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30.08.2013
Private Einkommensteuer

BFH: Überschussprognose bei auch nur geringfügiger Selbstnutzung einer ansonsten fremdvermieteten Ferienwohnung erforderlich

Erzielt ein Steuerpflichtiger durch die Fremdvermietung einer einzelnen Ferienwohnung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, ist die Überschusserzielungsabsicht durch Überschussprognose auch dann nachzuweisen, wenn die Wohnung in geringem Umfang selbst genutzt wird. Eine Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht ist schon dann erforderlich, wenn der Steuerpflichtige sich eine Zeit der Selbstnutzung der Ferienwohnung vorbehält, unabhängig davon, ob er von der Selbstnutzung Gebrauch macht oder nicht.

Der BFH sieht, anders als das Niedersächsische FG, das Erfordernis einer Überschussprognose für die Beurteilung der Überschusserzielungsabsicht im Sachverhalt für gegeben und verweist die Sache unter Aufhebung der Vorentscheidung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück an das FG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist bei teilweise selbstgenutzten und teilweise vermieteten Ferienwohnungen die Frage, ob der Steuerpflichtige mit oder ohne Einkünfteerzielungsabsicht vermietet hat, anhand einer unter Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu treffenden Prognose zu entscheiden. Die Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen muss schon dann überprüft werden, wenn er sich eine Zeit der Selbstnutzung vorbehalten hat; dies gilt unabhängig davon, ob er von seinem Eigennutzungsrecht tatsächlich Gebrauch macht oder nicht.

Die Frage der Einordnung der Einkunftsart hat nach Auffassung des BFH das FG zutreffend beantwortet. Das FG ist davon ausgegangen, dass die Kläger im Rahmen der Vermietung der Ferienwohnung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt haben. Bei der Vermietung einer Ferienwohnung kann ein Gewerbebetrieb nur angenommen werden, wenn vom Vermieter bestimmte, ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen erbracht werden oder wenn wegen eines besonders häufigen Wechsels der Mieter eine gewisse – einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb vergleichbare – unternehmerische Organisation erforderlich ist.
BFH, Urteil vom 16.04.2013, IX R 22/12, nicht amtlich veröffentlicht 
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Sachverhalt FG
Die Kläger erwarben 1997 eine Ferienwohnung, welche nach umfangreichen Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten 1999 erstmals vermietet wurde. Die Fremdvermietungen erfolgten durch eine Vermittlungsgesellschaft. Im Vermittlungsvertrag legten die Kläger jährlich 21 Tage zur Selbstnutzung der Ferienwohnung fest.

In den Streitjahren 1997 bis 2006 machten die Kläger erhebliche Verluste aus der Vermietung der Ferienwohnung geltend. Das Finanzamt überprüfte die Überschusserzielungsabsicht anhand einer Prognoseberechnung über einen Zeitraum von 30 Jahren und stellte einen Totalverlust fest. Folglich erkannte das Finanzamt die geltend gemachten Verluste aufgrund fehlender Überschusserzielungsabsicht nicht an.

Entscheidung FG
Die Verluste aus Vermietung und Verpachtung sind steuermindernd zu berücksichtigen. Das Finanzamt hat trotz Selbstnutzung der Ferienwohnung von 21 Tagen pro Jahr zu Unrecht eine Überschussprognose für die Ferienwohnungsvermietung verlangt. Die festzusetzende Einkommensteuer der Streitjahre ist neu zu berechnen, indem die Gesamtaufwendungen der Kläger zeitanteilig im Verhältnis der vorbehaltenen Selbstnutzungstage zu den Gesamttagen des jeweiligen Streitjahres gekürzt werden. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Die Regelung des § 21 EStG zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beruht auf der Annahme, dass die langfristige Vermietung und Verpachtung trotz über längere Zeiträume anfallender Werbungskostenüberschüsse in der Regel letztlich zu positiven Einkünften führt (vgl. BFH-Urteil vom 30.09.1997 und BFH-Beschluss vom 05.03.2007). Daher ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Einkunftserzielungsabsicht gegeben ist. Dies gilt auch für Ferienwohnungen, wenn diese ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten werden (vgl. BFH-Urteil vom 06.11.2001). Das Vermieten einer Ferienwohnung ist einer auf Dauer angelegten Vermietung nach der Rechtsprechung des BFH allerdings nur dann vergleichbar, wenn die Ferienwohnung im ganzen Jahr (bis auf die üblicherweise vorkommenden Leerstandzeiten) an wechselnde Feriengäste vermietet wird (vgl. BFH-Urteil vom 26.10.2004). Unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige die Ferienwohnung in Eigenregie vermietet oder mit der Vermietung einen Dritten beauftragt. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist immer dann anhand einer überschlägigen Betrachtung der bisherigen Verlustsituation und einer auf einen Zeitraum von 30 Jahren angelegten Prognose nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 06.11.2001 zu überprüfen, wenn das Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen an den jeweiligen Ferienorten um mindestens 25% unterschreitet.

Der BFH hat sich zudem für eine Überprüfung der Überschusserzielungsabsicht ausgesprochen, wenn sich der Steuerpflichtige auch in einer vorformulierten Vertragsbedingung die Möglichkeit der Selbstnutzung vorbehalten hat. Fraglich ist, ob die Grundsätze zur Unterstellung der Überschusserzielungsabsicht für die langfristige Vermietung einer Immobilie an fremde Dritte auf die Vermietung einer einzelnen Ferienwohnung zu übertragen sind (vgl. BFH-Urteil vom 30.09.1997). Nach der Überzeugung des Senats ist jedenfalls die Vermietung eines fremdvermieteten Mehrfamilienhauses, bei der private Einflüsse wie die Selbstnutzung ausgeschlossen sind, nicht zu vergleichen mit der Vermietung einer Ferienwohnung, die zumindest teilweise leersteht und daher auch für die Selbstnutzung zur Verfügung steht.
Nutzt ein Steuerpflichtiger eine vermietete Ferienwohnung nur an wenigen Tagen selbst oder behält er sich eine gewisse Anzahl an Tagen die Selbstnutzung vor, ist es nicht gerechtfertigt diesen Steuerpflichtigen steuerlich schlechter zu stellen als einen Steuerpflichtigen, der eine Ferienwohnung in Eigenregie vermietet, sich dabei quasi die Selbstnutzung ganzjährig vorbehält und gleichwohl 76% der ortsüblichen Vermietungstage erreicht. Entscheidendes Indiz ist allein das erhebliche Unterschreiten der ortsüblichen Vermietungstage. Es besteht kein Anlass an der Überschusserzielungsabsicht eines Steuerpflichtigen zu zweifeln, der seine Ferienwohnung an 21 Tagen im Jahr selbst nutzt, aber auf der anderen Seite die ortsüblichen Vermietungstage in etwa erreicht oder sogar übertrifft. Nur auf diese Weise kann eine Gleichbehandlung zwischen den Fällen der Vermietung über einen Vermittler mit den Fällen der Vermietung in Eigenregie erreicht werden (vgl. FG Köln, Urteil vom 30.06.2011).
Im Ergebnis ist trotz der tatsächlichen Selbstnutzung der Kläger, die in den normalen Saisonzeiten stattfand, ohne Prüfung von einer Überschusserzielungsabsicht auszugehen, denn die Kläger liegen mit ihren tatsächlichen Vermietungstagen weit über der 75%-Grenze. 

Betroffene Norm

§ 21 Abs. 1 EStG, Streitjahre 1997 bis 2006

Fundstellen

BFH, Urteil vom 16.04.2013, IX R 22/12, nicht amtlich veröffentlicht 
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 07.03.2012, 9 K 180/09

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 30.09.1997, IX R 80/94, BStBl II 1998, S. 771
BFH, Beschluss vom 05.03.2007, X B 146/05, BFH/NV 2007, S. 1125
BFH, Urteile vom 06.11.2001, IX R 97/00, BStBl II 2002, S. 726
BFH, Urteil vom 26.10.2004, IX R 57/02, BStBl II 2005, S. 388
BFH, Urteil vom 30.09.1997, IX R 80/94, BStBl II 1998, S. 771
Finanzgericht Köln, Urteil vom 30.06.2011, 10 K 4965/07, BFH-anhängig: IX R 26/11

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