BFH: Ermittlung des Jahresgrenzbetrags bei später zufließenden Veräußerungsgewinnen
Erzielt ein Kind einen gewerblichen Veräußerungsgewinn, der aufgrund des Veräußerungszeitpunkts im laufenden Veranlagungszeitraum zu erfassen ist, muss der Veräußerungsgewinn auch dann bei der Ermittlung der Einkünfte des Kindes für das laufende Kalenderjahr berücksichtigt werden, wenn er dem Kind tatsächlich erst ein Jahr später zufließt. Gewinneinkünfte sind nicht nach dem Zuflussprinzip zu erfassen, soweit sich aus den Regeln über die Gewinnermittlung ein abweichender Realisationszeitpunkt ergibt. Das Finanzamt hat zu Recht bei der Berechnung der Einkünfte der Kinder auch die Gewinne aus der Veräußerung der atypisch stillen Beteiligungen berücksichtigt und den Kinderfreibetrag nicht gewährt.
BFH, Urteil vom 22.12.2011, III R 69/09
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Sachverhalt FG
Streitig ist die Gewährung von Kinderfreibeträgen für die im Streitjahr in Berufsausbildung befindlichen Kinder des Klägers. Die Gewährung der Kinderfreibeträge war mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Einkünfte und Bezüge den maßgeblichen Jahresgrenzbetrag im Streitjahr aufgrund eines nach Gewinnermittlungsgrundsätzen im Streitjahr angefallenen Auseinandersetzungsguthabens aus einer jeweils atypisch stillen Beteiligung, welches den Kindern jedoch entsprechend den Regelungen im Gesellschaftsvertrag erst Ende des folgenden Jahres ausgezahlt wurde, überstiegen hatten.
Entscheidung FG
Die Jahresgrenzbetragsregelung im Rahmen der Kinderfreibetragsregelung verfolgt den Zweck der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Verschonung des Familienexistenzminimums, d.h. es sind diejenigen Eltern von finanziellen Entlastungen auszuschließen, deren Kinder über eigene Einkünfte und Bezüge in einer das Existenzminimum übersteigenden Höhe verfügen. Entscheidend für die Einbeziehung von Mitteln des Kindes in die Einkünfte und Bezüge ist nach diesem Konzept die mögliche Entlastungswirkung bei den unterhaltspflichtigen Eltern. Dabei ist nicht auf den reinen Zuflusszeitpunkt abzustellen. Entgegen der Ansicht des Klägers sind demnach nicht nur zugeflossene, also tatsächlich vorhandene Mittel als Einkünfte zu berücksichtigen. Bei seiner Wertentscheidung berücksichtigt das FG Köln auch, dass es sich bei dem Kindergeldrecht um ein Massenverfahren handelt und von den Familienkassen schon deshalb nicht verlangt werden kann, jede Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich unter Zuflussgesichtspunkten um noch nicht zugeflossene Forderungen bzw. noch nicht abgeschlossene Verbindlichkeiten zu korrigieren.
Fundstellen
Finanzgericht Köln, Urteil vom 20.08.2009, 10 K 1180/06, EFG 2010, S. 334;
BFH, Urteil vom 22.12.2011, III R 69/09