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07.09.2020
Unternehmensteuer

BFH: Besteuerung von Streubesitzdividenden ist verfassungsgemäß

Der BFH bestätigt die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Streubesitzdividenden (§ 8b Abs. 4 KStG, § 9 Nr. 2a GewStG). Zwar durchbricht § 8b Abs. 4 KStG das Gebot der Folgerichtigkeit. Dies hält der BFH allerdings zur Herstellung einer europarechtskonformen Rechtslage für verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft, hielt an einer AG eine Streubesitzbeteiligung (< 10%). Von der AG erhielt die Klägerin in 2013 eine Dividendenausschüttung.
Das Finanzamt behandelte die erhaltene Dividende für Zwecke der Körperschaft- und Gewerbesteuer zu 100% als steuerpflichtig. Nach Auffassung der Klägerin stellt die Dividende für Zwecke der Körperschaft- und Gewerbesteuer eine zu 95% steuerfreie Betriebseinnahme gemäß § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG dar, da § 8b Abs. 4 KStG und § 9 Nr. 2a GewStG nicht mit Art. 3 GG vereinbar sind. Das FG lehnte allerdings die Verfassungswidrigkeit der zuletzt genannten Vorschriften ab. 

Hintergrund

Gemäß § 8b Abs. 4 KStG sind nach dem 28.02.2013 zufließende Dividendeneinnahmen einer körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaft bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Unter diesen Voraussetzungen gilt nicht die Regelung in § 8b Abs. 1, Abs. 5 KStG, nach der solche Bezüge i. H. v. 95 % außer Ansatz bleiben.
§ 8b Abs. 4 KStG wurde mit dem Gesetz vom 21.03.2013 eingefügt zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 (C-284/09). Mit dem Urteil stellte der EuGH die Europarechtswidrigkeit der bis dahin geltenden Regelung zur Besteuerung von Streubesitzdividenden fest. Der Gesetzgeber konnte der festgestellten Europarechtswidrigkeit auf zwei Wegen begegnen: entweder die einbehaltene Kapitalertragsteuer sowohl bei inländischen als auch bei ausländischen Anteilseignern zu erstatten oder „zu Lasten aller“ Streubesitzdividenden zu besteuern. Mit der Einführung des § 8b Abs. 4 KStG entschied sich der Gesetzgeber für Letzteres.

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Vorschriften zur Besteuerung von Streubesitzdividenden (§ 8b Abs. 4 KStG sowie § 9 Nr. 2a GewStG) verfassungsgemäß sind.

Herstellung einer europarechtskonformen Rechtslage als hinreichenden Rechtsfertigungsgrund

Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers werde vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Zwar durchbreche § 8b Abs. 4 KStG das Gebot der Folgerichtigkeit bzw. die in § 8b Abs. 1 KStG zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Gesetzgebers, im System des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens erwirtschaftete Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen als Anteilseigner mit Einkommensteuer zu besteuern. Allerdings sei diese Durchbrechung verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Nach Auffassung des BFH sei die Herstellung einer europarechtskonformen Rechtslage ein hinreichender Rechtfertigungsgrund. § 8b Abs. 4 KStG sei im Einklang mit den Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie geschaffen worden und begrenze somit die Steuerbefreiung für Streubesitzdividenden auf das EU-rechtliche Minimum. Zwar hätte der Gesetzgeber auch mit einer vollständigen Steuerbefreiung für Anteilseigner mit Sitz in anderen EU-/EWR-Staaten den Anforderungen des EuGH entsprechen können. Aus Sicht des BFH stehe es dem Gesetzgeber in einer solchen Situation frei zwischen den beiden Handlungsoptionen (Entlastung gebietsfremder EU-/EWR-Körperschaften unabhängig von einer Mindestbeteiligung oder Besteuerung von Streubesitzdividenden) zu wählen.

Dies gelte entsprechend für § 9 Nr. 2a GewStG (vgl. Beschluss vom 30.05.2014, I R 12/13). 

Betroffene Norm

§ 8b Abs. 4 KStG, § 9 Nr. 2a GewStG

Streitjahr 2013

Vorinstanz

Finanzgericht Hamburg, Gerichtsbescheid vom 06.04.2017, 1 K 87/15, EFG 2017, S. 1117, siehe Deloitte Tax News 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 18.12.2019, I R 29/17, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen; BVerfG-anhängig: 2 BvR 1832/20

Weitere Fundstellen

BFH, Beschluss vom 30.05.2014, I R 12/13, BFH/NV 2014, S. 1402, siehe Deloitte Tax News 

EuGH, Urteil vom 20.10.2011, C-284/09, DStR 2011, S. 2038, siehe Deloitte Tax News 

 

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