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02.08.2018
Private Einkommensteuer

BFH: Vorab-Gewinnverteilungsbeschluss bei Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen

Bei Vorhandensein eines steuerlich anzuerkennenden Gewinnverteilungsbeschlusses sind vorab vereinbarte Ausschüttungen im Folgejahr nach Ausscheiden eines Gesellschafters und Veräußerung seines Anteils an der GmbH an einen anderen Gesellschafter als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu behandeln. Eine nachträgliche Erhöhung des Veräußerungserlöses beim ausgeschiedenen Gesellschafter oder eine Zurechnung beim erwerbenden Gesellschafter scheidet also aus.

Sachverhalt

Der Kläger war zusammen mit seinem Bruder im Streitjahr 2007 zu jeweils 50 % an einer GmbH beteiligt. Mit Geschäftsanteilsübertragungsvertrag veräußerte er seine Anteile mit Wirkung zum 31.12.2007 an seinen Bruder. Des Weiteren wurde die Vereinbarung getroffen, dass der in 2007 erwirtschaftete Gewinn hälftig im nachfolgenden Jahr als Dividende an den Kläger ausgeschüttet werden soll.
Für 2007 erklärte der Kläger einen § 17 EStG-Gewinn aus der Veräußerung der Anteile. Streitig ist die Behandlung der in 2008 erfolgten Ausschüttung. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Ausschüttung nicht, wie vom Kläger erklärt, um Kapitalerträge, sondern um ein zusätzliches Entgelt für die Anteilsübertragung handele, das den Veräußerungsgewinn in 2007 erhöhe. Das FG gab der Klage statt.

Entscheidung

Das FG habe zu Recht die an den Kläger in 2008 ausgeschüttete Dividende der GmbH nicht als nachträgliche Einnahmen aus der Veräußerung von Anteilen dieser Gesellschaft in 2007, sondern als Einkünfte aus Kapitalvermögen in 2008 berücksichtigt.

Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist, was regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung ist (BFH-Urteil vom 20.07.2010, IX R 45/09). Eine nachträgliche Änderung des Veräußerungspreises kann grundsätzlich auch auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirken.

Als Veräußerungspreis ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer am maßgebenden Stichtag erlangt, anzusetzen (BFH-Urteil vom 13.10.2015, IX R 43/14). Nicht zum Veräußerungspreis gemäß § 17 Abs. 2 EStG zählen Leistungen der Kapitalgesellschaft i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG an den veräußernden Gesellschafter, die von Gesetzes wegen dem Veräußerer der später übertragenen Kapitalbeteiligung steuerrechtlich zuzurechnen sind, so der BFH. Die persönliche Zurechnung solcher Kapitalerträge richtet sich nach § 20 Abs. 2a EStG a.F. (jetzt § 20 Abs. 5 EStG), wonach Einkünfte aus Kapitalvermögen der Anteilseigner erzielt. Anteilseigner i.S. dieser Vorschrift ist derjenige, dem die Anteile an der Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zivilrechtlich oder wirtschaftlich (BFH-Urteil vom 16.04.2014, I R 2/12) zuzurechnen sind.

Die Würdigung des FG, die Vertragsparteien des Geschäftsanteilsübertragungsvertrages hätten in der Vereinbarung einen wirksamen Gewinnverteilungsbeschluss gefasst, lässt nach Auffassung des BFH weder einen Verstoß gegen Auslegungsgrundsätze noch einen Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze erkennen, weshalb sie für den BFH bindend sei. Die Vereinbarung des Geschäftsanteilsübertragungsvertrages entspräche den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen und sei daher zivilrechtlich wirksam.

Denn die Verteilung des Ergebnisses einer GmbH, welche dem Grunde nach im Verhältnis der Geschäftsanteile vorzunehmen sei, könne mit Zustimmung aller Gesellschafter auch abweichend von gesetzlichen Grundregeln erfolgen. Eine derartige, von allen an der GmbH beteiligten Gesellschaftern einstimmig beschlossene Gewinnverteilung könne gesellschaftsrechtlich auch schon vor Ablauf des Geschäftsjahres und Feststellung des Jahresabschlusses vorgenommen werden. Eine entsprechende, zivilrechtlich wirksame Vorab-Gewinnverteilung sei grundsätzlich steuerrechtlich anzuerkennen. Die Voraussetzungen für eine von gesetzlichen Grundregeln abweichende schriftliche Beschlussfassung ohne vorherige Einberufung einer Gesellschafterversammlung bei gleichzeitiger Anwesenheit aller Gesellschafter seien im Streitfall laut BFH erfüllt.

Betroffene Normen

§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 20 Abs. 2a EStG a.F. (jetzt § 20 Abs. 5 EStG), § 17 EStG
Streitjahr 2007

Vorinstanz

FG Köln, Urteil vom 21.09.2016, 14 K 3263/13, EFG 2016, S. 1949

Anmerkung

Finanzministerium Schleswig-Holstein, Erlass vom 16.12.2019, VI 3012-S 2252-384

Das Finanzministerium Schleswig-Holstein hat mit Erlass vom 16.12.2019 beschlossen, die vom BFH mit Urteil vom 13.03.2018 (IX R 35/16) aufgestellten Kriterien zum Vorliegen von Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG beim ausscheidenden Gesellschafter über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Zusammenfassend führt es aus, dass beim ausscheidenden Gesellschafter anstelle eines (nachträglichen) Veräußerungserlöses i.S.d. § 17 EStG Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG insbesondere dann vorliegen, wenn

  • ein zivilrechtlich wirksamer und von allen an der GmbH beteiligten Gesellschaftern einstimmig beschlossener vorweggenommener Gewinnverteilungsbeschluss vorliegt,
  • Beschlussgegenstand der laufende Gewinn der GmbH im Wirtschaftsjahr der Veräußerung der Geschäftsanteile sowie etwaige vorhandene Gewinnrücklagen sind und
  • ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) ausgeschlossen ist.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 13.03.2018, IX R 35/16

Weitere Fundstellen

Finanzministerium Schleswig-Holstein, Erlass vom 16.12.2019, VI 3012-S 2252-384

BFH, Urteil vom 13.10.2015, IX R 43/14, BStBl. II 2016, S. 212, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 20.07.2010, IX R 45/09, BStBl. II 2010, S. 969, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 16.04.2014, I R 2/12, BFHE 246, S. 15, siehe Deloitte Tax-News 

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