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05.10.2017
Unternehmensteuer

BFH: Anwendung umwandlungssteuerrechtliche Rückwirkungsfiktion auf Mindestlaufzeit GAV

Eine umwandlungssteuerrechtliche Rückwirkungsfiktion kann bei der Berechnung der fünfjährigen Mindestlaufzeit eines Gewinnabführungsvertrags beachtlich sein, auch wenn sie auf einen Zeitpunkt vor Gründung der Organgesellschaft wirkt. Den Tatbestand der finanziellen Eingliederung vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an kann sie jedoch bei einem Anteilserwerb von einem Dritten im Rückwirkungszeitraum nicht begründen.

Sachverhalt

Die B GmbH wurde mit Vertrag vom 09.02.2005 als Vorratsgesellschaft gegründet. Deren Anteile erwarb die B Holding GmbH mit Vertrag vom 09.08.2005. Teile des Vermögens der B Holding GmbH wurden auf die B GmbH als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung mit Wirkung zum 01.01.2005 übertragen.

Die B Holding GmbH und die B GmbH schlossen einen Gewinnabführungsvertrag (GAV) ab, der für den Zeitraum ab dem 01.01.2005 gelten sollte und erstmals zum Ablauf des 31.12.2009 gekündigt werden konnte. Das Finanzamt war der Ansicht, dass es sich bezogen auf die B GmbH als Organgesellschaft bei dem Wirtschaftsjahr 2005 um ein Rumpfwirtschaftsjahr handelt, das am 09.02.2005 begonnen hat. Damit sei durch die Möglichkeit, den Vertrag mit Ablauf zum 31.12.2009 zu kündigen, die Voraussetzung der Mindestlaufzeit von fünf (Zeit-)Jahren nicht erfüllt (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG).

Entscheidung

Finanzielle Eingliederung

Es liege im Streitjahr 2005 keine finanzielle Eingliederung der B GmbH (Organgesellschaft) in die B Holding GmbH (Organträgerin) vor.

Der Streitfall war dadurch gekennzeichnet, dass die B GmbH (spätere Organgesellschaft) nicht durch die (spätere) Organträgerin errichtet wurde, es vielmehr (erst) im August 2005 zu einem Anteilserwerb durch die Organträgerin gekommen war. Die Anteile an der B GmbH standen mithin zunächst einer dritten Person zu.

Nach Ansicht des BFH könne die mit einer Umwandlung verbundene ertragsteuerrechtliche Rückwirkungsfiktion jedenfalls in dieser Konstellation des entgeltlichen Anteilserwerbs den Tatbestand der finanziellen Eingliederung der B GmbH in ihre Organträgerin "vom Beginn ihres Wirtschaftsjahrs an ununterbrochen" nicht begründen. Der Erwerb der Anteile von einem Dritten (wie im Streitfall) unterscheide sich von der Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft in den Organträger (wie sie den Entscheidungen des BFH vom 28.07.2010, I R 89/09 und I R 111/09) zugrunde lag). Bei letzterer komme es auf die Anwendbarkeit der umwandlungssteuerrechtlichen Rückwirkungsfiktion für die Organschaftsvoraussetzung der finanziellen Eingliederung nicht an, da die übernehmende Körperschaft in diesem Fall in die "steuerliche Rechtsstellung" der Überträgerin eintritt.

Mindestlaufzeit GAV

Neben der finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft erfordert eine körperschaftsteuerliche Organschaft, dass der GAV auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG). Mit der fünfjährigen Mindestdauer werde das Ziel, Manipulationen zu verhindern, verfolgt (BFH-Urteile vom 13.11.2013 und vom 12.01.2011).

Der GAV sei im Streitfall ausdrücklich auf die Dauer von fünf Zeitjahren (siehe hierzu BFH-Urteil vom 12.01.2011) abgeschlossen worden. Dabei unterliege die Rückwirkung auf den Beginn des Geschäftsjahrs des Vertragsabschlusses weder zivilrechtlichen noch steuerrechtlichen Wirksamkeitsbedenken (siehe dazu auch FG Köln, Urteil vom 10.06.2010).

Das FG hatte argumentiert, dass die fünfjährige Mindestdauer ein auf tatsächliche Umstände abstellendes Tatbestandsmerkmal sei, das einer fiktiven Rückbeziehung nicht zugänglich sei. Fiktive Zeiträume seien nicht in die Berechnung der Mindestdauer einzubeziehen. Jedenfalls könne eine Rückwirkung dann nicht maßgebend sein, wenn der übernehmende Rechtsträger im Rückwirkungszeitraum nicht bereits bestanden habe.

Dem folgt der BFH nicht. Er kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass in die Berechnung der fünfjährigen Mindestdauer des Gewinnabführungsvertrags die steuerliche Rückwirkung eines Einbringungsvorgangs einzubeziehen sei.
Nach § 14 Abs. 1 S. 2 KStG ist das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger erstmals für das Kalenderjahr zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird (im Streitfall also 2005). Wenn damit die gesetzliche Regelung das gesamte Einkommen des Jahrs 2005 erfasst und der Einkommenszurechnung unterwirft, sei auch bei der Berechnung der Mindestlaufzeit des Vertrags auf den Beginn dieses Wirtschaftsjahrs abzustellen, so der BFH (siehe auch BFH-Beschluss vom 22.10.2008; wohl auch R 60 Abs. 2 S. 2 KStR 2004).

Fraglich war im vorliegenden Fall allerdings noch, ob die Voraussetzungen einer Rückwirkungsfiktion nach § 20 Abs. 7 und 8 UmwStG überhaupt erfüllt waren (was vom FG noch zu klären ist).

Schließlich weist der BFH darauf hin, dass der Umstand, dass die Organschaft im ersten Jahr mangels durchgängiger finanzieller Eingliederung "verunglückt" war, die steuerliche Anerkennung in den Folgejahren nicht hindert. Mit Urteil vom 10.05.2017 hat der BFH nämlich festgestellt, dass die finanzielle Eingliederung nicht während der gesamten Mindestlaufzeit des Ergebnisabführungsvertrags gegeben sein muss, um das Erfordernis, den Vertrag im Rahmen der Mindestvertragslaufzeit "während seiner gesamten Geltungsdauer" durchzuführen, zu erfüllen. Ein zeitweiliges Fehlen der finanziellen Eingliederung führte lediglich dazu, dass die steuerrechtlichen Folgen der Organschaft für diejenigen Jahre, in denen die gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen tatsächlich nicht vorgelegen haben, zu versagen seien (unterbrochene Organschaft, partielle Versagung). In den übrigen Jahren sei die Organschaft anzuerkennen.

Betroffene Norm

§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG
Streitjahr 2005

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 03.03.2015, 6 K 4332/12 K,F, EFG 2015, S. 951

Fundstelle

BFH, Urteil vom 10.05.2017, I R 19/15, BStBl II 2019 Seite 81

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 13.11.2013, I R 45/12, BStBl II 2014, S. 486, siehe Deloitte Tax-News 
BFH, Urteil vom 12.01.2011, I R 3/10, BStBl II 2011, S. 727, siehe Deloitte Tax-News 
BFH, Urteil vom 28.07.2010, I R 89/09, BStBl II 2011, S. 528, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 28.07.2010, I R 111/09, BFH/NV 2011, 67, siehe Deloitte Tax-News 
Finanzgericht Köln, Urteil vom 10.06.2010, 13 K 416/10, EFG 2010, S. 2029, siehe Deloitte Tax-News 
BFH, Beschluss vom 22.10.2008, I R 66/07, BStBl II 2009, S. 972
BFH, Urteil vom 10.05.2017, I R 51/15, siehe Deloitte Tax-News

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