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13.02.2025
Unternehmensteuer

BFH: Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegen Besserungsschein

Der Verlust aus einem auflösend bedingten Forderungsverzicht ist bereits im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen und nicht erst, wenn feststeht, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten wird.

BFH, Urteil vom 19.11.2024, VIII R 8/22

Sachverhalt

Streitig ist, ob der Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegen Besserungsschein im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen ist.

Der Kläger und sein Bruder betrieben gemeinsam die X GmbH & Co. KG, an der der Kläger auch beteiligt (12,8%) war. Als die KG in finanzielle Schwierigkeiten gerät, stellten die Gesellschafter der KG im Streitjahr (2009) ein Darlehen nach dem Verhältnis ihrer Einlagen zur Verfügung und außerdem gewährte der Kläger noch ein nachrangiges Darlehen. Rückwirkend zum 31.12.2008 wurde die KG formwechselnd in die Z GmbH, an der der Kläger (wie zuvor an der KG) beteiligt war, umgewandelt.

Später im Streitjahr (2009) verzichteten beide Gesellschafter der GmbH gegenüber auf alle Ansprüche aus den Darlehensverträgen mit Ausnahme der bereits aufgelaufenen Zinsen. Weiterhin erklärte der Kläger den Verzicht unter der auflösenden Bedingung, dass die GmbH wirtschaftlich und finanziell in der Lage sei, sämtliche Darlehen in vollständiger Höhe aus einem Bilanzgewinn oder einem Liquidationsüberschuss zurückzuzahlen ("Besserungsschein").
Die GmbH behandelte den Darlehensverzicht in ihrem Jahresabschluss 2009 in vollem Umfang als sonstigen betrieblichen Ertrag.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger den Verlust aus dem Darlehensverzicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das Finanzamt vertrat demgegenüber die Auffassung, dass der Darlehensverzicht in voller Höhe eine verdeckte Einlage darstelle und berücksichtigte die erklärten Werbungskosten nicht. Nach dem FG führt der Verzicht auf den werthaltigen Anteil des Darlehensrückzahlungsanspruchs zu einer verdeckten Einlage in die GmbH. In Höhe des nicht mehr werthaltigen Teils der Forderung seien negative Einkünfte gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 2, Abs. 4 EStG entstanden.

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass der Forderungsverzicht des Klägers nicht zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geführt hat. Allerdings habe der Kläger mit dem Verzicht auf die Darlehensforderungen einen gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 2, Abs. 4 S. 1 EStG steuerbaren Verlust in Höhe des im Verzichtszeitpunkt nicht mehr werthaltigen Teils der Darlehensforderung erzielt, der im Streitjahr zu berücksichtigen ist. § 20 Abs. 8 S. 1 EStG steht dem auch nicht entgegen

(Gesetzliche) Grundlagen

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art (§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG). Als Veräußerung gilt auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder die verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 EStG).

Verzicht auf eine werthaltige Forderung

Der BFH führt aus, dass die Gewährung des Darlehens als auch der erklärte Forderungsverzicht gegenüber der GmbH vorrangig durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen ist. Bei einem Forderungsverzicht sei zwischen dem noch werthaltigen und dem nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung zu unterscheiden. Insoweit werden unter Umständen jeweils unterschiedliche Besteuerungstatbestände verwirklicht.

Der Verzicht auf den werthaltigen Teil der Forderung führt nach dem BFH zu einer verdeckten Einlage im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 S. 2 EStG (vgl. BFH-Beschluss vom 09.06.1997, GrS 1/94 und BFH-Urteil vom 06.08.2019, VIII R 18/16). Es sei ein Einlagegewinn in Höhe von 0 Euro entstanden, da die Anschaffungskosten in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung mit dem gemeinen Wert der Darlehensforderung in derselben Höhe verrechnet werden.

Verzicht auf eine nicht mehr werthaltige Forderung

Was den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung angeht, führt der BFH aus, dass der Kläger mit dem Verzicht auf die Darlehensforderung einen gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 2, Abs. 4 S. 1 EStG steuerbaren Verlust (Abtretungsverlust) in Höhe des im Verzichtszeitpunkt nicht mehr werthaltigen Teils der Darlehensforderung erzielt (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.2024, VIII R 25/23). Dies beruhe auf der Annahme, dass der Forderungsverzicht den Wegfall der Forderung bewirkt, der dem im Gesetz ausdrücklich erfassten Fall der Abtretung gleichsteht, denn auch wirtschaftlich mache es keinen Unterschied, ob der Gesellschafter eine Forderung an den Schuldner abtritt oder ob er auf sie verzichtet.

Eintritt der Rechtsfolgen im Verzichtszeitpunkt

Die steuerlichen Rechtsfolgen des Verzichts seien auch beim Gläubiger bereits im Verzichtszeitpunkt zu ziehen (vgl. auch BFH-Urteil vom 24.10.2017, VIII R 19/16). Der BFH hebt hervor, dass für die Besteuerung des unter Besserungsvorbehalt verzichtenden Gesellschafters als Gläubiger nichts anderes gilt als für die Gesellschaft als Schuldnerin. Auch beim Gläubiger sei der Verlust aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil seiner Forderung im Zeitpunkt des Verzichts entstanden und zu berücksichtigen. Der Besserungsvorbehalt ändere nichts daran, dass die Forderung, auf die verzichtet wird, im Zeitpunkt des Verzichts entfällt. Der BFH widerspricht damit der Auffassung des Finanzamts, nach dem die steuerlichen Rechtsfolgen des bedingten Verzichts erst zu berücksichtigen seien, wenn und sobald feststehe, dass die Bedingung nicht mehr eintreten werde.

Zwar entstehe der Verlust aus dem Ausfall einer Darlehensforderung grundsätzlich erst, wenn feststeht, dass mit der Zahlung nicht mehr zu rechnen ist. Der Verzicht unter Besserungsvorbehalt könne aber nicht mit einem Forderungsausfall gleichgesetzt werden. Während der Verfall einer Forderung bis zu ihrem endgültigen Ausfall eine fortschreitende Entwicklung sein könne, handele es sich beim Verzicht um ein punktuelles Ereignis, dessen Rechtswirkungen durch die Verfügung des Steuerpflichtigen ohne zeitliche Verzögerung unmittelbar eintreten.

Der BFH weist daraufhin, dass die Anschaffungskosten der Darlehensforderung, auf die unter Besserungsvorbehalt verzichtet worden ist, nicht, auch nicht anteilig, der Besserungsanwartschaft zuzuordnen sind.

Keine Gründe, die dem steuerbaren Abtretungsverlust entgegenstehen

Der BFH beruft sich auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 14.03.2017, VIII R 38/15 und vom 20.06.2023, IX R 2/22) und führt weiter aus, dass der Verlust des Klägers aus dem Forderungsverzicht auch nicht wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers unbeachtlich ist.
Auch § 20 Abs. 8 S. 1 EStG stehe der Berücksichtigung des Verlusts nicht entgegen. Gemäß § 20 Abs. 8 S. 1 EStG findet § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, Abs. 2 EStG nur Anwendung, soweit die betreffenden Einkünfte unter anderem nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen auch die Einkünfte im Sinne des § 17 EStG.

Der BFH stellt klar, dass § 20 Abs. 8 S. 1 EStG dahin auszulegen ist, dass § 20 Abs. 2 EStG von § 17 EStG nur verdrängt wird, wenn und soweit sich der Verlust im zu beurteilenden Zeitraum bei der Ermittlung der Einkünfte aus § 17 EStG auswirkt (vgl. auch BFH-Urteil vom 20.06.2023, IX R 2/22). Das setze insbesondere voraus, dass die Tatbestände des § 20 Abs. 2 EStG und des § 17 Abs. 4 EStG im selben Veranlagungszeitraum verwirklicht werden. Bei Anwendung dieser Grundsätze wirkt sich der Verlust des Klägers aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung im Streitjahr nicht bei § 17 EStG aus, mit der Folge, dass § 20 Abs. 2 EStG anwendbar ist.

Betroffene Normen

§ 20 Abs. 2, Abs. 8 S. 1 EStG

Streitjahr 2009

Anmerkung

Neue Rechtslage

Das o.g. Urteil betrifft noch die Behandlung eines Gesellschafterdarlehens in einem sog. Altfall.

Mit dem Jahressteuergesetz 2019 vom 07.11.2019 (BGBl. I 2019, S. 2451, siehe Deloitte Tax-News) wurde als Reaktion auf die BFH-Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten auf Beteiligungen nach Inkrafttreten des MoMiG (vgl. BFH-Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, siehe Deloitte Tax-News) § 17 Abs. 2a EStG eingeführt. Nach § 17 Abs. 2a S. 3 EStG gehören zu den nachträglichen Anschaffungskosten z.B. auch verdeckte Einlagen. Die Neuregelung war erstmals für Veräußerungen im Sinne von § 17 Abs. 1, 4 oder 5 EStG nach dem 31.07.2019 anzuwenden. Auf Antrag des Steuerpflichtigen kann eine Anwendung auf für frühere Veräußerungen erfolgen.

Zum Verhältnis der Normen § 20 Abs. 2 und § 17 EStG

Der BFH weist in seinem o.g. Urteil noch daraufhin, dass der im Streitjahr bei § 20 Abs. 2 EStG berücksichtigte Darlehensverzicht des Klägers in einem späteren Veranlagungszeitraum (ganz oder zum Teil) auch bei der Ermittlung der Einkünfte aus § 17 EStG zu berücksichtigen sein könnte und dass die Berücksichtigung bei § 17 EStG nach Maßgabe des § 20 Abs. 8 S. 1 EStG dann Vorrang gegenüber der Berücksichtigung bei § 20 Abs. 2 EStG hätte. Sollte es dadurch zu einer im Ergebnis nicht gerechtfertigten Doppelberücksichtigung ein und desselben Verlusts kommen, muss die Berücksichtigung bei § 20 Abs. 2 EStG auf verfahrensrechtlicher Grundlage korrigiert werden.

Vorinstanz

Finanzgericht München, Urteil vom 17.02.2022, 11 K 2371/18

Fundstelle

BFH, Urteil vom 19.11.2024, VIII R 8/22

Weitere Fundstellen

Großer Senat des BFH, Beschluss vom 09.06.1997, GrS 1/94, BStBl. II 1998, S. 307

BFH, Urteil vom 06.08.2019, VIII R 18/16, BStBl. II 2020, S. 833 siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 18.06.2024, VIII R 25/23, VIII R 25/23, BStBl. II 2024, S. 691

BFH, Urteil vom 24.10.2017, VIII R 19/16, BStBl. II 2019, S. 34 siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteile vom 14.03.2017, VIII R 38/15, BStBl. II 2017, S. 1040

BFH, Urteil vom 20.06.2023, IX R 2/22, BFH/NV 2023, S. 1257

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer
Senior Manager

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: +4989290368711

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