BFH: Einkünftekorrektur bei Kapitalüberlassungen zwischen verbundenen Unternehmen
Bei der Beurteilung von Kapitalüberlassungen zwischen verbundenen Unternehmen muss unterschieden werden, ob das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der empfangenden Gesellschaft übergehen sollte und eine Rückzahlung nicht beabsichtigt war oder ob die Beteiligten von der Überlassung von Kapital auf Zeit ausgegangen sind und davon ausgehen konnten, dass der Darlehensvertrag durchgeführt, insbesondere also das Darlehen zurückgezahlt wird.
Sachverhalt
Eine inländische OHG (Klägerin), an der ausschließlich juristische Personen beteiligt waren, war Alleingesellschafterin einer italienischen Kapitalgesellschaft (A). Gegenüber A hielt die OHG nicht besicherte Forderungen, die verzinst wurden. In den Streitjahren 2002 und 2004 verzichtete die OHG gegen Besserungsschein auf einen Teil ihrer Forderungen gegen A. Die Beträge entsprachen dem nach Ansicht der Vertragsbeteiligten jeweils wertlosen Teil der Forderung. Diese Teilbeträge wurden in der jeweiligen Bilanz der OHG gewinnmindernd ausgebucht.
Das Finanzamt hat die Gewinnminderungen nach § 1 Abs. 1 AStG durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung bei der Einkommensermittlung neutralisiert. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
Verfahrensgang
Der BFH hat die FG-Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.08.2019, I R 34/18). Gegen das BFH-Urteil hat die Klägerin erfolgreich Verfassungsbeschwerde eingelegt. Daraufhin hat das Bundesverfassungsgericht das BFH-Urteil aufgehoben und die Sache an den BFH zurückverwiesen (BVerfG-Beschluss vom 08.11.2023, 2 BvR 1079/20, siehe Deloitte Tax-News). Die Beteiligten haben sich zur Sach- und Rechtslage (nunmehr unter dem Aktenzeichen I R 67/23) erneut geäußert.
Entscheidung
Der BFH hebt das FG-Urteil auf und verweist die Sache zurück an das FG.
Beurteilung von Kapitalüberlassungen zwischen verbundenen Unternehmen
Bei der Beurteilung von Kapitalüberlassungen zwischen verbundenen Unternehmen muss aus Sicht des BFH unterschieden werden, ob das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der empfangenden Gesellschaft übergehen sollte und eine Rückzahlung nicht beabsichtigt war (BFH-Urteil vom 06.11.2003, IV R 10/01) oder ob die Beteiligten im Sinne einer ernstlichen Abrede von der Überlassung von Kapital auf Zeit ausgegangen sind und davon ausgehen konnten, dass der Darlehensvertrag durchgeführt, insbesondere also das Darlehen zurückgezahlt wird. Für diese Abgrenzung seien nur objektiv überprüfbare Umstände heranzuziehen; im Übrigen sei von den fremdüblichen Voraussetzungen einer Darlehensgewährung auszugehen (vgl. zum Ganzen BFH-Urteile vom 17.12.2014, I R 23/13 und vom 13.01.2022, I R 15/21).
FG hat sich zur entscheidungserheblichen Abgrenzungsfrage nicht geäußert
Der BFH bemängelt, dass sich das FG, das von einer Darlehenshingabe ausgegangen ist, zu dieser entscheidungserheblichen Abgrenzungsfrage weder rechtlich geäußert noch hierzu ausreichende tatsächliche Feststellungen getroffen hat.
Abgrenzung zwischen Darlehen und Einlage
Die Abgrenzung zwischen Darlehen und Einlage könne im Streitfall nicht dahinstehen.
Im Falle einer Einlage hätten sich insoweit die Anschaffungskosten der Klägerin auf die Beteiligung an der A erhöht. Eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung auf diese Beteiligung wäre gemäß § 8b Abs. 3 S. 3 KStG ausgeschlossen und die Klage wäre bereits aus diesem Grunde abzuweisen gewesen.
Im Falle der Ausbuchung einer betrieblich veranlassten Darlehensforderung hängt die Steuerwirksamkeit der Teilwertabschreibung indes davon ab, ob die Voraussetzungen für eine Einkünftekorrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG erfüllt sind und eine nach nationalrechtlichen Maßstäben durchzuführende Einkünftekorrektur mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ist (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil vom 13.01.2022, I R 15/21). Da es aber bereits in tatsächlicher Hinsicht ungewiss sei, ob § 1 AStG im Streitfall mit Blick auf eine Darlehenshingabe überhaupt zur Anwendung kommen kann, sieht der BFH von der Prüfung ab, ob das Unionsrecht einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG entgegenstehen könnte.
Auf dieser Grundlage sieht der BFH auch von einer Vorlage an den EuGH ab.
Zweiter Rechtsgang
Im zweiten Rechtsgang wird das FG zu prüfen haben, ob die Kapitalüberlassungen als Darlehen zu qualifizieren sind. Das Finanzamt hat sowohl im Klage- als auch im Revisionsverfahren Gesichtspunkte angeführt, die gegen eine Darlehenshingabe sprechen.
Das FG wird auch dem Vorbringen des Finanzamts nachzugehen haben, wonach vereinbart gewesen sei, A solle (nur) "eventuelle Liquiditätsüberschüsse" zurücktransferieren. Eine solche Abrede könnte Anlass zu einer Prüfung geben, ob der Passivierung einer etwaigen Rückzahlungsverpflichtung aus dem (behaupteten) Darlehensverhältnis bei A der Rechtsgedanke des § 5 Abs. 2a EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung entgegensteht.
Betroffene Normen
§ 1 Abs. 1 AStG
Streitjahre: 2002 und 2004
Anmerkungen
Fraglich war im Streitfall, ob und in welcher Höhe Teilwertabschreibungen auf Darlehensrückzahlungsansprüche steuerlich zu berücksichtigen sind, wenn die Darlehenshingabe von einer inländischen Muttergesellschaft an eine italienische Tochtergesellschaft ohne Besicherung erfolgte. Nach der Zurückverweisung durch das BVerfG stellt sich im zweiten Rechtsgang nun die Frage, ob die strittigen Kapitalüberlassungen als Einlagen oder Darlehen zu qualifizieren sind.
Vorinstanz
Hessisches Finanzgericht, 29.08.2018, 2 K 1744/16, EFG 2019, S. 1363
Fundstelle
BFH, Urteil vom 10.04.2024, I R 67/23
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 14.08.2019, I R 34/18, BFH/NV 2020, S. 757, siehe auch Deloitte Tax-News unter Aktuell: „Mittlerweile hat der BFH seine geänderte Rechtsprechung zur Einkünftekorrektur des § 1 Abs. 1 AStG in Fällen der grenzüberschreitenden Konzernfinanzierung in weiteren Entscheidungen spezifiert und verfestigt.“
BVerfG, Beschluss vom 08.11.2023, 2 BvR 1079/20, Internationales Steuerrecht 2024, S. 139, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 06.11.2003, IV R 10/01, BStBl. II 2004, S. 416
BFH, Urteil vom 17.12.2014, I R 23/13, BStBl. II 2016, S. 261
BFH, Urteil vom 13.01.2022, I R 15/21, BStBl II 2023, S. 675, siehe Deloitte Tax-News