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02.06.2021
Private Einkommensteuer

BFH: Doppelbesteuerung von Renten

BFH-Beschluss vom 24.08.2021 (X B 53/21):

Der BFH stellt unter Berufung auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 19.05.2021, X R 33/19 sowie X R 20/19) klar, dass er keine ernstlichen Zweifel an der bisherigen Berechnungsmethode zur Überprüfung einer doppelten Besteuerung von Altersrenten hat.

So sei eine verfassungsrechtlich unzulässige doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Rentenbeiträge.

Der Vergleich des relativen Anteils von aus versteuerten Beiträgen erdienten Renten-Entgeltpunkten (vgl. § 63 Abs. 2 SGB VI) und dem gesetzlich angeordneten Steuerfreistellungsanteil der Rente stelle keine geeignete Methode zur Berechnung einer eventuellen doppelten Besteuerung dar.

BFH, Beschluss vom 24.08.2021, X B 53/21 (AdV)

BFH-Urteile vom 19.05.2021 (X R 33/19 sowie X R 20/19):

Am 31.05.2021 wurden zwei Grundsatzurteile zur sog. Doppelbesteuerung von Renten veröffentlicht. Der BFH hält die Übergangsregelung zur sog. nachgelagerten Besteuerung für verfassungsgemäß und legt erstmals konkrete Berechnungsparameter für die Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung von Renten fest. Eine gesetzliche Neuregelung, die diese BFH-Rechtsprechung berücksichtigt, gilt als wahrscheinlich. 

Hintergrund

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte mit Urteil vom 06.03.2002 (2 BvL 17/99) den Gesetzgeber zu einer Neuregelung der Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen einerseits und der Besteuerung der Renten andererseits mit Wirkung ab 2005 verpflichtet.

Diesem Auftrag ist der Gesetzgeber mit dem Alterseinkünftegesetz vom 05.07.2004 (BGBl. I 2004, S. 1427) nachgekommen. Seit dem 01.01.2005 sind Rentenbezüge im Grundsatz voll einkommensteuerpflichtig (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG). Im Gegenzug können die Steuerpflichtigen aber ihre Altersvorsorgeaufwendungen – insbesondere ihre Rentenversicherungsbeiträge - als Sonderausgaben von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abziehen (sog. nachgelagerte Besteuerung). Da die Rentner ihre bis 2004 geleisteten Beträge nicht in vollem Umfang hatten einkommensteuerlich geltend machen können, hatte der Gesetzgeber Übergangsregelungen geschaffen. So dürfen ab 2005 Steuerpflichtige vor dem Renteneintritt jedes Jahr einen immer größeren Anteil der Vorsorgeaufwendungen (ab dem Jahr 2025 100%) steuerlich absetzen und gleichzeitig steigt je nach Jahr des Rentenbeginns der steuerpflichtige Anteil von neu beginnenden Renten schrittweise (bis auf 100% im Jahr 2040) an. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber vorgegeben, die zu treffenden Übergangsregelungen „so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird“. Gestritten wurde darüber, ob diese Übergangsregelungen tatsächlich eine Doppelbesteuerung vermeiden bzw. verfassungsgemäß sind.

Sachverhalt (zu X R 33/19)

Die Kläger sind Eheleute, die zusammenveranlagt wurden. Der Kläger war überwiegend selbständig als Steuerberater tätig. Seit 2007 erhielt der Kläger eine Altersrente. Entsprechend der gesetzlichen Übergangsregelung behandelte das Finanzamt 46% der ausgezahlten Rente als steuerfrei. Nach den Berechnungen des Klägers hat er rechnerisch deutlich mehr als 46% seiner Rentenversicherungsbeiträge aus seinem bereits versteuerten Einkommen geleistet.

Nach Auffassung des Klägers liegt eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Teilen seiner Rente vor. Das FG hat die Klage abgewiesen. 

Entscheidung (zu X R 33/19)

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass keine verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Altersbezügen und Altersvorsorgeaufwendungen vorliegt.

Nachgelagerte Besteuerung von Altersbezügen sowie Übergangsregelungen grundsätzlich verfassungsgemäß

Nach dem BFH sind grundlegende Fragen der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Rentenbesteuerung durch das Alterseinkünftegesetz durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 19.01.2010, X R 53/08 und vom 18.11.2009, X R 34/07). Diese Rechtsprechung sei auch durch das BVerfG bestätigt worden (vgl. u.a. BVerfG-Urteile vom 29.09.2015, 2 BvR 2683/11 und 14.06.2016, 2 BvR 290/10).

Keine doppelte Besteuerung im Einzelfall

Allerdings könne im Einzelfall, wenn eine doppelte Besteuerung nachgewiesen wird, aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 21.06.2016, X R 44/14). Eine doppelte Besteuerung liege nicht vor, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge (vgl. auch BFH-Urteil vom 19.01.2010, X R 53/08).

Keine Abweichung vom sog. Nominalwertprinzip

Der Auffassung des Klägers, nach der die zwischen der früheren Beitragszahlung und dem heutigen bzw. künftigen Rentenbezug eintretende Geldentwertung im Rahmen der Berechnung zu berücksichtigen sei, folgte der BFH nicht. Für eine solche Abweichung vom sog. Nominalwertprinzip sah der BFH weder im Einkommensteuerrecht noch im Verfassungsrecht eine Grundlage.

Erstmalige Festlegung von konkreten Berechnungsparameter für die Ermittlung einer doppelten Besteuerung von Renten

Der BFH legt im Urteilsfall erstmalig konkrete Berechnungsparameter für die Ermittlung einer doppelten Besteuerung von Renten fest. So sind für den BFH – entgegen der Auffassung des Klägers - zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen. Nicht zu berücksichtigen seien der Grundfreibetrag, die Kranken und Pflegeversicherungsbeiträge, der Beitragsanteil zur Krankenversicherung, der Werbungskosten-Pauschbetrag und der Sonderausgabenpauschbetrag. 

Ergebnis

Bei Anwendung der vom BFH festgelegten Berechnungsgrundsätze konnte die Revision des Klägers keinen Erfolg haben. So kam der BFH zu dem Schluss, dass der vom FG ermittelte Betrag der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen deutlich geringer ist als die Höhe der dem Kläger voraussichtlich steuerfrei zufließenden Rententeilbeträge, so dass es im Streitfall nicht zu einer doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen kommt.

Betroffene Normen

§ 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG a.F., Art. 3 Abs. 1 GG, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG a.F.

Streitjahr 2008 

Anmerkungen

Drohende doppelte Besteuerung künftiger Rentnergenerationen (zu X R 33/19)

In der Pressemitteilung zu X R 33/19 wird hingewiesen, dass sich auf der Grundlage der Berechnungsvorgaben des BFH für spätere Rentnerjahrgänge eine doppelte Rentenbesteuerung ergeben dürfte. Daraufhin haben die Regierungsfraktionen bereits angekündigt, zu prüfen, wie die gesetzlichen Regelungen an die neue BFH-Rechtsprechung anzupassen sind. Eine gesetzliche Neuregelung gilt folglich als wahrscheinlich; die genaue Ausgestaltung bzw. wann (frühestens in der nächsten Legislaturperiode) diese kommen wird, ist allerdings noch unklar. 

Nach einem Lösungsansatz, der einerseits einen verlangsamten Anstieg des steuerpflichtigen Rentenanteils und andererseits den sofortigen vollen steuerlichen Abzug von Rentenbeiträgen vorsieht, könnten nach Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft dem Fiskus von 2020 bis 2040 Mindereinnahmen von rund 90 Milliarden Euro entstehen (siehe auch Handelsblatt vom 31.05.2021). 

BFH-Urteil vom 19.05.2021, X R 20/19 zu privaten Renten

Auch in der zweiten Entscheidung vom selben Tag klärte der BFH weitere Streitfragen zum Problem der doppelten Rentenbesteuerung. Nach dem BFH kann es bei privaten Renten, die – anders als gesetzliche Altersrenten – lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert werden, systembedingt keine Doppelbesteuerung geben. Darüber hinaus hat der BFH entschieden, dass Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente der nachgelagerten Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG a.F. unterliegen und dass die Öffnungsklausel für eine zumindest teilweise Ertragsanteilsbesteuerung von Basisversorgungsrenten nur auf Antrag des Steuerpflichtigen und nicht von Amts wegen anzuwenden ist.

Fundstellen

BFH, Urteil vom 19.05.2021, X R 33/19, BVerfG-anhängig: 2 BvR 1140/21

BFH, Urteil vom 19.05.2021, X R 20/19, BVerfG-anhängig: 2 BvR 1143/21

Pressemitteilung 19/2021 zu X R 33/19

Pressemitteilung 20/2021 zu X R 20/19

Weitere Fundstellen

​BVerfG, Urteil vom 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BStBl. II 2002, S. 618

BFH, Urteil vom 21.06.2016, X R 44/14, BFH/NV 2016, S. 1791

BFH, Urteil vom 19.01.2010, X R 53/08, BStBl. II 2011, S. 567

BFH, Urteil vom 18.11.2009, X R 34/07, BStBl. II 2010, S. 414

BVerfG, Urteil vom 29.09.2015, 2 BvR 2683/11, BStBl. II 2016, S. 310

BVerfG, Urteil vom 14.06.2016, 2 BvR 290/10, BStBl. II 2016, S. 801

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