Zurück zur Übersicht
08.02.2013
Private Einkommensteuer

BFH: Einkünfteerzielungsabsicht bei langjährigem Leerstand von Wohnungen

Der BFH hat die Grundsätze präzisiert, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für langjährig leerstehende Wohnimmobilien als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sind. Voraussetzung für eine Abzugsfähigkeit ist, dass der Steuerpflichtige seine Einkünfteerzielungsabsicht nicht aufgegeben hat und die Vermietungsabsicht ernsthaft verfolgt. Keine ernsthaften und nachhaltigen Vermietungsbemühungen während des Leerstandes von Wohnungen sind anzunehmen, wenn die Bemühungen über eine lange Zeitspanne erfolglos bleiben und der Vermieter sein Verhalten weder durch Intensivierung seiner Vermietungsbemühungen oder Wahl von geeigneteren Wegen der Vermarktung noch durch Änderung der Zielrichtung (etwa Zugeständnisse bei der Miethöhe) anpasst.

Sachverhalt

Der Kläger ist Eigentümer eines im Jahr 1983 bezugsfertig gewordenen Hauses, in dem sich im Erdgeschoss eine vom Kläger selbstgenutzte Wohnung befindet. Die Wohnung im ersten Obergeschoss war bis August 1997 an einen fremden Dritten vermietet, steht seitdem jedoch leer. Der Kläger schaltete etwa alle zwei Monate Chiffreanzeigen in einem überregionalen Zeitungsverbund, in denen er die – ausschließlich möbliert angebotene Wohnung – zu einer dem städtischen Mietspiegel entsprechenden Höhe inserierte. Nach Angaben des Klägers haben sich keine „geeignet erscheinenden Mieter“ gemeldet.

Im Dachgeschoss des Gebäudes befindet sich ein Zimmer mit Bad, welches zu keinem Zeitpunkt vermietet wurde. Zwar hat der Kläger gelegentlich Aushänge in der Nachbarschaft angebracht, mit denen das Zimmer zur Anmietung angeboten wurde, diese blieben aber erfolglos. Für die Streitjahr 2004 bis 2006 habe er auch nicht beabsichtigt, das Objekt zu vermieten.

In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2004 bis 2006 machte der Kläger jeweils Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung geltend, die weder das Finanzamt noch das Finanzgericht unter Hinweis auf fehlende Vermietungsabsicht des Klägers berücksichtigten.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Das FG ist im Streitfall zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Kläger geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse in den Streitjahren nicht zu berücksichtigen sind.

Nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 S. 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Aufwendungen können als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 15.01.2008 und vom 12.05.2009). Die Berücksichtigung bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht aufgegeben hat. Diese Einkünfteerzielungsabsicht ist eine innere Tatsache, die nur anhand äußerlicher Merkmale und damit anhand objektiver Umstände, beurteilt werden kann. Der Tatbestand ist darüber hinaus für jede einzelne vermietete Immobilie gesondert zu prüfen (BFH-Urteile vom 26.11.2008 und vom 24.06.2008).

Der endgültige Entschluss zu vermieten setzt ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen voraus (BFH-Urteile vom 09.07.2003 und vom 28.10.2008). Deren Feststellungslast trägt der Steuerpflichtige (BFH-Urteil vom 09.07.2002).

Aufwendungen für eine nach Herstellung, Anschaffung oder Selbstnutzung leerstehende Wohnung können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige die Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich dieses Objekts erkennbar aufgenommen (und sie später nicht aufgegeben) hat (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2008). Im Streitfall hat der Kläger hinsichtlich des im Dachgeschoss gelegenen Zimmers zu keinem Zeitpunkt eine Einkünfteerzielungsabsicht aufgenommen. Es kann offengelassen werden, ob die vom Kläger behaupteten gelegentlichen „Aushänge in der Nachbarschaft“ hinreichende Vermietungsbemühungen darstellen, da sowohl die tatsächliche Nutzung des Zimmers als privater Abstellraum als auch die Angabe, dass das Zimmer in den Streitjahre gar nicht vermietet werden sollte, gegen eine Einkünfteerzielungsabsicht sprechen.

Aufwendungen für eine Wohnung, die nach vorheriger (auf Dauer angelegter) Vermietung leersteht, sind auch während der Zeit des Leerstands als Werbungskosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat (vgl. BFH-Urteile vom 09.07.2003 und vom 05.04.2005). Im Streitfall hat der Kläger für die Wohnung im ersten Obergeschoss zwar wiederholt Anzeigen geschaltet, unbeschadet dieser Bemühungen hat der Kläger in den Streitjahren jedoch nicht (mehr) mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt. Denn die Tatsache, dass in der langen Zeitspanne seit 1997 kein Mieter gefunden wurde, hätte dem Kläger Anlass geben müssen, seine Vermietungsbemühungen sowohl in der Intensität zu steigern als auch in der Zielrichtung zu verändern. So hätte der Kläger z.B. einen Makler mit der Vermietung beauftragen können oder durch entsprechende Zugeständnisse bei der Miethöhe, Mietdauer oder als Mieter akzeptablen Personen versuchen können, die Attraktivität des Objekts zu erhöhen. 

Betroffene Norm
§ 9 Abs. 1 EStG, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
Streitjahre 2004 – 2006

Anmerkungen

Die Gründe dieser Leitentscheidung vom BFH geben auch Hinweise, wie andere Leerstandssituationen – etwa im Falle regelmäßiger, aber aus anderen Gründen vorübergehend erfolgloser oder nur verhaltener Vermietungsaktivitäten des Steuerpflichtigen – zu beurteilen sind. Daneben nimmt der Senat auch zu der Frage Stellung, wie mit dem langjährigen Leerstand in Gebieten mit einem strukturellen Überangebot von Immobilien zu verfahren ist. 
Seit seinem Urteil vom 11.12.2012 hat der BFH in weiteren Entscheidungen die Grundsätze präzisiert, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für langjährig leerstehende Wohnimmobilien als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sind.

  • BFH, Urteil vom 22.01.2013, IX R 19/11
  • BFH, Urteil vom 11.12.2012, IX R 68/10
  • BFH, Urteil vom 11.12.2012, IX R 9/12, nicht amtlich veröffentlicht (Entscheidung ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem BFH-Urteil vom 11.12.2012, IX R 14/12)
  • BFH, Urteil vom 11.12.2012, IX R 15/12, nicht amtlich veröffentlicht (Entscheidung ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem BFH-Urteil vom 11.12.2012, IX R 14/12) 

Die Revisionsurteile (IX R 41/11, IX R 40/11, IX R 39/11) zu den Urteilen des FG Rheinland-Pfalz vom 14.04.2011 (3 K 2202/08, 3 K 2207/08, 3 K 2206/08) wurden mit Verweis auf das im Wesentlichen inhaltsgleiche vorliegende Urteil ebenfalls am 11.12.2012 entschieden. Nach Auffassung des BFH (Urteil vom 11.12.2012) liegt danach keine Einkünfteerzielungsabischt des Klägers vor, wenn keine Nachweise über Art, Umfang und Intensität von Vermietungsbemühungen in der Leerstandszeit erbracht werden, da es damit an einem Nachweis fehle, dass sich der Vermieter ernsthaft und nachhaltig um eine Vermietung der Wohnung bemüht hat.
BFH, Urteil vom 11.12.2012, IX R 41/11, nicht amtlich veröffentlicht 
BFH, Urteil vom 11.12.2012, IX R 40/11, nicht amtlich veröffentlicht 
BFH, Urteil vom 11.12.2012, IX R 39/11, nicht amtlich veröffentlicht  

Für Gewerbeimmobilien hat der BFH festgelegt, dass hier stets im Einzelfall festzustellen ist, ob der Steuerpflichtige beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Die zu Wohnimmobilien ergangenen Urteile sind hier nicht einschlägig.
BFH, Urteil vom 19.02.2013, IX R 7/10

Vorinstanz
Finanzgericht München, Urteil vom 25.05.2011, 1 K 4079/09, EFG 2012, S. 1058

Fundstelle
BFH, Urteil vom 11.12.2012, IX R 14/12, BStBl II 2013, S. 279 

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 12.05.2009, IX R 18/08, nicht amtlich veröffentlicht
BFH, Urteil vom 26.11.2008, IX R 67/07, BStBl II 2009, S. 370
BFH, Urteil vom 28.10.2008, IX R 1/07, BStBl II 2009, S. 848
BFH, Urteil vom 24.07.2008, IX R 12/07, nicht amtlich veröffentlicht
BFH, Urteil vom 15.01.2008, IX R 45/07, BStBl II 2008, S. 572
BFH, Urteil vom 05.04.2005, IX R 48/04, nicht amtlich veröffentlicht
BFH, Urteil vom 09.07.2003, IX R 102/00, BStBl II 2003, S. 940;
BFH, Urteil vom 09.07.2003, IX R 48/02, nicht amtlich veröffentlicht
BFH, Urteil vom 09.07.2002, IX R 47/99, BStBl II 2003, S. 580
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.04.2011, 6 K 1566/08, EFG 2012, S. 694, BFH-anhängig: IX R 9/12, siehe Deloitte Tax-News

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.