BFH: Kein Abzug von nachträglichen Werbungskosten bei Kapitaleinkünften
Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach der Veräußerung entfallen, können ab dem Veranlagungszeitraum 2009 nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden.
Sachverhalt
Der Kläger hat nach Veräußerung einer wesentlichen GmbH-Beteiligung in 2001 die in den Folgejahren weiterhin auf die Refinanzierung eines Gesellschafterdarlehens entfallenden Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen abgezogen. Während das Finanzamt den für das Streitjahr 2009 geltend gemachten Werbungskostenabzug versagte, gab das FG der dagegen erhobenen Klage statt.
Entscheidung
Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die vom Kläger geltend gemachten Schuldzinsen im Streitjahr als nachträgliche Werbungskosten bei dessen Einkünften aus Kapitalvermögen abzuziehen seien.
Nach Änderung seiner Rechtsprechung vertrat der BFH die Auffassung, dass Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach der Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend gemacht werden können (BFH-Urteil vom 16.03.2010).
Ab dem Veranlagungszeitraum 2009 gelte dies jedoch nicht mehr. Denn mit der Einführung einer Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge habe der Gesetzgeber ein umfassendes Abzugsverbot für Werbungskosten angeordnet: Nach § 20 Abs. 9 S. 1 EStG seien Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 17 Abs. 1 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2009 grundsätzlich nicht mehr abzuziehen. Abziehbar sei lediglich ein Sparer-Pauschbetrag (801 Euro, bei Ehegatten 1.602 Euro). Dieser Ausschluss des Abzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten halte verfassungsrechtlichen Anforderungen stand.
Dem stehe auch § 52a Abs. 10 S. 10 EStG 2009 nicht entgegen, wonach § 20 Abs. 9 EStG erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden sei. Zu Fallkonstellationen, in denen nach dem 31.12.2008 keine Kapitalerträge zufließen, treffe die Regelung indes keine Aussage. Für diese Konstellationen gelte folglich die gesetzliche Grundregelung des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG. Danach stelle bei den Überschusseinkünften - wie z.B. bei den Einkünften aus Kapitalvermögen - der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten die Einkünfte dar. Für Kapitaleinkünfte werde der Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten mit § 2 Abs. 2 S. 2 EStG ausgeschlossen, wenn es dort heiße: "Bei Einkünften aus Kapitalvermögen tritt § 20 Absatz 9 vorbehaltlich der Regelung in § 32d Abs. 2 an die Stelle der §§ 9 und 9a." Diese Regelung, welche gemäß § 52a Abs. 2 EStG 2009 erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2009 anzuwenden sei, schließe damit für das Jahr 2009 (Streitjahr) den Werbungskostenabzug für die vom Kläger geltend gemachten nachträglichen Schuldzinsen aus.
Betroffene Normen
§ 20 Abs. 9 S. 1 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008, § 17 Abs. 1 EStG
Streitjahr 2009
Anmerkung
Mit Urteil vom 09.06.2015 hat der BFH nun entschieden, dass das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 S. 1 EStG verfassungsgemäß ist.
Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.11.2012, 2 K 3893/11 E, EFG 2013, S. 926, siehe Deloitte Tax-News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 01.07.2014, VIII R 53/12
Pressemitteilung Nr. 68 vom 15.10.2014
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 09.06.2015, VIII R 12/14
BFH, Urteil vom 16.03.2010, VIII R 20/08, BStBl II 2010, S. 787, siehe Deloitte Tax-News