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16.11.2012
Private Einkommensteuer

BFH: Wirtschaftliches Eigentum an einer Kapitalbeteiligung

Der BFH hat die Auffassung des FG bestätigt. Der vom Kläger realisierte Veräußerungsgewinn wurde zutreffend der Besteuerung nach § 17 Abs. 1 S. 1 und 5 EStG unterworfen.
BFH, Urteil vom 01.08.2012, IX R 6/11, nicht amtlich veröffentlicht
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Das wirtschaftliche Eigentum ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen. Mit einer Unterbeteiligung wird das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil nur dann begründet, wenn der Unterbeteiligte nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte wie Vermögens- und Verwaltungsrechte ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.

Sachverhalt FG

Der Vater des Klägers war an der KG C als Kommanditist beteiligt und hat seinen Kindern (u.a. dem Kläger) Unterbeteiligungen eingeräumt. Mit Vertrag vom 12.08.1988 brachten die Gesellschafter der KG C ihre Gesellschaftsanteile gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (Kommanditbeteiligungen) in die KG H ein und wandelten am 15.08.1988 die KG H in eine AG um. Der Vater des Klägers hielt nach der Unternehmensumwandlung 48,9 % des Grundkapitals der AG. Hinsichtlich der Unterbeteiligungen schloss der Vater des Klägers mit dem Kläger und dessen Geschwistern am 10.08.1988 drei getrennte Unterbeteiligungsverträge und am 15.08.1988 einen gemeinsamen Konsortialvertrag. Am 19.03.1998 brachte der Vater des Klägers die mit den Unterbeteiligungsverhältnissen belasteten Aktien an der AG in eine GbR gegen Gewährung eines Gesellschaftsanteils ein. Dementsprechend übertrugen auch der Kläger und seine Geschwister ihre gemäß Vertrag vom 10.08.1988 bestehenden Unterbeteiligungen jeweils gegen Gewährung eines Gesellschaftsanteils an der GbR. Der Kläger und seine Geschwister wurden an dem Vermögen der GbR zu jeweils 1/3 beteiligt; der Vater des Klägers wurde an dem Vermögen der GbR nicht beteiligt. Die Beteiligung des Klägers an der AG betrug danach 16,67 %. Am 22.09.1998 veräußerte die GbR die Aktien an der AG. Streitig ist, ob ein Veräußerungsgewinn im Sinne von § 17 Abs. 1 S. 5 EStG vorliegt.

Entscheidung FG

Das Finanzamt hat zutreffend im Jahr 1998 einen Veräußerungsgewinn im Sinne von § 17 Abs. 1 S. 5 EStG angenommen. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und sich die Beteiligung in seinem Privatvermögen befunden hat (§ 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG). Hat der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben, so liegt auch dann ein Veräußerungsgewinn vor, wenn der Veräußerer zwar nicht selbst, aber der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war (§ 17 Abs. 1 S. 5 EStG).

Voraussetzung für die Zurechnung einer Beteiligung im Sinne des § 17 EStG ist, dass der Kläger zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien geworden ist. Bei Begründung der Unterbeteiligung an den Aktien anlässlich der Umwandlung der KG H in die AG im Jahr 1988 hat der Kläger kein zivilrechtliches Eigentum erlangt. Wirtschaftliches Eigentum liegt vor, wenn ein anderer als der (zivilrechtliche) Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO). Ein an einem Kapitalgesellschaftanteil Unterbeteiligter ist nur dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte wie Vermögens- und Verwaltungsrechte ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann (vgl. BFH, Urteile vom 18.05.2005 und vom 08.11.2005). Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen.

Dem Kläger stand im Jahr 1988 nur ein begrenzter Gewinnanteil zu, er durfte nicht frei über die ihm eingeräumte Unterbeteiligung verfügen und auch die Vermögens- und Verwaltungsrechte standen ihm nicht uneingeschränkt zu. Das wirtschaftliche Eigentum ging deshalb nicht schon im Jahr 1988 auf den Kläger über. Wirtschaftliches Eigentum an den Aktien im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO hat der Kläger vielmehr erst bei Übertragung der Aktien vom Vater des Klägers auf die GbR zum 19.03.1998 erlangt. Da diese Übertragung unentgeltlich erfolgte, waren zum Zeitpunkt der Veräußerung der Aktien am 22.09.1998 die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 S. 5 EStG erfüllt, so dass beim Kläger ein Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 1 S. 1 EStG entstanden ist, der bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu erfassen ist.

Betroffene Norm

§ 17 Abs. 1 S. 5 EStG, § 39 Abs. 2 AO
Streitjahr 1998

Fundstellen

Finanzgericht Münster, Urteil vom 25.11.2010, 3 K 2791/09 E, F; BFH, Urteil vom 01.08.2012, IX R 6/11, nicht amtlich veröffentlicht

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 18.05.2005, VIII R 34/01, BStBl II 2005, S. 857
BFH, Urteil vom 08.11.2005, VIII R 11/02, BStBl II 2006, S. 253

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