrige Betriebsvermögen unberührt (vgl. BMF-Schreiben vom 19.12.2018).

Der BFH kommt nun zu dem Ergebnis, dass der rückwirkend durch eine Betriebsveräußerung entstehende Gewinn gemäß § 16 Abs. 3 S. 8 EStG allein dem die Sperrfrist verletzenden Realteiler zuzurechnen ist.

Vorschrift des § 16 Abs. 3 S. 8 EStG

Nach der Vorschrift des § 16 Abs. 3 S. 8 EStG ist bei Aufgabe eines Gewerbebetriebs, an dem mehrere Personen beteiligt waren, für jeden einzelnen Beteiligten der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter anzusetzen, die er bei der Auseinandersetzung erhalten hat. § 16 Abs. 3 S. 8 EStG stellt eine Sonderregelung für die Ermittlung des Aufgabegewinns bei Mitunternehmerschaften dar. Sie schreibt nach Auffassung des BFH nicht allein den Ansatz des gemeinen Wertes vor, sondern regelt auch die Gewinnzurechnung. Die Norm rechne dem einzelnen Beteiligten im Fall der aufgabebedingten Übernahme von Wirtschaftsgütern unmittelbar das zu, was er tatsächlich erhält. Nur wenn im Rahmen der Betriebsaufgabe überhaupt kein Wirtschaftsgut von einem Beteiligten übernommen wird, sondern alle Wirtschaftsgüter veräußert werden, sei dem einzelnen Beteiligten ein Anteil am Aufgabegewinn nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen. Dementsprechend sei § 16 Abs. 3 S. 8 EStG als spezielle Gewinnzuweisungsnorm zu verstehen, die die Gewinnverteilung vom allgemeinen Gewinnverteilungsmaßstab loslöse.

§ 16 Abs. 3 S. 8 EStG bestimme auch in Bezug auf den "Mehrgewinn", der aus der Verletzung der Sperrfrist gemäß § 16 Abs. 3 S. 3 EStG entsteht, eine vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel abweichende Gewinnzurechnung, wenn ein Realteiler den gesamten Betrieb, in den er die im Rahmen der Realteilung übernommenen wesentlichen Betriebsgrundlagen des ehemaligen Gesamthandsvermögens zum Buchwert übertragen hatte, innerhalb der Sperrfrist veräußert (vgl. auch BMF-Schreiben vom 19.12.2018). Es handele sich hierbei um eine der Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 S. 8 EStG vergleichbare Situation. Der die Sperrfrist verletzende Realteiler sei so zu stellen, als habe er seine unternehmerische Tätigkeit bereits im Zeitpunkt der Realteilung unter Aufdeckung der in den von ihm übernommenen Wirtschaftsgütern des ehemaligen Gesamthandsvermögens ruhenden stillen Reserven aufgegeben. Ihm sei unmittelbar das zuzurechnen, was er im Rahmen der Realteilung erhalten hat.

Zu einer Gewinnzurechnung nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels komme es nur dann, wenn sich aus einer steuerlich anzuerkennenden Vereinbarung der Realteiler eine abweichende Gewinnzurechnung ergibt.

Ermittlung des Gewinns aus der Sperrfristverletzung

Um den Gewinn aus der Sperrfristverletzung zu ermitteln, sei den für die sperrfristverhafteten Wirtschaftsgüter nachträglich anzusetzenden gemeinen Werten das Kapitalkonto des Realteilers gegenüberzustellen, wie es sich auf Grundlage der Kapitalkontenanpassung ergeben hat. Der die Sperrfrist verletzende Gesellschafter versteuere damit jene stillen Reserven, die er einerseits im Zuge der Realteilung übernommen und andererseits selbst durch sein Verhalten realisiert hat.

Betroffene Normen

§ 16 Abs. 3 S. 3 EStG, § 16 Abs. 3 S. 8 EStG​

Streitjahr 2012​​

Anmerkungen

Einordnung in die bisherige Rechtsprechung

Der hier besprochenen Entscheidung des VIII. Senats steht seiner Ansicht nach die bisherige BFH-Rechtsprechung nicht entgegen. In dem Urteil vom 16.03.2017, IV R 31/14, hat sich der IV. Senat des BFH nicht zur Frage der Zurechnung des aus der Sperrfristverletzung resultierenden Aufgabegewinns geäußert. Seine Aussage, der auf der Ebene der Gesellschaft entstehende Aufgabegewinn sei den einzelnen Realteilern entsprechend der allgemeinen Gewinnverteilungsquote zuzurechnen, stehe in Zusammenhang mit der Zurechnung des Aufgabegewinns, der aus der Aufdeckung stiller Reserven durch die Realteilungsgesellschaft gemäß § 16 Abs. 3 S. 7 EStG entsteht.

Auch aus der Formulierung im Urteil vom 30.03.2017, IV R 11/15, nach der die für die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Realteilung geltenden besonderen Bedingungen allein in § 16 Abs. 3 S. 3 und 4 EStG geregelt sind, folge nicht, dass eine vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel abweichende, auf die Anwendung des § 16 Abs. 3 S. 8 EStG gestützte Zurechnung des Gewinns gemäß § 16 Abs. 3 S. 3 EStG in den Fällen der Betriebsveräußerung während der Sperrfrist ausgeschlossen ist.

Vom BFH offen gelassene Fragestellungen

Im Streitfall konnte dahinstehen, ob es sich bei dem nach einer echten Realteilung aufgrund einer Sperrfristverletzung i.S. des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG entstehenden Gewinn um einen (ggf. nicht begünstigten) Aufgabegewinn der Gesellschaft gemäß § 16 Abs. 3 S. 1 EStG oder aber einen laufenden Gewinn auf der Gesamthandsebene handelt; denn der aus der Sperrfristverletzung resultierende Gewinn war bestandskräftig auf der Ebene der Gesellschaft als Aufgabegewinn festgestellt worden.

Auch die Frage, ob der aus der Verletzung der Sperrfrist gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG resultierende Gewinn nicht nur im (streitgegenständlichen) Fall der Betriebsveräußerung, sondern stets nach Maßgabe des § 16 Abs. 3 S. 8 EStG abweichend vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen ist, sofern die Beteiligten keine abweichende Zurechnung in der Realteilungsvereinbarung bestimmt haben, lässt der BFH offen.

Vertragliche Regelung

Der hier besprochene Fall zeigt einmal mehr, wie hilfreich vertragliche Regelungen sein können. Hätte die Auseinandersetzungsvereinbarung im Streitfall eine Regelung zu einer Veräußerung oder Entnahme des Gesamthandsvermögens innerhalb der Sperrfrist des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG enthalten, wäre den Beteiligten der Rechtsweg erspart geblieben.

Vorinstanz

​Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11.04.2019, 1 K 1280/15

Fundstelle

BFH, Urteil vom 23.11.2021, VIII R 14/19, BStBl. II 2022, S. 371

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 16.03.2017, IV R 31/14, BStBl. II 2019, S. 24, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 30.03.2017, IV R 11/15, BStBl. II 2019, S. 29, siehe Deloitte Tax-News 

BMF, Schreiben vom 19.12.2018, IV C 6-S 2242/07/10002, BStBl. I 2019, S. 6​ 

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