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06.07.2012
Private Einkommensteuer

BFH: Besserungsoption kein rückwirkendes Ereignis

Vereinbaren die Vertragsparteien beim Verkauf eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft eine Besserungsoption, die dem Verkäufer ein Optionsrecht auf Abschluss eines Änderungsvertrages zum Kaufvertrag einräumt, ist der Betrag, der aufgrund der nachträglichen vertraglichen Änderung des Veräußerungspreises ausgezahlt wird, in dem Jahr zu erfassen, in dem die nachträgliche Erhöhung vereinbart wurde. Ein rückwirkendes Ereignis liegt bei nachträglichen vertraglichen Änderungen nur dann vor, wenn der Rechtsgrund für die später geleistete Zahlung bereits im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt ist.

Sachverhalt

Der Kläger veräußerte im Streitjahr 2000 eine wesentliche Beteiligung an der A-GmbH. Neben dem Kaufpreis vereinbarten die Vertragsparteien einen Besserungsschein. Danach sollte der Verkäufer bei Erreichen der Ziele des Fünf-Jahres-Plans einen Einmalbetrag von 3,7 Mio. Euro erhalten. Im Jahr 2004 wurde der Vertrag nachträglich dahingehend geändert, dass der Verkäufer einen Einmalbetrag von 1,3 Mio. Euro bei Erreichung der Ziele für den Zeitraum von drei Jahren erhält. Der Betrag wurde aufgrund der geänderten Vereinbarung im Jahr 2004 ausbezahlt.
Das Finanzamt ist der Ansicht, dass der Einmalbetrag einkommensteuerrechtlich bereits im Streitjahr zu berücksichtigen sei und erhöhte den in 2000 erklärten Veräußerungsgewinn. Hierin liege ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Einmalzahlung sei nicht im Streitjahr, sondern erst mit Zufluss im Jahr 2004 der Besteuerung zu unterwerfen. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Entscheidung

Die Revision ist begründet. Der im Jahr 2004 zugeflossene Einmalbetrag ist als nachträgliche Einkünfte aus der Veräußerung im Jahr 2004, dem Zeitpunkt des Zuflusses, einkommensteuerrechtlich zu erfassen.

Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 1 , Abs. 2 S. 1 EStG).. Veräußerungspreis ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des dinglichen Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag erlangt.
Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist (vgl. BFH-Urteil vom 20.07.2010).

Später eintretende Veränderungen sind beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat (vgl. BFH-Urteil vom 19.07.1993). Dabei ist es unerheblich, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des Erlöses maßgebend waren. Wann ein Sachverhalt in diesem Sinne steuerlich zurückwirkt, entscheidet sich nach dem im Einzelfall anzuwendenden materiellen Steuergesetz (vgl. BFH-Urteil vom 19.08.2009). Vor diesem Hintergrund kann eine nachträgliche Änderung des Veräußerungspreises grundsätzlich auch dann auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirken, wenn das Ereignis erst nach dem Zeitpunkt der Veräußerung eingetreten ist (BFH-Urteile vom 21.12.1993 und Urteil vom 28.10.2009).

Bei nachträglichen vertraglichen Änderungen des Veräußerungspreises kommt es entscheidend darauf an, ob über den Veräußerungspreis im Zeitpunkt der Betriebsübertragung keine abschließende Einigung erzielt wurde, denn dann erhöht ein später festgesetzter Mehrbetrag rückwirkend, d.h. für das Jahr der Veräußerung, den Veräußerungsgewinn, oder ob ein zunächst feststehender Veräußerungspreis nachträglich geändert wird. Im zweiten Fall ist ein Mehrbetrag erst in dem Veranlagungszeitraum zu erfassen, in dem die Erhöhung vereinbart wurde (vgl. BFH-Urteil vom 17.01.1989). Ein rückwirkendes Ereignis liegt bei nachträglichen vertraglichen Änderungen mithin nur dann vor, wenn der Rechtsgrund für die später geleisteten Zahlungen bereits im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt ist (vgl. BFH-Urteil vom 14.06.2005).

Zwar obliegt die im Streitfall erforderliche Auslegung der maßgeblichen Vertragsbestimmungen dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz; sie bindet den BFH aber nur dann, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. BFH-Urteil vom 25.02.2009). Im Streitfall hat das Finanzgericht die vertraglichen Vereinbarungen indes unzutreffend dahingehend ausgelegt, dass der Rechtsgrund für die Leistung eines "Einmalbetrags" bereits im Kauf- und Übertragungsvertrag im Streitjahr "angelegt" gewesen sei.

Betroffene Norm
§ 17 EStG, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, Streitjahr 2000

Vorinstanz
Finanzgericht München, Entscheidung vom 17.03.2011, 10 K 2394/09, EFG 2012, S. 690, siehe Deloitte Tax-News  

Fundstelle
BFH, Urteil vom 23.05.2012, IX R 32/11, BStBl II 2012, S. 675 

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 20.07.2010, IX R 45/09, BStBl II 2010, S. 969
BFH, Urteil vom 19.07.1993, GrS 2/92, BStBl II 1993, S. 897
BFH, Urteil vom 19.08.2009, I R 3/09, BStBl II 2010, S. 249
BFH, Urteil vom 21.12.1993, VIII R 69/88, BStBl II 1994, S. 648
BFH, Urteil vom 28.10.2009, IX R 17/09, BStBl II 2010, S. 539
BFH, Urteil vom 17.01.1989, VIII R 370/83, BStBl II 1989, S. 563
BFH, Urteil vom 14.06.2005, VIII R 14/04, BStBl II 2006, S. 15
BFH, Urteil vom 25.02.2009, IX R 76/07, BFH/NV 2009, S. 1268

Englische Zusammenfassung

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