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01.06.2023
Unternehmensteuer

BFH: Fremdübliche Verzinsung einer Darlehensforderung

Der Verzicht auf eine angemessene Verzinsung einer auf einem Gesellschafterverrechnungskonto verbuchten Darlehensforderung einer GmbH kann zu einer vGA führen. Sind keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung der fremdüblichen Zinsen erkennbar, ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen (sog. Margenteilung). 

Sachverhalt

An einer GmbH (Klägerin) ist zu 60 % der auch als Geschäftsführer bestellte A beteiligt. Auf einem von der GmbH geführten Gesellschafterverrechnungskonto ergab sich in den Streitjahren 2014 und 2015 eine Darlehensforderung zugunsten der GmbH. Eine Verzinsung erfolgte nicht.

Das Finanzamt setzte eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an, die es mit einem fremdüblichen Zinssatz von 4,5 % bewertete. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos.

Entscheidung

Der BFH hat gegen die Bewertung der vGA nichts einzuwenden.

Vorliegen einer vGA

Gewährt eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter ein Darlehen, kommt der Ansatz einer vGA in Betracht, wenn der Kredit zinslos oder zu einem unangemessen niedrigen Zins gewährt wird. Davon kann insbesondere auszugehen sein, wenn die Gesellschaft für den bei ihr angestellten Gesellschafter ein unangemessen verzinstes Verrechnungskonto führt, das einen Saldo zugunsten der Gesellschaft ausweist (BFH, Urteil vom 23.06.1981, VIII R 102/80 und Beschlüsse vom 16.12.1999, I B 115/97 und vom 05.04.2004, X B 130/03).

Im Streitfall kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass eine vGA vorlag. Das Verrechnungskonto, das einen Saldo zugunsten der GmbH aufwies, war in den Streitjahren unverzinst geblieben.

Ungeachtet des Umstands, dass in den Streitjahren ein Niedrigzinsniveau herrschte und im Falle der Geldanlage bei Banken sogar "Strafzinsen" drohten, ist aus Sicht der darlehensgebenden GmbH von einer verhinderten Vermögensmehrung auszugehen, so der BFH. Denn der bankübliche Habenzins, der tatsächlich in den Streitjahren nahezu bei Null lag, sei nicht der alleinige Maßstab für die Fremdvergleichsprüfung. Die Tatsache, dass die GmbH keine Bankgeschäfte betreibt und deshalb auch nicht den damit verbundenen Aufwand hat, führe nicht dazu, dass der Sollzinssatz als Fremdvergleichsmaßstab ausscheidet und sich die Schätzung allein am Habenzinssatz zu orientieren hätte. Vielmehr sei dann grundsätzlich nicht allein auf den banküblichen Sollzinssatz abzustellen, sondern ein darunter liegender, sich zwischen Haben- und Sollzinssatz bewegender Zinssatz heranzuziehen.

Bestimmung des angemessenen (fremdüblichen) Zinses:

Preisvergleichsmethode

Zur Bestimmung des angemessenen (fremdüblichen) Zinses ist vorrangig die Preisvergleichsmethode anzuwenden, weil diese Methode unmittelbar zur Feststellung des Vergleichspreises führt und daher als Grundmethode zur Bestimmung angemessener (Verrechnungs-)Preise anzusehen ist; Fremdpreis ist der Zins, zu dem Fremde unter vergleichbaren Bedingungen den Kredit am Geld- oder Kapitalmarkt gewährt hätten (BFH, Urteil vom 18.05.2021 - I R 4/17).

Margenteilungsgrundsatz

Für Fälle, in denen eine Gesellschaft für den bei ihr angestellten Gesellschafter ein unangemessen verzinstes Verrechnungskonto führt, wird zur Bemessung des angemessenen Zinssatzes der als "Margenteilungsgrundsatz" bezeichneten Erfahrungssatz als sachgerecht anerkannt. Bei Kreditgeschäften zwischen einer Kapitalgesellschaft, die selbst keine Bankgeschäfte betreibt und als privater Darlehensgeber agiert, und ihrem Gesellschafter als privatem Darlehensnehmer berechnet sich die für den Ansatz einer vGA erforderliche verhinderte Vermögensmehrung nach den in Rechnung gestellten Sollzinsen, wenn und soweit davon ausgegangen werden kann, dass der dem Gesellschafter zinslos überlassene Darlehensbetrag anderenfalls zur Kreditrückzahlung verwendet worden wäre. Hat die Gesellschaft selbst keinen Kredit aufgenommen, bilden die banküblichen Habenzinsen die Unter- und die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze der verhinderten Vermögensmehrung. Der im Einzelfall maßgebliche Betrag innerhalb der genannten Marge ist durch Schätzung zu ermitteln, wobei dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, besondere Bedeutung zukommt. In der Regel ist der Ansatz der Sollzinsen dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesellschaft keine Bankgeschäfte betreibt und deshalb auch nicht den damit verbundenen Aufwand hat. Sind keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar, ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen (BFH, Urteile vom 28.02.1990, I R 83/87, vom 19.01.1994, I R 93/93 und vom 22.10.2003, I R 36/03).

Kein Widerspruch zur sog. Bandbreitenrechtsprechung

Ein Widerspruch zur sog. Bandbreitenrechtsprechung liegt nach Ansicht des BFH nicht vor. Denn der sich aus der Margenteilung ergebende "Mittelwert" ist aus Fremdvergleichen (bankübliche Haben- und Sollzinssätze) abgeleitet (BFH, Urteil vom 17.01.2001, I R 103/00). Die Teilung der Marge selbst beruhe auf einer Beobachtung des Wirtschaftslebens und damit auf einem Erfahrungssatz, den der BFH als fremdübliches Verhalten auch für das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter annimmt. Es bestehe auch kein zwingender Grund, sich in der "Kreditvergabesituation" allein an dem vom Kreditgeber alternativ erzielbaren Habenzins als Vergleichsmaßstab und in der "Kreditaufnahmesituation" allein an dem vom Kreditnehmer alternativ hinzunehmenden Sollzins zu orientieren. Denn mit einem solchermaßen "gespaltenen" Ansatz könnten bei der Beurteilung eines einheitlichen Rechtsverhältnisses unterschiedliche Fremdvergleichspreise hervorgehen, was in der Sache und aus Praktikabilitätsgründen nicht überzeugt.

Kein Widerspruch zu Grundsätzen zu Darlehensgewährungen im Konzern

Der BFH sieht auch keinen Widerspruch zwischen dem Margenteilungsgrundsatz und neueren BFH-Entscheidungen zu Darlehensgewährungen im Konzern. Vorliegend gehe es um die gänzlich anders gelagerte Situation einer privaten Gelegenheitskreditvergabe durch eine personalistisch strukturierte Gesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter. Nur insoweit sei der Margenteilungsgrundsatz als praktikables Hilfsmittel für den Fall anzuerkennen, dass keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar sind.

Höhe des fremdüblichen Zinssatzes im Streitfall

Die Höhe des fremdüblichen Zinssatzes hat das Finanzamt ausgehend von einer Margenteilung auf 4,5 % geschätzt. Es ist von einer (geringen) Bandbreite von banküblichen Habenzinssätzen ausgegangen, die nur wenig über 0 % lagen, sowie von banküblichen Sollzinssätzen für revolvierende Kredite und Überziehungskredite an Privathaushalte in Höhe von etwa 9 %.

Dem Umstand fehlender Besicherung ist nach der Rechtsprechung bei der Feststellung des fremdüblichen Zinssatzes besondere Bedeutung beizumessen. Angesichts der Höhe der Ausleihungen von über 200.000 Euro im Streitfall und der wirtschaftlichen Situation des A liege ein besonderes Sicherungsbedürfnis vor, dem ein gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter durch die Anforderung einer Sicherheit oder dem Verlangen nach einer das Ausfallrisiko "kompensierenden" Zinssatzerhöhung Rechnung getragen hätte (BFH, Urteil vom 18.05.2021, I R 62/17).

Diese vom Finanzamt angestellten Überlegungen sieht der BFH als gerechtfertigt an.

Betroffene Normen

§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG

Streitjahr ​2014 und 2015

Vorinstanz

​Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.05.2020, 1 K 67/17 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 22.02.2023, I R 27/20, BStBl II 2023, S. 840

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 18.05.2021, I R 62/17, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 18.05.2021, I R 4/17, siehe Deloitte Tax News

BFH, Beschluss vom 05.04.2004, X B 130/03

BFH, Urteil vom 22.10.2003, I R 36/03, BStBl. II 2004, S. 307

BFH, Urteil vom 19.01.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, S. 725

BFH, Urteil vom 28.02.1990, I R 83/87, BStBl. II 1990, S. 649

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