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27.10.2022
Unternehmensteuer

BFH: Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht eines gewerblichen Grundstückshändlers

Die sachliche Gewerbesteuerpflicht eines gewerblichen Grundstückshändlers beginnt frühestens mit dem Abschluss eines (wirksamen) Kaufvertrags über eine erste Immobilie, denn erst hierdurch wird er in die Lage versetzt, seine Leistung am Markt anzubieten.

Sachverhalt

Eine neue gegründete KG (Klägerin) hat als Gesellschaftszweck den Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Immobilien, Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Im Streitjahr 2012 erwirtschaftete die KG im Rahmen von Vorbereitungstätigkeiten, die auf den ersten Grundstückskauf gerichteten waren, einen Verlust. Der notarielle Kaufvertrag über den ersten Grundstückskauf der KG wurde allerdings erst im Folgejahr abgeschlossen.

Für das Streitjahr erklärte die KG in ihrer Gewerbesteuererklärung einen Verlust. Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Feststellung des vortragsfähigen Fehlbetrags gemäß § 10a GewStG mit der Begründung ab, dass die von der KG vorgenommenen Akquisitions-tätigkeiten noch keine Gewerbesteuerpflicht begründen.

Dagegen vertrat das FG die Auffassung, dass die KG bereits im Streitjahr mit der Beauftragung des Maklerbüros, der Besichtigung der Grundstücke, den Kaufvertragsverhandlungen und der Beauftragung des Notars zur Fertigung des Grundstückskaufvertragsentwurfs Tätigkeiten unternommen hat, die erkennbar auf die Vorbereitung der Grundstücksgeschäfte gerichtet waren und folglich daher auch eine Gewerbesteuerpflicht bestand.

Entscheidung

Entgegen der Vorinstanz kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die KG im Streitjahr noch keine werbende Tätigkeit aufgenommen hat, so dass auch kein vortragsfähiger Gewerbeverlust gemäß § 10a GewStG festzustellen war.

Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht – gesetzliche Grundlagen

Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer nur der stehende Gewerbebetrieb – bei natürlichen Personen und Personengesellschaften unterwirft das Gesetz die konkret ausgeübte werbende Tätigkeit der Gewerbesteuer, so dass die sachliche Gewerbesteuerpflicht erst beginnt, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines (originären oder fiktiven) Gewerbebetriebs erfüllt sind (§ 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 bzw. Abs. 3 EStG) und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden ist (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 13.04.2017, IV R 49/15). Somit sei für den Beginn des Gewerbebetriebs i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG der Beginn der werbenden Tätigkeit maßgebend – insbesondere sind, so der BFH, die bloßen, gewerbesteuerrechtlich noch unbeachtlichen Vorbereitungshandlungen davon abzugrenzen.

Bestimmung des Zeitpunkts des Beginns der werbenden Tätigkeit

Nach dem BFH ist der Zeitpunkt des Beginns der werbenden Tätigkeit unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann für die verschiedenen Betriebsarten unterschiedlich zu bestimmen sein. Entscheidend sei, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt sind, so dass sich das Unternehmen daran mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligen kann (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 12.05.2016, IV R 1/13).

Während bei einem auf Handel ausgerichteten Unternehmen eine werbende Tätigkeit vorliegt, wenn der Unternehmer seine Leistungen am Markt anbietet (vgl. BFH-Urteil vom 19.08.1977, IV R 107/74), könne bei einer sog. Ein-Schiff-Gesellschaft, die vorrangig die Veräußerung und nicht den Betrieb des Schiffs beabsichtigt, bereits der Bau bzw. der Erwerb des Schiffs als Beginn der werbenden Tätigkeit angesehen werden (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.2016, IV R 21/13). Dieser Rechtsprechung zu einer sog. Ein-Schiff-Gesellschaft könne allerdings nicht entnommen werden, dass bei Handelsunternehmen bereits der gesamte Herstellungs- bzw. Einkaufsprozess zum Gegenstand des Gewerbebetriebs gehöre.

Der BFH beruft sich auf seine jüngere Rechtsprechung (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 13.10.2016, IV R 21/13) und stellt klar, dass nicht (mehr) auf einen (irgendwie gearteten) Beginn des Erwerbsvorgangs, sondern vielmehr auf dessen Ende, das durch den Kaufvertragsschluss markiert wird, abzustellen ist. Folglich stelle der Vertragsschluss den frühestmöglichen Zeitpunkt für den Beginn der werbenden Tätigkeit dar. Der BFH widerspricht somit der in der Literatur vertretenen Auffassung, die den Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht von begonnenen Maßnahmen auf der Absatzseite abhängig machen (vgl. Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, § 2 Rz 52, 65 f.).

Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht eines gewerblichen Grundstückshändlers

Folglich nimmt nach dem BFH die KG als gewerblicher Grundstückshändler ihre werbende Tätigkeit frühestens mit der Anschaffung der ersten Immobilie, d.h. mit dem (wirksamen) Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags auf, denn erst hierdurch wird sie in die Lage versetzt, ihre Leistung am Markt anzubieten. Vorbereitungshandlungen, die dem Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags dienen (z.B. Kontaktaufnahme zu Immobilienmaklern oder die Besichtigung potentieller Kaufobjekte), genügen demgegenüber nicht für die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit.

Betroffene Norm

§ 2 Abs. 1 GewStG

Streitjahr: 2012

Anmerkungen

Einordnung des Urteils

Vor dem Hintergrund, dass der Zeitpunkt des Beginns der werbenden Tätigkeit unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung einzelfallabhängig ist und für die verschiedenen Betriebsarten unterschiedlich zu bestimmen sein kann, ist das Urteil des BFH aus Gründen der Rechtssicherheit zu begrüßen, da es mit dem Abschluss des Kaufvertrages über eine erste Immobilie einen konkreten Anhaltspunkt für den Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht gewerblicher Grundstückshändler bestimmt und somit die bisherige Rechtsprechung des BFH bestätigt sowie Abgrenzungsschwierigkeiten zu den bloßen, gewerbesteuerrechtlich noch unbeachtlichen Vorbereitungshandlungen entgegen wirkt. Inhaltlich überzeugend ist, dass weiterhin die Erfüllung der Voraussetzungen für die Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr für den Beginn der Gewerbesteuerpflicht entscheidend ist.

Entscheidung über das Merkmal des Beginns der sachlichen Gewerbesteuerpflicht im Verlustfeststellungsverfahren

Mit dem o.g. Urteil bestätigte der BFH auch, dass über das streitige Merkmal des Beginns der sachlichen Gewerbesteuerpflicht der KG im Verlustfeststellungsverfahren gemäß § 10a GewStG zu entscheiden ist. Ob eine sachliche Gewerbesteuerpflicht besteht, sei im Verlustfeststellungsverfahren nach § 10a S. 6 GewStG ohne Bindung an den Gewerbesteuermessbescheid des Erhebungszeitraums, auf dessen Ende der vortragsfähige Gewerbeverlust nach § 10a GewStG gesondert festzustellen ist, selbständig zu prüfen.

Mehrere Betriebe

Der BFH weist im o.g. Urteil auch darauf hin, dass ein Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft auch mehrere Betriebe nacheinander betreiben kann. So könnte vor Beginn des Grundstückshandels bereits ein anderer Gewerbebetrieb unterhalten werden. Voraussetzung sei jedoch, dass die Personengesellschaft tatsächlich Tätigkeiten entfaltet, die die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG erfüllen und die sich nicht lediglich als Vorbereitungshandlungen des Grundstückshandels darstellen.

Vorinstanz

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 23.05.2019, Az: 1 K 462/15 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 01.09.2022, IV R 13/20

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 13.04.2017, IV R 49/15, BFHE 257, 441

BFH, Urteil vom 12.05.2016, IV R 1/13, BStBl. II 2017, S. 489, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 19.08.1977, IV R 107/74, BStBl. II 1978, S. 23

BFH, Urteil vom 13.10.2016, IV R 21/13, BStBl. II 2017, S. 475

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