BFH: Veranlagungszeitraumbezogener Beteiligungsbegriff
Der BFH hat im Hauptsacheverfahren in seinem Urteil vom 11.12.2012 nunmehr in gleicher Weise entschieden. Der Beteiligungsbegriff gem. § 17 Abs. 1 S. 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist veranlagungszeitraumbezogen auszulegen, indem das Tatbestandsmerkmal „innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt“ in § 17 Abs. 1 S. 1 EStG für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der in diesem Veranlagungszeitraum jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen ist.
BFH, Urteil vom 11.12.2012, IX R 7/12, BStBl II 2013, S. 372
inhaltsgleich: BFH, Urteil vom 11.12.2012, IX R 34/11, nicht amtlich veröffentlicht
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Das Absenken der Wesentlichkeitsgrenze von im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Anteilen auf 10 % gilt erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999. Bei einer veranlagungszeitraumbezogenen Auslegung des Beteiligungsbegriffs erzielt ein GmbH-Gesellschafter, der auch in den früheren Veranlagungszeiträumen nicht wesentlich (d.h. nicht zu mehr als 25 %) beteiligt war, demnach keinen steuerbaren Veräußerungsgewinn (AdV-Verfahren).
Sachverhalt
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war bis zum 28.12.1997 an der B-AG mit 13,52 %, seit dem 29.12.1997 mit 9,98 % und seit dem 27.12.1998 mit 9,22 % beteiligt. Am 01.12.1999 (Streitjahr) veräußerte er 50.000 Aktien und erzielte dabei einen Veräußerungsgewinn. Das Finanzamt unterwarf die Wertsteigerungen der Beteiligung, die auf den Zeitraum nach dem 31.03.1999 erzielt worden sind, der Besteuerung nach § 17 EStG. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er habe zu keinem Zeitpunkt die Wesentlichkeitsschwelle nach der jeweils gültigen Fassung des Gesetzes überschritten.
Entscheidung
Die Vollziehung des angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheides ist insoweit aufzuheben, als darin ein Veräußerungsgewinn gemäß § 17 EStG angesetzt wurde.
Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich, d.h. zu mindestens 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 EStG). Die Wesentlichkeitsgrenze von 10 % gilt erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 (§ 52 Abs. 1 EStG). Daraus folgt, dass sie für frühere Veranlagungszeiträume nicht anwendbar ist und es deshalb unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige, der im Jahr 1999 eine Beteiligung unter 10 % veräußert, innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft über 10 %, aber bis einschließlich 25 % beteiligt war. Denn in den Veranlagungszeiträumen vor 1999 war eine wesentliche Beteiligung nur dann gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (so § 17 Abs. 1 S. 4 EStG in früheren Fassungen). Dieser sog. veranlagungszeitraumbezogene Beteiligungsbegriff (so für Verlustfälle bereits BFH-Urteil vom 29.05.2008) entsprach der überwiegenden Auffassung im Schrifttum, indes nicht der damaligen Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 01.03.2005). Das BVerfG hat dieses Urteil aber aufgehoben (BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010). Die dort entschiedene Rechtsfrage ist wieder offen.
Es ist mithin zweifelhaft, ob sich die Beteiligungsgrenze nach der im Jahr der Veräußerung geltenden Wesentlichkeitsgrenze richtet - und damit zurückwirkt - oder ob der Beteiligungsbegriff veranlagungszeitraumbezogen auszulegen ist, indem das Tatbestandsmerkmal "innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt" in § 17 Abs. 1 EStG für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der in diesem Veranlagungszeitraum jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen ist. Der Wertzuwachs in den Zeiträumen vor dem Realisationszeitraum muss steuerbar, also der Einkommensteuer unterlegen haben. Dies ist aber nur der Fall, wenn der Steuerpflichtige in qualifizierter Weise an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Die sog. latente Verstrickung muss irgendwann einmal aktuell geworden sein.
Betroffene Norm
§ 17 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002
Streitjahr 1999
Vorinstanzen
Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2011, 6 V 407/11
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28.12.2011, 6 K 3822/11 (zu IX R 7/12)
Fundstelle
BFH, Beschluss vom 24.02.2012, IX B 146/11
inhaltsgleich: BFH, Urteil vom 11.12.2012, IX R 34/11, nicht amtlich veröffentlicht
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 01.03.2005, VIII R 25/02, BStBl II 2005, S. 436
BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BStBl II 2011, S. 86, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 29.05.2008, IX R 62/05, BStBl II 2008, S. 856