BFH: Anschaffungsnahe Herstellungskosten bei Gebäudesanierung
Der Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG umfasst auch in zeitlicher Nähe zur Anschaffung neben sonstigen Sanierungsmaßnahmen durchgeführte reine Schönheitsreparaturen sowie die Herstellung der Betriebsbereitschaft.
Sachverhalt
In den Streitjahren 2007 bis 2010 hatten die Kläger Immobilienobjekte zur Vermietung erworben und diese in zeitlicher Nähe zur Anschaffung umgestaltet, renoviert und instandgesetzt. Aufwendungen für Schönheitsreparaturen (wie etwa für das Tapezieren und das Streichen von Wänden, Böden, Heizkörpern, Innen- und Außentüren sowie der Fenster) und zur Herstellung der Betriebsbereitschaft machten sie als sofort abziehbare Werbungskosten geltend. Das Finanzamt beurteilte die Aufwendungen jedoch als sog. anschaffungsnahe Herstellungskosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Einspruch und Klage blieben jeweils erfolglos.
Entscheidung
Der BFH hat mit drei Urteilen vom 14.06.2016 den Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG konkretisiert. Kosten für in zeitlicher Nähe zur Anschaffung neben sonstigen Sanierungsmaßnahmen durchgeführte Schönheitsreparaturen (IX R 25/14, IX R 22/15) und die Herstellung der Betriebsbereitschaft (IX R 15/15) seien in die anschaffungsnahen Herstellungskosten mit einzubeziehen, so dass insoweit kein sofortiger Werbungskostenabzug möglich sei.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG gehören Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu den Herstellungskosten eines Gebäudes, wenn diese innerhalb von drei Jahren nach dessen Anschaffung durchgeführt werden und die Nettokosten 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). Diese Aufwendungen erhöhen die AfA-Bemessungsgrundlage (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 EStG) und sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar. Nicht zu diesen Aufwendungen gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 EStG die Aufwendungen für Erweiterungen i.S. des § 255 Abs. 2 S. 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen.
Auch reine Schönheitsreparaturen sowie Maßnahmen, die das Gebäude erst betriebsbereit machen oder die es über den ursprünglichen Zustand hinaus wesentlich verbessern (Luxussanierung), seien zu den Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG zu zählen. Dies liege in dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck der Regelung, zur Rechtsvereinfachung und -sicherheit eine typisierende Regelung zu schaffen, begründet.
Der BFH führe insoweit seine Rechtsprechung zur Einbeziehung von Schönheitsreparaturen in die anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG fort (BFH-Urteil vom 25.08.2009), halte jedoch nicht mehr an dem damals geforderten engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Schönheitsreparaturen zu einer als einheitlich zu würdigenden Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes fest. Seiner neuen Rechtsprechung zufolge müssten nunmehr grundsätzlich sämtliche Kosten für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Sanierung anfallen (und nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 EStG ausdrücklich ausgenommen sind), zusammengerechnet werden; eine Segmentierung der Gesamtkosten sei nicht zulässig.
Zu den Aufwendungen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG gehören darüber hinaus auch Kosten für eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung des Gebäudes i.S. von § 255 Abs. 2 S. 1 HGB, wenn sie im Rahmen einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit dem Erwerb des Gebäudes anfallen. Dass Aufwendungen für eine wesentliche Verbesserung des Gebäudes bereits nach § 255 Abs. 2 S. 1 HGB zu Herstellungskosten führen, stehe dem nicht entgegen. § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG sei gegenüber § 255 HGB als einkommensteuerrechtliche Sonderregelung zur Behandlung von Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Anschluss an den Erwerb eines Gebäudes zu verstehen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber Aufwendungen für eine wesentliche Verbesserung vom Anwendungsbereich der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG ausnehmen wollte, sind nicht ersichtlich. Wortlaut und Systematik der Vorschrift sprächen vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber bewusst den Begriff der Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen weit verstehen und eine im Einzelfall schwierige Abgrenzung von Erhaltungsaufwendungen zu Herstellungskosten wegen einer wesentlichen Verbesserung vermeiden wollte.
Anmerkungen
BMF-Schreiben vom 20.10.2017
Mit Schreiben vom 20.10.2017 folgt die Finanzverwaltung der BFH-Rechtsprechung, billigt zugleich aber eine Übergangsregelung (Kaufverträge vor dem 01.01.2017 im Fall von Schönheitsreparaturen bzw. gebäudebezogener Prüfung) zu.
Verfügung OFD NRW vom 14.03.2017
Die OFD Nordrhein-Westfalen hat sich in ihrer Verfügung vom 14.03.2017 (siehe Deloitte Tax-News) der o.g. aktuellen Rechtsprechung des BFH angeschlossen. Laut dieser Verfügung wird derzeit auf Bund-/Länderebene erörtert, ob im Hinblick auf die für den Steuerpflichtigen nachteilige o.g. BFH-Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen und zur wirtschaftsgutbezogenen Prüfung aus Vertrauensschutzgründen eine Übergangsregelung vorzusehen ist. Einsprüche seien von der Bearbeitung zurückzustellen.
Betroffene Norm
§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG
Streitjahre 2007 bis 2010
Vorinstanzen
Finanzgericht München, Urteil vom 25.02.2014, 6 K 2930/11 (zu IX R 25/14)
Finanzgericht Münster, Urteil vom 25.09.2014, 8 K 4017/11 E (zu IX R 22/15)
Finanzgericht München, Urteil vom 03.02.2015, 11 K 1886/12 (zu IX R 15/15)
Fundstellen
BMF, Schreiben vom 20.10.2017
BFH, Urteil vom 14.06.2016, IX R 25/14, BStBl II S. 992 (Schönheitsreparaturen)
BFH, Urteil vom 14.06.2016, IX R 22/15, BStBl II S. 999 (Schönheitsreparaturen)
BFH, Urteil vom 14.06.2016, IX R 15/15, BStBl II S. 996 (Herstellung Betriebsbereitschaft)
Pressemitteilung 62/16 vom 28.09.2016
Weitere Fundstelle
BFH, Urteil vom 25.08.2009, IX R 20/08