BFH: Finanzielle Eingliederung bei unterjährigem qualifizierten Anteilstausch
Stellt bei einem qualifizierten Anteilstausch der übernehmende Rechtsträger (Organträger) den Antrag, die Anteile unter dem gemeinen Wert anzusetzen, tritt er hinsichtlich des Merkmals der finanziellen Eingliederung in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein. Dass der umwandlungssteuerliche Übertragungsstichtag im Fall des Anteilstauschs nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen werden kann, ist hierfür unerheblich (Fußstapfentheorie).
Sachverhalt
Eine GmbH war zunächst zu jeweils 30 % an der D-KG als Kommanditistin und an deren Komplementär-GmbH als Gesellschafterin beteiligt. Alleingesellschafter der GmbH war C, der auch die übrigen 70 % an der D-KG und deren Komplementär-GmbH als Kommanditist bzw. Gesellschafter hielt.
Im Januar 2010 brachte C seine Kommanditbeteiligung an der D-KG und seine Anteile an der Komplementär-GmbH rückwirkend zum 01.01.2010 zu Buchwerten in die GmbH ein. Am gleichen Tag gründete er als Alleingesellschafter die B-GmbH und erbrachte die Stammeinlage durch Einbringung seiner Beteiligung an der GmbH mit wirtschaftlicher Wirkung zum 15.01.2010. Darüber hinaus schloss die B-GmbH mit der GmbH einen "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" (EAV). Die Verpflichtung zur Gewinnabführung galt erstmals für den gesamten Gewinn des Geschäftsjahres, in dem der EAV wirksam wurde. Das Wirtschaftsjahr der GmbH entsprach im Streitjahr dem Kalenderjahr.
Das Finanzamt erkannte die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft für das Streitjahr 2010 nicht an. Da die B-GmbH erst in 2010 gegründet worden sei und das Gesetz für den Fall des Anteilstauschs keine Möglichkeit einer steuerlichen Rückwirkung regele, fehle zum Beginn des Streitjahres der Organgesellschaft (GmbH) die finanzielle Eingliederung i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG. Daher sei die Gewinnabführung der GmbH als Gewinnausschüttung an die B-GmbH zu behandeln.
Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die GmbH trete umfassend in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein. In der Folge werde in der Zeit vom 01.01.2010 bis zum 14.01.2010 die finanzielle Eingliederung zwischen der GmbH und C (auch) der B-GmbH als Rechtsnachfolgerin des C zugerechnet.
Entscheidung
Auch der BFH sieht die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft in 2010 als erfüllt an. Insbesondere sei die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung schon vom Beginn des Wirtschaftsjahres der GmbH (01.01.2010) an gegeben.
Gesetzliche Grundlagen
Zu den Voraussetzungen einer Organschaft gehört unter anderem, dass der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen ist und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG). Darüber hinaus muss der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (finanzielle Eingliederung im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 KStG).
Einordnung in die bisherige Rechtsprechung
Der BFH hat bereits in seinen Urteilen vom 28.07.2010, I R 89/09 und I R 111/09 für den Fall der Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft festgestellt, dass die übernehmende Körperschaft umfassend und vorbehaltlos in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintritt (sogenannte Fußstapfentheorie). Dies gilt auch für die körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsvoraussetzungen. Danach ist es ausreichend, wenn ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden Rechtsträger besteht.
Ergebnis im Streitfall
Der BFH hält an dieser Rechtsprechung fest. Sie ist auf den Streitfall übertragbar, obwohl hier – anders als in den o.g. Entscheidungen – der Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft (01.01.2010) nicht mit dem umwandlungssteuerlichen Übertragungsstichtag (15.01.2010) zusammenfällt und ein Fall des Anteilstauschs nach § 21 UmwStG vorliegt, bei dem (wegen des fehlenden Verweises auf § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG in § 21 Abs. 2 S. 6 UmwStG) eine umwandlungssteuerliche Rückwirkung auch nicht möglich gewesen wäre. Denn der übernehmende Rechtsträger tritt hinsichtlich der finanziellen Eingliederung auch dann nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein, wenn der umwandlungssteuerliche Übertragungsstichtag nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen wird oder werden kann. Dies gilt durch den Verweis in § 23 Abs. 1 UmwStG auf § 12 Abs. 3 und § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG auch in der Konstellation des Streitfalls.
Dabei ist der Umstand, dass die B-GmbH zum 01.01.2010 noch nicht rechtlich existierte, für das Konzept der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG unerheblich. Maßgebend ist allein die Stellung des übertragenden Rechtsträgers, in die der übernehmende Rechtsträger zum Zeitpunkt der Rechtsnachfolge eintritt.
Zur weiteren Begründung dieses Ergebnisses siehe das grundlegende Urteil vom 11.07.2023, I R 21/20 (siehe Deloitte Tax-News) zur finanziellen Eingliederung bei unterjähriger Verschmelzung auf eine Personengesellschaft.
Betroffene Normen
§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG, § 12 Abs. 3 UmwStG 2006, § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG 2006, § 23 Abs. 1 UmwStG 2006, § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG 2006
Streitjahr 2010
Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.09.2020, 6 K 2704/17 K, EFG 2020, S. 1782
Fundstelle
BFH, Urteil vom 11.07.2023, I R 40/20, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 11.07.2023, I R 21/20, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 28.07.2010, I R 89/09, BStBl. II 2011, S. 528, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 28.07.2010, I R 111/09, BFH/NV 2011, S. 67, siehe Deloitte Tax-News