Zurück zur Übersicht
05.09.2024
Unternehmensteuer

BFH: Aufwärtsabfärbung auch bei lediglich verrechenbaren Verlusten

Für den Eintritt einer Aufwärtsabfärbung kommt es nur auf den Bezug gewerblicher Beteiligungseinkünfte, nicht aber auf deren Höhe oder darauf an, ob ein zugewiesener Verlust der Ausgleichsbeschränkung des § 15a Abs. 1 EStG unterliegt.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GbR, erzielt aus vermögensverwaltender Tätigkeit Vermietungseinkünfte und ist an einer GmbH & Co. KG beteiligt, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Bei den laufenden (Beteiligungs-)Einkünften aus Gewerbebetrieb handelte es sich um lediglich verrechenbare Verluste nach § 15a EStG.

Aufgrund der Beteiligung an der GmbH & Co. KG wurden die Einkünfte der GbR aus Vermietung und Verpachtung zu Einkünften aus Gewerbebetrieb umqualifiziert. Die GbR wendete sich gegen die Feststellung der Einkunftsart Gewerbebetrieb. Richtig sei nach Auffassung der GbR die Einkunftsart „Vermietung und Verpachtung“.

Hingegen waren das Finanzamt und das dem Verfahren beigetretene BMF der Auffassung, dass die Norm der Aufwärtsabfärbung (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 2 EStG) und folglich auch die Umqualifizierung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Einkünfte aus Gewerbebetrieb auch ohne Berücksichtigung einer Geringfügigkeitsgrenze verfassungsgemäß sei. Das FG folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die Klage unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 06.06.2019 (IV R 30/16) ab.

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die von der GbR bezogenen Beteiligungseinkünfte im Streitjahr zu einer Aufwärtsabfärbung geführt haben, wodurch die Vermietungseinkünfte in vollem Umfang zu Einkünften aus Gewerbebetrieb umqualifiziert werden.

Gesetzliche Grundlagen

Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine originär gewerbliche Tätigkeit ausübt (Alternative 1: sog. Seitwärtsabfärbung) oder aus der Beteiligung an einer anderen gewerblichen Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte bezieht (Alternative 2: sog. Aufwärtsabfärbung). Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift unabhängig davon, ob aus der Tätigkeit i.S.d. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ein Gewinn oder Verlust erzielt wird oder ob die gewerblichen Einkünfte i.S.d. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 positiv oder negativ sind. Dieser Satz 2 gilt nach § 52 Abs. 23 S. 1 EStG rückwirkend auch für Veranlagungszeiträume vor 2019.

Keine Bagatellgrenze bei der Aufwärtsabfärbung

Nach der Rechtsprechung des BFH führt einkommensteuerrechtlich jede Beteiligung, aus der die Gesellschaft gewerbliche Einkünfte bezieht, zu einer Umqualifizierung aller weiteren Einkünfte dieser Gesellschaft in solche aus Gewerbebetrieb (vgl. BFH-Urteil vom 06.06.2019, IV R 30/16). Eine (ungeschriebene) sog. Bagatellgrenze gelte, anders als bei der sogenannten Seitwärtsabfärbung (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2022, IV R 42/19), nicht (vgl. BFH-Urteile vom 06.06.2019, IV R 30/16 und vom 05.09.2023, IV R 24/20). Dementsprechend führe auch der Bezug geringfügiger Beteiligungseinkünfte zur Aufwärtsabfärbung. Ebenfalls ohne Bedeutung sei für die Abfärbewirkung die Höhe der Beteiligung, aus der die Beteiligungseinkünfte bezogen werden. Eine Aufwärtsabfärbung trete zudem auch ein, wenn die bezogenen Beteiligungseinkünfte negativ sein würden (vgl. BFH-Urteil vom 06.06.2019, IV R 30/16) und auch dann, wenn sich ausnahmsweise (zufällig) Beteiligungseinkünfte in rechnerischer Höhe von 0 € ergeben würden. Der BFH hält an dieser Rechtsprechung fest. Zumal der durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften eingefügte Satz 2 Alternative 2 des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nunmehr ausdrücklich auch für den Strafzeitraum (§ 52 Abs. 23 S. 1 EStG) regelt, dass die Aufwärtsabfärbung unabhängig davon eintritt, ob die Beteiligungseinkünfte positiv oder negativ sind.

Umqualifizierung zu Einkünften aus Gewerbebetrieb auch bei der Ausgleichsbeschränkung nach § 15a EStG

Nach dem BFH steht der Aufwärtsabfärbung nicht entgegen, dass es sich bei den der GbR zugerechneten Beteiligungseinkünften um verrechenbare Verluste gemäß § 15a EStG handelt, die im Streitjahr keine Auswirkungen auf die Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns der GbR haben. Ein Bezug von Beteiligungseinkünften im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG liege auch dann vor, wenn es sich um lediglich verrechenbare Verluste im Sinne des § 15a EStG handelt.

Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 15a EStG verändere nicht die Zuweisung des Verlustanteils, sondern wandelt diesen in einen verrechenbaren Verlust um, der einer Verwertungssperre unterliegt (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.2024, IV R 27/21). Maßgebend für die Aufwärtsabfärbung sei, dass der GbR aufgrund ihrer mitunternehmerischen Beteiligung an der KG ein Gewinnanteil zugerechnet worden ist und die KG gewerbliche Einkünfte erzielt, unabhängig von der Höhe oder der sofortigen Abziehbarkeit eines Verlusts.

Verfassungsmäßigkeit der Abfärbewirkung von gewerbesteuerlichen Beteiligungseinkünften ohne Bagatellgrenze

Der BFH kommt weiterhin zu dem Ergebnis, dass § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 2 EStG (sog. Aufwärtsabfärbung) in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht auch ohne Berücksichtigung einer Geringfügigkeitsgrenze, bis zu deren Erreichen die gewerblichen (Beteiligungs-)Einkünfte nicht auf die übrigen Einkünfte der Gesellschaft abfärben, verfassungsgemäß ist (vgl. BFH-Urteil vom 06.06.2019, IV R 30/16). Die hiergegen erhobenen Einwendungen der GbR führten zu keinem anderen Ergebnis (vgl. BFH-Urteil vom 05.09.2023, IV R 24/20). Dies gelte auch insoweit, als der neue S. 2 Alt. 2 des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nunmehr ausdrücklich regeln würde, dass eine Aufwärtsabfärbung unabhängig davon eintrete, ob die gewerblichen Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG positiv oder negativ sind.

Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Anwendung

Die in § 52 Abs. 23 S. 1 EStG angeordnete rückwirkende Geltung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 Alt. 2 EStG, die dazu führt, dass diese Regelung auch im Streitjahr Anwendung findet, unterliege ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Laut dem BFH ist das grundsätzliche Verbot echt rückwirkender Gesetze durch eine formal rückwirkende Norm nur dann betroffen, wenn diese Vorschrift konstitutiven Charakter hat, die Rechtslage also nicht nur klarstellt (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08 und vom 12.07.2023, 2 BvR 482/14). Der o.g. Neuregelung komme lediglich deklaratorische Wirkung zu. Denn der BFH ging bereits vor der Einführung des Satzes 2 Alt. 2 des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG davon aus, dass eine Aufwärtsabfärbung unabhängig davon eintritt, ob die Beteiligungseinkünfte positiv oder negativ sind (vgl. BFH-Urteil vom 06.06.2019, IV R 30/16).

Betroffene Normen

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 2 EStG, § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 Alt. 2 EStG, § 52 Abs. 23. S. 1 EStG, § 15a EStG

Streitjahr 2017

Anmerkungen

Hintergrund zur Rechtsentwicklung

Eine land- und forstwirtschaftlich, freiberuflich oder vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft bezieht nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in vollem Umfang gewerbliche Einkünfte, wenn sie daneben gewerbliche (Beteiligungs-)Einkünfte bezieht. Mit Urteil vom 12.04.2018 (IV R 5/15) hatte der BFH entschieden, dass es nicht zu einer solchen Abfärbung kommt, wenn (isoliert betrachtet) die Einkünfte aus der gewerblichen Tätigkeit negativ sind. Mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019, S. 2451, siehe auch Deloitte Tax-News) wurde § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG um einen Satz 2 ergänzt. Nach Satz 2 tritt eine Abfärbung auch dann ein, wenn die gewerbliche Tätigkeit isoliert betrachtet zu einem Verlust führt. Nach § 52 Abs. 23 S. 1 EStG ist § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 EStG auch für Veranlagungszeiträume vor 2019 anzuwenden.

Mit Urteil vom 30.06.2022 (IV R 42/19) vertrat der BFH dann die Auffassung, dass Verluste aus einer gewerblichen Tätigkeit (Fall der sog. Seitwärtsabfärbung; § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 1 EStG) bei Überschreiten der Bagatellgrenze zu einer Umqualifizierung der im Übrigen vermögensverwaltenden Tätigkeit einer GbR führen. Es handelte sich hier um eine Rechtsprechungsänderung infolge der o.g. gesetzlichen Neuregelung. Nach dem BFH ist § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 und S. 2 Alt. 1 und § 52 Abs. 23 S. 1 EStG auch verfassungsgemäß. Allerdings wurde eine Verfassungsbeschwerde eingelegt (Az: 2 BvR 2113/22).

Mit Urteil vom 05.09.2023 (IV R 24/20) bestätigte der BFH bereits für die Aufwärtsabfärbung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 2 EStG) auch ohne Berücksichtigung einer Geringfügigkeitsgrenze deren Verfassungsmäßigkeit (vgl. auch BFH-Urteil vom 06.06.2019, IV R 30/16).
 

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 13.05.2022, 15 K 26/20 E,F, EFG 2022, S. 1446

Fundstelle

BFH, Urteil vom 11.07.2024, IV R 18/22 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 06.06.2019, IV R 30/16, BStBl. II 2020, S. 649, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 30.06.2022, IV R 42/19; BVerfG-anhängig: 2 BvR 2113/22; BStBl. II 2023, S.118, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 05.09.2023, IV R 24/20, BFHE 281, S. 374

BFH, Urteil vom 24.04.2024, IV R 27/21, siehe Deloitte Tax-News

BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, S. 1

BVerfG, Beschluss vom 12.07.2023, 2 BvR 482/14

BFH, Urteil vom 12.04.2018, IV R 5/15, BStBl. II 2020, S. 118, siehe Deloitte Tax-News

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer
Senior Manager

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: +4989290368711

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer
Senior Manager

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: +4989290368711

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.