FG Münster: Inkongruente Gewinnausschüttung kein Gestaltungsmissbrauch
Sachverhalt
Die Klägerin war Komplementärin der H. KG und hielt in ihrem Sonderbetriebsvermögen 40% am Stammkapital einer GmbH. Ihre GmbH-Beteiligung übertrug sie am 26.09.2000 unentgeltlich an den Mitgesellschafter P mit Wirkung zum 02.01.2001. Zugleich wurde vereinbart, dass der in der Vergangenheit thesaurierte Gewinn der GmbH ausschließlich an die Klägerin ausgeschüttet wird.
Die Betriebsprüfung behandelte die „inkongruente“ Gewinnausschüttung als eine verdeckte Kaufpreiszahlung und erfasste einen entsprechenden Veräußerungsgewinn der Klägerin als Sonderbetriebseinnahme.
Streitig ist, ob die Übertragung des Gesellschafteranteils der Klägerin eine entgeltliche Veräußerung darstellt.
Entscheidung
Die Klägerin hat im Streitjahr keinen Gewinn aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an der GmbH erzielt. Das Finanzamt hat die Zurechnung des Gewinns aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen als Sonderbetriebsausgaben rechtswidrig vorgenommen. Die ausgeschütteten Gewinne sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern.
Die Annahme des Finanzamtes, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise handele es sich bei der Gewinnausschüttung um eine verdeckte Kaufpreiszahlung, wird von den Feststellungen der Betriebsprüfung nicht getragen. Der Klägerin, die altersbedingt aus der GmbH ausschied, kam es darauf an, einen Ausgleich für die in der Vergangenheit erwirtschafteten und auf sie entfallenden Gewinne der GmbH zu erhalten. Dieses Ergebnis wäre zwar auch durch eine Veräußerung zu erreichen gewesen. Der Sachverhalt birgt jedoch keine Veranlassung, dass ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 AO vorliegt, der es rechtfertigen würde, eine Gewinnausschüttung in ein Veräußerungsgeschäft umzudeuten. Der Gestaltungsmissbrauch läge nur im Falle einer Steuerumgehung vor. In der Regel ist der einfachste rechtliche Weg der angemessene und im Streitfall ist die gewählte Rechtsgestaltung weder in einzelnen Schritten noch insgesamt als unangemessen zu beurteilen. Insoweit hat die Klägerin von zwei steuerlich gangbaren Wegen die für sie günstigere Alternative gewählt. Hierdurch wird das Steuergesetz nicht umgangen, es wird lediglich genutzt um den erstrebten wirtschaftlichen Zweck zu optimieren.
Da es originäres Recht der Gesellschafter einer GmbH ist, die Gewinnverteilung sowie die Gewinnverwendung zu regeln, haben die Klägerin und der Mitgesellschafter gesellschaftsrechtlich zulässig eine Gewinnausschüttung an die Klägerin beschlossen. Die Ausschüttung an die Klägerin erfolgte der Höhe nach entsprechend ihrer Beteiligung an den thesaurierten Gewinnen der Vergangenheit. Die Ausschüttung ist allenfalls zeitlich inkongruent. Der BFH hat entschieden, dass von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnausschüttungen (inkongruente Gewinnausschüttungen) gesellschaftsrechtlich zulässig sind und auch weiterhin keine Bedenken bestehen, dem auch in steuerrechtlicher Hinsicht zu folgen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19.08.1999 und 28.06.2006). Insbesondere wird auch dann von keinem Missbrauch ausgegangen, wenn die Gewinnausschüttungen ausschließlich dazu dienen, individuelle Verlustausgleichsmöglichkeiten zu nutzen oder bei einem Gesellschafter anrechenbare Körperschaftsteuerguthaben zu aktivieren. Die Klägerin hat durch eine gesellschaftsrechtlich zulässige Gewinnausschüttung eine Anrechnung ihres Körperschaftsteuerguthabens erreicht. Dass sich ihr Ziel gegebenenfalls auch durch den Abschluss eines Veräußerungsvertrages hätte verwirklichen lassen, widerspricht dem nicht.
Die Revision wurde zugelassen und ist vor dem BFH anhängig: IV R 28/11
Betroffene Norm
§ 42 Abs. 1 S. 1 AO
Streitjahr 2000
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 12.04.2011, 1 K 3117/08 F, BFH-anhängig: IV R 28/11
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 19.08.1999, I R 77/1996, BStBl II 2001, S. 43
BFH, Urteil vom 28.06.2006, I R 97/05, BFH/NV 2006, S. 2207