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23.03.2012
Private Einkommensteuer

BFH: Überschreitung der Wesentlichkeitsschwelle für eine juristische Sekunde

Werden im Rahmen eines Gesamtplanes GmbH-Anteile übertragen und durch eine Kapitalerhöhung die Beteiligungshöhe zeitgleich auf genau 25 % (Quartettbildung) reduziert, so vermittelt die der Kapitalerhöhung vorhergehende Anteilsübertragung und die Überschreitung der Wesentlichkeitsschwelle für nur eine juristische Sekunde kein wirtschaftliches Eigentum an einer wesentlichen Beteiligung.

Sachverhalt

Der Kläger war ursprünglich zu 100 % an der R-GmbH beteiligt. Im Rahmen eines Gesamtplans veräußerte er seiner Ehefrau, der Klägerin, am 27.12.1994 Geschäftsanteile in Höhe von 50,4 % mit Gewinnbezugsrecht zum 01.01.1995. In einer weiteren Urkunde wurde zum gleichen Zeitpunkt die Erhöhung des Stammkapitals der R-GmbH beschlossen, so dass die Klägerin nur noch zu 25 % an der R-GmbH beteiligt war. An der O-GmbH war die Klägerin zu 24,99 % beteiligt. Am 27.12.1994 hat sie einen weiteren Anteil an der O-GmbH in Höhe von 0,59 % mit anteiligem Gewinnbezugsrecht zum 01.01.1995 hinzuerworben. Ebenfalls am 27.12.1994 erfolgte die Erhöhung des Stammkapitals der O-GmbH, so dass die Klägerin anschließend mit weniger als 25 % beteiligt war. Die Anteile an der R-GmbH und an der O-GmbH wurden mit Vertrag vom 10.12.1997 veräußert. Nach den Vorstellungen aller Beteiligten sollte eine Quartettbeteiligung angestrebt werden und kein Gesellschafter sollte zu irgendeinem Zeitpunkt zu mehr als 25 % an den Gesellschaften beteiligt sein. Nach Ansicht des FG ruft die Überschreitung der Wesentlichkeitsschwelle für nur eine juristische Sekunde einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn hervor.

Entscheidung

Die Revision ist begründet. Das FG ist zu Unrecht von einer wesentlichen Beteiligung der Klägerin an der R-GmbH und an der O-GmbH ausgegangen. Der Gewinn aus der Veräußerung der Geschäftsanteile der Klägerin sind nicht der Besteuerung zu unterwerfen.

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich (zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar) beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen gehalten hat (§ 17 Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung). Das wirtschaftliche Eigentum ist Voraussetzung für die Zurechnung der (weiterveräußerten) Beteiligung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22.07.2008 und 17.02.2004). Die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers ist dadurch gekennzeichnet, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO). Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Dabei ist nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend (vgl. BFH-Urteile vom 11.07.2006 und 09.10.2008).

Die Klägerin hat vor den Kapitalerhöhungen der streitbefangenen Gesellschaften keine tatsächliche Verfügungsbefugnis über eine Beteiligung von über 25 % erworben. Vielmehr wurde am 27.12.1994 in Gestalt der Anteilsübertragungen und Kapitalerhöhungen von vorneherein ein endgültiger Anteilserwerb der Klägerin von 25 % vereinbart. Die Klägerin hatte zu keinem realen Zeitpunkt die tatsächliche Möglichkeit, aus einer wesentlichen Beteiligung von über 25 % resultierende Rechte - jenseits der Mitwirkung an der jeweiligen Kapitalerhöhung - auszuüben oder gar im Konfliktfall effektiv durchzusetzen. Während des Abschlusses der Vereinbarungen vom 27.12.1994 bestand die Position der Klägerin allein in der im Rahmen der vertraglichen Gesamtkonzeption vorgesehenen und insoweit gebundenen Mitwirkung an der Herstellung der vorweg vereinbarten Gesellschaftsstruktur unter Reduzierung der eigenen Beteiligungsquote. Die aus ihrer Beteiligung im Vorfeld der Kapitalerhöhungen resultierenden Verwaltungsrechte konnte die Klägerin ausschließlich in Gestalt einer entsprechend gebundenen Stimmrechtsausübung wahrnehmen. Die an den Verträgen vom 27.12.1994 Beteiligten unterzeichneten diese als Teilakte eines von vornherein klaren Gesamtvertragskonzepts, nämlich jeder Partei genau 25 % der Anteile an den beiden Gesellschaften zu verschaffen. Für die tatsächliche Wahrnehmung von vermögensrechtlichen Ansprüchen aus einer Beteiligung von über 25 % ließ die konkrete Vertragsgestaltung keinerlei Raum (vgl. BFH-Urteil vom 25.05.2011).

Dies gilt auch für die Zeit zwischen dem 27.12.1994 und der Eintragung der Kapitalerhöhungen ins Handelsregister. Auch die Übertragung des jeweiligen Gewinnbezugsrechts in den einzelnen Anteilsübertragungen ist Bestandteil des Gesamtvertragskonzepts, das durch die Einzelverträge am 27.12.1994 verwirklicht wurde. Danach sind auch die Übertragungen - vor dem Hintergrund des wirtschaftlich Gewollten - nur so auszulegen, dass die Klägerin ein Gewinnbezugsrecht lediglich in Höhe von 25 % übertragen bekommen sollte. Auf den Zeitpunkt der Eintragung der Kapitalerhöhung kommt es danach nicht an. Soweit die frühere Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 14.03.2006) in vergleichbaren Zusammenhängen formal-rechtlichen Aspekten ein noch stärkeres Gewicht beigemessen hat, hält der Senat daran nicht mehr fest (vgl. BFH-Urteil vom 25.05.2011).

Die Klägerin war innerhalb der letzten fünf Jahre weder am Kapital der R-GmbH noch am Kapital der O-GmbH wesentlich i.S. des § 17 Abs. 1 EStG beteiligt, so dass der Gewinn aus der Veräußerung ihrer GmbH-Anteile nicht der Besteuerung unterliegt.

Betroffene Norm

§ 17 Abs. 1 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO
Streitjahr 1997

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.09.2010, 13 K 997/08 E, EFG 2011, S. 961, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 05.10.2011, IX R 57/10, BStBl II 2012, S. 318

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 22.07.2008, IX R 61/05, BFH/NV 2008, S. 2004
BFH, Urteil vom 17.02.2004, VIII R 26/01, BStBl II 2004, S. 651
BFH, Urteil vom 25.05.2011, IX R 23/10, BFH/NV 2011, S. 1935 siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 11.07.2006, VIII R 32/04, BStBl II 2007, S. 296
BFH, Urteil vom 09.10.2008, IX R 73/06, BStBl II 2009, S. 140
BFH, Urteil vom 14.03.2006, VIII R 49/04, BStBl II 2006, S. 746

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