BFH: Gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 4 GewStG bei sog. Drittanstellung von Geschäftsführern
Das unmittelbare Anstellungsverhältnis der Geschäftsführer bei einer KGaA (sog. Drittanstellung) steht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung der Aufwendungen für die Geschäftsführung nach § 8 Nr. 4 GewStG nicht entgegen, wenn der persönlich haftenden Gesellschafterin der KGaA satzungsgemäß ein entsprechender Ersatzanspruch zusteht. Dies gilt auch für den Fall einer GmbH & Co. KG als persönlich haftende Gesellschafterin einer KGaA, deren Komplementärin eine GmbH ist, die zur Geschäftsführung befugt ist. Unerheblich ist auch, ob eine Kürzung nach § 9 Nr. 2b GewStG auf Ebene der persönlich haftenden Gesellschafterin tatsächlich zu keiner steuerlichen Berücksichtigung des Aufwands führt.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine gewerblich tätige Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Komplementärin der KGaA ist eine GmbH & Co. KG (KG), die nicht am Kapital der Klägerin beteiligt ist. Komplementärin der KG ist die S-GmbH ohne Kapitalanteil. Die KG ist wiederum an der S-GmbH zu 100% beteiligt. Kommanditisten der KG sind K, R und H, die zugleich Kommanditaktien an der KGaA hielten.
Die KGaA schloss mit K, R, H und L (kein Kommanditist der KG) jeweils einen unmittelbaren Anstellungsvertrag als Geschäftsführer (sog. Drittanstellung). Bei L handelte es sich um einen Fremdgeschäftsführer. Die Vergütungen für die Geschäftsführungstätigkeit erhielten K, R und H unmittelbar von der KGaA, die auch den Lohnsteuer-Abzug durchführte. K, R, H und L waren zugleich Geschäftsführer der S-GmbH.
Laut Satzung der KGaA bestand ein Ersatzanspruch der KG gegenüber der KGaA dahingehend, dass Aufwendungen der KG für die Geschäftsführung von der KGaA zu erstatten waren.
In den streitigen Erhebungszeiträumen wurden die Geschäftsführervergütungen nach § 8 Nr. 4 GewStG teilweise dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet. Die KGaA begehrte allerdings in ihrer Klage, dass die Vergütungen insgesamt nicht mehr nach § 8 Nr. 4 GewStG hinzuzurechnen seien, da das unmittelbare Anstellungsverhältnis der Geschäftsführer bei der KGaA (sog. Drittanstellung) der Anwendung von § 8 Nr. 4 GewStG entgegensteht. Zudem würde eine gewerbesteuerliche Doppelbesteuerung eintreten, da eine Kürzung nach § 9 Nr. 2b GewStG auf Ebene der KG mangels ausreichenden Gewerbeertrags ins Leere laufen würde.
Finanzamt und Finanzgericht vertraten die Auffassung, dass sich die Zurechnung nach § 8 Nr. 4 GewStG auf sämtliche Vergütungen an die persönlich haftende Gesellschafterin erstrecken müsse. Dies gelte auch für den Fall der sog. Drittanstellung und auch unabhängig davon, ob der Geschäftsführer als Kommanditist an der KG beteiligt ist (K,R,H) oder ob es sich um einen Fremdgeschäftsführer (L) handelt.
Entscheidung
Der BFH schließt sich dem FG an und stellt klar, dass bei der Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb der KGaA sämtliche im Zusammenhang mit der Geschäftsführung angefallenen Vergütungen an ihre persönlich haftende Gesellschafterin (KG) nach § 8 Nr. 4 GewStG hinzuzurechnen sind.
Gesetzliche Grundlagen
Zur Geschäftsführung einer GmbH & Co. KGaA ist grundsätzlich der persönlich haftende Gesellschafter berufen (im Streitfall also die KG) (vgl. § 278 Abs. 2 AktG).
Nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG sind bei einer KGaA der Teil des Gewinns, der an persönlich haftende Gesellschafter auf ihre nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen oder als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt wird, abziehbare Aufwendungen für Zwecke der Körperschaftsteuer. Mit dieser Vorschrift wird die Doppelbesteuerung der Geschäftsführervergütung mit Körperschaftsteuer (auf Ebene der KGaA) und Einkommensteuer (auf Ebene der Geschäftsführer) vermieden.
Nach § 8 Nr. 4 GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Gewinnanteile, die an persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA auf ihr nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen oder als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt worden sind, wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung stellt dabei sicher, dass dieser Gewinnanteil (auf Ebene der KGaA) der Gewerbesteuer unterliegt.
Nach § 9 Nr. 2b GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um die nach § 8 Nr. 4 GewStG dem Gewerbeertrag einer KGaA hinzugerechneten Gewinnanteile gekürzt, wenn sie bei der Ermittlung des Gewinns angesetzt worden sind. Mit dieser Vorschrift soll wiederum eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung vermieden, die eintreten könnte, wenn die Beteiligung des persönlich haftenden Gesellschafters zum Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens gehört oder der persönlich haftende Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft ist.
Alle Arten von Geschäftsführervergütungen
Der BFH beruft sich auf seine bisherige Rechtsprechung und führt Folgendes aus: Gewinnanteile, die i.S.d. § 8 Nr. 4 GewStG an die persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA als Vergütung für die Geschäftsführung verteilt werden, sind alle Arten von Vergütungen, die diese als Gegenleistung für ihre Geschäftsführertätigkeit erhalten (vgl. BFH-Urteile vom 08.02.1984, I R 11/80 und vom 31.10.1990, I R 32/86).
Nach bisheriger Rechtsprechung ist die Vorschrift § 8 Nr. 4 GewStG auch unabhängig davon anzuwenden, ob der persönlich haftende Gesellschafter mit seinen Einkünften aus der KGaA selbst der Gewerbesteuer unterliegt (vgl. BFH-Urteile von 06.10.2009, I R 102/06).
Aufwendungen für Fremdgeschäftsführer
Aufwendungen, die einem persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA entstehen, weil er die ihm übertragenen Geschäftsführungsaufgaben von anderen Personen (Fremdgeschäftsführern) wahrnehmen lässt, mindern die Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 4 GewStG ebenfalls nicht ((vgl. BFH-Urteil vom 31.10.1990, I R 32/86).
Anwendung auf den Streitfall
Gesetzliche und satzungsgemäße Berufung der Geschäftsführer
Nach dem BFH sind die Geschäftsführer K, R, H und L bereits aufgrund gesetzlicher Regelung und satzungsgemäß mittelbar über die KG und die S GmbH zur Geschäftsführung der KGaA berufen worden. Geschäftsführer der KGaA ist der persönlich haftende Gesellschafter (hier: KG). Die KG wird von ihrer Komplementärin, der S GmbH, vertreten. Die S GmbH wird wiederum durch ihre Geschäftsführer K, R, H und L vertreten.
Keine Aufhebung durch Anstellungsvertrag
Dem steht nach dem BFH die Übertragung der Geschäftsführung durch Anstellungsvertrag nicht entgegen, da der KG als persönlich haftender Gesellschafterin der KGaA satzungsgemäß auch ein Ersatzanspruch für die ihr mit der Geschäftsführung entstehenden Aufwendungen zugestanden hätte. Die Geschäftsführer üben damit faktisch und wirtschaftlich ihre Tätigkeit für Rechnung der KG, vertreten durch die S GmbH, aus. Das unmittelbare Anstellungsverhältnis der Geschäftsführer bei der KGaA stelle sich wirtschaftlich gesehen als Abkürzung des Zahlungsweges hinsichtlich des Ersatzanspruchs der KG gegenüber der KGaA dar.
Für Zwecke des § 8 Nr. 4 GewStG kann, so der BFH, nicht auf den einzelnen Geschäftsführer (nicht beteiligter Fremdgeschäftsführer (L) vs. Beteiligte Geschäftsführer (K,R,H)) abgestellt und eine Hinzurechnung teilweise ausgeschlossen werden, da nur die juristische Person als persönlich haftende Gesellschafterin zur organschaftlichen Vertretung der KGaA berufen ist.
Da der BFH bereits entschieden habe (vgl. BFH-Urteil vom 31.10.1990, I R 32/86), dass Aufwendungen, die einer Komplementär-GmbH dadurch entstehen, dass sie die Geschäftsführung der KGaA nur durch Fremdgeschäftsführer ausüben kann, eine Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 4 GewStG nicht hindern, könne im Streitfall für den Fall einer GmbH & Co. KG als persönlich haftende Gesellschafterin einer KGaA, deren Komplementärin eine GmbH ist, die zur Geschäftsführung befugt ist, nichts anderes gelten.
Auch die lohnsteuerliche Behandlung der Geschäftsführervergütungen sei aus gewerbesteuerlicher Sicht unbeachtlich.
Keine teleologische Reduktion des § 8 Nr. 4 GewStG
Nach dem BFH werde eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung durch § 9 Nr. 2b GewStG vermieden. Darüber hinaus sei keine teleologische Reduktion des § 8 Nr. 4 GewStG dahingehend, dass die Vorschrift immer dann keine Anwendung finden dürfte, wenn eine Kürzung nach § 9 Nr. 2b GewStG auf Ebene des persönlich haftenden Gesellschafters tatsächlich zu keiner steuerlichen Berücksichtigung des Aufwands führen würde, angezeigt.
Denn das Konzept der Hinzurechnung und Kürzung von Gewinnanteilen bei der KGaA und ihrem persönlich haftenden Gesellschafter trägt dem Leistungsfähigkeitsprinzip hinreichend Rechnung und sei deshalb nicht verfassungswidrig (vgl. BFH-Urteil vom 06.10.2009, I R 102/06).
Betroffene Normen
§ 8 Nr. 4 GewStG, § 9 Nr. 2b GewStG, § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG
Streitjahre 2011 und 2012
Anmerkung
Drittanstellung
Bei einer sog. Drittanstellung wird das Anstellungsverhältnis von der organschaftlichen Bestellung des Geschäftsführers beim Komplementär getrennt. Der Anstellungsvertrag wird in diesem Fall unmittelbar zwischen dem Geschäftsführer des Komplementärs und der KGaA abgeschlossen und die Geschäftsführervergütung vollständig bzw. teilweise von dieser bezahlt. Über eine Drittanstellung können sowohl Fremdgeschäftsführer (im Streitfall: L) als auch an der Komplementär beteiligte Geschäftsführer (im Streitfall: K,R,H) beschäftigt sein.
Vorinstanz
FG München, Urteil vom 20.02.2020, 13 K 1151/17
Fundstelle
BFH, Urteil vom 14.09.2022, I R 13/20, BStBl II 2023, S. 913
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 07.12.2011, I R 5/11
BFH, Urteil vom 06.10.2009, I R 102/06, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 31.10.1990, I R 32/86, BStBl II 1991, S. 253
BFH, Urteil vom 08.02.1984, I R 11/80, BStBl II 1984, S. 381