BFH: Gewerbliche Tätigkeit bei nachhaltigem Ankauf notleidender Darlehensforderungen
Der nachhaltige Ankauf von notleidenden Darlehensforderungen nebst Sicherungsrechten begründet nicht ohne Weiteres die Annahme einer originär gewerblichen Tätigkeit des Forderungskäufers. Ob seine Tätigkeit die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschreitet, ist im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen. Bei einem Forderungskäufer kommt es für die Nachhaltigkeit der Tätigkeit nicht auf die Verwertungs-, sondern auf die Beschaffungsseite an.
Sachverhalt
Gegenstand des Unternehmens der A-GmbH & Co. KG war der Ankauf von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, Wertpapieren und sonstigen Kapitalanlagen aller Art sowie deren Vermietung, Verpachtung und Verwaltung ihres eigenen Vermögens.
In den Jahren 2004 bis 2006 kaufte die A-GmbH & Co. KG von mehreren Banken notleidende Darlehensforderungen unter Nennwert an oder löste Darlehensforderungen durch Zahlung einer unter Nennwert der Gesamtforderungen liegenden Summe gegen Freigabe diverser Sicherheiten ab. Schuldner der jeweils erworbenen Forderungen waren in den fünf vollzogenen Vorgängen entweder E (privates Näheverhältnis zur A-GmbH & Co. KG) persönlich oder eine Gesellschaft, an der E beteiligt war.
Die Finanzierung der Forderungskaufpreise und Ablösesummen erfolgte zum großen Teil fremdfinanziert.
Im Folgenden flossen der A-GmbH & Co. KG unregelmäßig Einnahmen aus den abgetretenen Forderungen sowie den zur Sicherung abgetretenen Vermögensansprüchen zu. Darüber hinaus erfolgten auch unregelmäßig Zinszahlungen auf die erworbenen Forderungen.
Für die Überwachung der Zahlungen und Ansprüche aus den abgetretenen Vermögensrechten unterhielt die A-GmbH & Co. KG keine eigenen Büroräume oder eigene Angestellte. Keine der abgelösten bzw. erworbenen Forderungen wurde in den Folgejahren verkauft. Die A-GmbH & Co. KG entfaltete keine Mahnungs- oder Vollstreckungstätigkeit gegenüber den jeweiligen Schuldnern der abgelösten Forderungen.
Im Streitjahr 2008 erzielte sie einen Erlös aus der Verwertung einer Sicherheit, in deren Verwertungsprozess sie keine aktive Rolle einnahm.
Das Finanzamt setzte hierfür einen Gewerbesteuermessbetrag fest. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage mit der Begründung statt, die Tätigkeit der A-GmbH & Co. KG habe nicht den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten.
Entscheidung
Der BFH schließt sich der Auffassung des FG an, dass die A-GmbH & Co. KG keine Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen erzielt habe.
Gesetzliche Grundlage
Nach § 15 Abs. 2 S. 1 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (…).
Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist nach der BFH-Rechtsprechung, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet (BFH, Beschluss vom 25.06.1984, GrS 4/82; ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 31.05.2007, IV R 17/05, vom 11.10.2012, IV R 32/10 und vom 19.01.2017, IV R 50/14).
Merkmal der Nachhaltigkeit
Eine Tätigkeit ist regelmäßig nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist, also eine Wiederholungsabsicht in der Weise besteht, dass weitere Geschäfte geplant sind (BFH-Urteile vom 19.02.2009, IV R 10/06, vom 22.07.2010, IV R 62/07 und vom 14.09.2017, IV R 34/15). Abzustellen ist für die Nachhaltigkeit auf die Geschäfte, die die gewerbliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausmachen.
Beim Forderungskäufer ist die Beschaffungsseite relevant
So kommt es beim Händler auf ein wiederholtes Tätigwerden auf der Absatzseite an, nicht auf der Beschaffungsseite an (BFH-Urteil vom 09.12.2002, VIII R 40/01). Bei einem Forderungskäufer hingegen ist nicht auf die Verwertungsseite, sondern auf die Beschaffungsseite abzustellen, da die entscheidende Tätigkeit der Ankauf von (ggfs. gesicherten) Forderungen ist. Die Wiederholungsabsicht muss sich daher darauf beziehen, wiederholt (d.h. mindestens mit zwei getrennten Erwerbsgeschäften) Forderungen zu erwerben. Der Erwerb mehrerer Forderungen in einem einzigen Vertrag ist danach grundsätzlich nicht nachhaltig.
Auf die Absatzseite kann es bei der Beurteilung der Tätigkeit eines Forderungskäufers nicht ankommen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit nicht auf den Umschlag von Sachwerten gerichtet ist, wobei weder die Einziehung von Forderungen bei Fälligkeit noch die Verwertung von Sicherheiten eine Veräußerung darstellt (BFH-Urteil vom 14.09.2017, IV R 34/15).
Die A-GmbH & Co. KG hat in einem Zeitraum von Dezember 2004 bis Oktober 2006 sechs selbständige Kauf- oder Ablöseverträge mit verschiedenen Altgläubigern geschlossen hat, von denen fünf Verträge vollständig und ohne Leistungsstörungen abgewickelt wurden. Somit sei das FG zurecht von einer nachhaltigen Tätigkeit ausgegangen.
Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb nicht überschritten
Ebenfalls wurde die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb nicht überschritten. Dies wäre der Fall, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Beschluss vom 10.12.2001, GrS 1/98). "Die Vermögensverwaltung" wird in § 14 S. 3 AO nicht abschließend definiert; sie wird in der BFH-Rechtsprechung letztlich negativ danach bestimmt, "ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht" (BFH-Urteil vom 19.01.2017, IV R 50/14).
Nach der Rechtsprechungstradition ist das "Bild des Gewerbebetriebs" durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu konturieren. Dazu gehören die selbständig und nachhaltig ausgeübten Tätigkeiten der Produzenten, Dienstleister und Händler (BFH-Urteile vom 15.03.2005, X R 39/03, vom 19.01.2017, IV R 50/14 und vom 11.10.2012, IV R 32/10).
Kein gewerblicher Dienstleister
Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit der A-GmbH & Co. KG nicht der eines gewerblichen Dienstleisters ähnelt, weil sie nicht für Andere tätig geworden ist. Sie hat das komplette Ausfallrisiko in Bezug auf die erworbenen Forderungen getragen. In Abgrenzung zum sog. echten Factoring standen Dienstleistungselemente standen Dienstleistungselemente nicht im Vordergrund ihrer Tätigkeit.
Kein Forderungshändler
Darüber hinaus ist die A-GmbH & Co. KG nicht als Forderungshändlerin tätig geworden, da sie die Forderungen zwar erworben, nicht aber weiterveräußert hat. Die Ankäufe der Forderungen und Sicherungsrechte waren durch die private Nähebeziehung zu den Forderungsschuldnern motiviert, wodurch sich das persönliche, zum Teil familiäre Umfeld dem Bild eines Gewerbetreibenden, der sich regelmäßig mit seiner Leistung auf einem breiten Markt bewegt, widerspricht. Im Streitfall fehlt es an einem händlertypischen Umschlag der erworbenen Forderungen, weil die notleidenden Forderungen nebst Sicherheiten zwar erworben, aber nicht weiterveräußert wurden. Ferner hat sich die A-GmbH & Co. KG nach dem Erwerb der Forderungen weder aktiv um die Forderungsrealisierung bemüht noch für die Überwachung ihrer Zahlungsansprüche eigene Mitarbeiter beschäftigt oder eigene Büroräume unterhalten. Dies zeigt nicht nur, dass sie gänzlich anders agiert hat als ein Inkassounternehmen, sondern auch, dass ihre Tätigkeit durch die private Nähebeziehung zum Forderungsschuldner E beeinflusst war.
Erhalt von Tilgungs- und Zinsleistungen lässt nicht auf Gewerblichkeit schließen
Ferner kann nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die A-GmbH & Co. KG nachhaltig zahlungsgestörte Darlehensforderungen nebst Sicherungsrechten erworben und im Anschluss hieran Tilgungs- oder Zinsleistungen bzw. Zahlungen aus der Verwertung von Sicherungsrechten erhalten hat, eine gewerbliche Tätigkeit angenommen werden. Denn die Tätigkeit kann nicht unabhängig von den konkreten Umständen des Streitfalls als gewerblich angesehen werden.
Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Fruchtziehung in Gestalt von Zinsen aus Kapitalnutzung beim Erwerb zahlungsgestörter Darlehensforderungen regelmäßig nicht im Vordergrund steht. Ist die Tätigkeit des Forderungskäufers nicht auf den Verkauf der Forderungen ausgerichtet, zielt sie vor allem auf eine Anspruchsrealisierung. Auch wenn im Zeitpunkt des Forderungserwerbs Zinszahlungen, Tilgungsleistungen und Erträge aus der Verwertung von Sicherheiten ungewiss sind, geht die Erwartung des Käufers dahin, dass es neben etwaigen Zinszahlungen zu Teil(rück)zahlungen und Erlösen kommt, diese seine Anschaffungskosten übersteigen. Dass sich die Fruchtziehung nicht in einem laufenden Ertrag charakterisiert, sondern in der Differenz zwischen Kaufpreis und Teilrückzahlung bzw. Ertrag aus der Verwertung, führt nicht zur Annahme eines Gewerbebetriebs. Denn die Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Ertragserwartung in der Anspruchsrealisierung liegt (BFH-Urteil vom 11.10.2012, IV R 32/10).
Verklammerungsrechtsprechung
Aus der sog. Verklammerungsrechtsprechung folgt ebenfalls kein anderes Ergebnis. Insbesondere stützt diese nicht den Schluss, die Annahme einer vermögensverwaltenden Tätigkeit scheide im Streitfall aus, weil die Umschichtung von Vermögenswerten gegenüber der Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund trete. Dies gilt ungeachtet dessen, dass sich aus der Gegenüberstellung von Zinseinnahmen und Finanzierungskosten ergibt, dass hieraus keine Überschüsse erzielt wurden. Denn es fehlt an einem Geschäftskonzept der A-GmbH & Co. KG, das darin besteht, (zahlungsgestörte) Forderungen zu kaufen, zwischenzeitlich zu halten und zu verkaufen, wobei bereits bei Aufnahme der Tätigkeit festgestanden hat, dass sich das erwartete positive Gesamtergebnis nur unter Einbeziehung des Erlöses aus dem Verkauf der Forderungen erzielen lässt (BFH-Urteil vom 28.09.2017, IV R 50/15).
Fremdfinanzierung führt nicht zu Gewerblichkeit
Dass die Forderungserwerbe überwiegend fremdfinanziert waren, führt ebenfalls nicht zur Annahme einer Gewerblichkeit. Zwar wird der Einsatz erheblicher Fremdmittel beim Handel mit physischem Gold als Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit angesehen, weil sich infolge der Ertraglosigkeit des Anlageobjekts die Fremdkapitalkosten allein durch den Verkauf und das Erzielen einer Gewinnmarge decken ließen (BFH-Urteil vom 19.01.2017, IV R 50/14). Diese Überlegungen sind auf die Tätigkeit der A-GmbH & Co. KG nicht übertragbar, weil diese ihre Fremdkapitalkosten nicht aus dem Verkauf der Forderungen decken wollte, sondern auf eine (teilweise) Forderungsrealisierung hoffte. Daher kommt es für die Abgrenzung von privater Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb hier nicht darauf an, ob sie erwarten konnte, die Fremdkapitalkosten durch Zinserträge decken zu können.
Höhe des Auftragsvolumens ist irrelevant
Auch die Höhe des Anlagevolumens und dementsprechend auch die Höhe des Nennbetrags der erworbenen Darlehensforderungen stellt nach Ansicht des BFH auch wegen ihrer Unbestimmtheit kein geeignetes Abgrenzungskriterium dar, zumal der Nennbetrag einer zahlungsgestörten Forderung wenig über Umfang und Risiko des Forderungskaufs aussagt.
Betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 GewStG, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, § 15 Abs. 2 S. 1 EStG
Streitjahr: 2008
Vorinstanz
Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.03.2021, 6 K 6322/17
Fundstelle
BFH, Urteil vom 30.11.2023, IV R 10/21
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 05.09.2023, IV R 24/20
BFH, Urteil vom 06.06.2019, IV R 30/16, BStBl. II 2020, 649
BFH, Urteil vom 28.09.2017, IV R 50/15, BStBl. II 2018, S. 89, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 14.09.2017, IV R 34/15
BFH, Urteil vom 08.06.2017, IV R 30/14, BStBl. II 2017, S. 1061, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 19.01.2017, IV R 50/14 BStBl. II 2017, S. 456, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 11.10.2012, IV R 32/10, BStBl. II 2013, S. 538, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 22.07.2010, IV R 62/07
BFH, Urteil vom 19.02.2009, IV R 10/06, BStBl. II 2009, S. 533
BFH, Urteil vom 31.05.2007, IV R 17/05, BStBl. II 2007, S. 768
BFH, Urteil vom 15.03.2005, X R 39/03, BStBl. II 2005, S. 817
BFH, Urteil vom 15.04.2004, IV R 54/02, BStBl. II 2004, S. 868
BFH, Urteil vom 09.12.2002, VIII R 40/01, BStBl. II 2003, S. 294
BFH, Beschluss vom 10.12.2001, GrS 1/98, BStBl. II 2002, S. 291
BFH, Urteil vom 20.12.2000, X R 1/97, BStBl. II 2001, S. 706
BFH, Urteil vom 29.10.1998, XI R 80/97, BStBl. II 1999, S. 448
BFH, Beschluss vom 25.06.1984, GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 751