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02.03.2012
Private Einkommensteuer

BFH: Abziehbarkeit ausländischer Studiengebühren

Vor Inkrafttreten des JStG 2009 waren Schulgeldzahlungen an eine EU/EWR-Schule als Sonderausgaben abziehbar, wenn die Schule bei Belegenheit im Inland den Status einer genehmigten Ersatzschule oder einer anerkannten Ergänzungsschule hätte erhalten können. Nach der Übergangsregelung des JStG 2009 können lediglich Schulgeldzahlungen an Schulen in freier Trägerschaft oder an überwiegend privat finanzierte Schulen im EU/EWR-Ausland erfasst werden. Der Sonderausgabenabzug setzt nicht voraus, dass die Eltern selbst Vertragspartner des mit der Privatschule abgeschlossenen Vertrages sind.

Sachverhalt

Die Tochter des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) C besuchte im Streitjahr 2000 eine niederländische Hochschule (Hogeschool); das Kolleggeld wurde von dem Kläger bezahlt. Das Finanzamt lehnte den Sonderausgabenabzug für das gezahlte Kolleggeld ab. Das FG gab der Klage statt. Das Finanzamt legte Revision ein.

Entscheidung

Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

30 % des Entgelts, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält, für den Besuch einer staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ergänzungsschule entrichtet, können mit Ausnahme des Entgelts für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung, als Sonderausgaben abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F.). Im Streitfall sind diese Voraussetzungen zwar nicht erfüllt, da die Hogeschool wegen ihrer Belegenheit in den Niederlanden eine entsprechende Genehmigung bzw. Anerkennung nicht erhalten konnte. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. ist jedoch europarechtskonform auszulegen (Senatsurteil vom 17.07.2008). Dies führt dazu, dass das für den Besuch dieser Schule gezahlte Schulgeld als Sonderausgabe abziehbar wäre, wenn die Hogeschool bei Ansässigkeit im Inland den Status einer genehmigten Ersatzschule oder einer anerkannten Ergänzungsschule hätte erhalten können. Das FG hat im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die Hogeschool bei unterstellter Belegenheit im Inland die Voraussetzungen einer genehmigten Ersatzschule oder einer anerkannten Ergänzungsschule erfüllt hätte.

Durch das JStG 2009 wurde die steuerliche Berücksichtigung des Schulgelds für Privatschulen neu geregelt. Demnach ist nicht mehr die landesrechtliche Anerkennung einer bestimmten Privatschule, sondern der durch die Schule vermittelte Abschluss für die Frage der Abziehbarkeit des Schulgelds entscheidend (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs des JStG 2009, BTDrucks 16/10189, 49). Da das Urteil des FG vor dem Inkrafttreten des JStG 2009 erging, fehlen zwangsläufig finanzgerichtliche Feststellungen, ob die Voraussetzungen der Übergangsregelung (§ 52 Abs. 24b S. 2 EStG n.F.) gegeben sind. Danach ist § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG i.d.F. des JStG 2007 für noch nicht bestandskräftige Steuerfestsetzungen der Veranlagungszeiträume vor 2008 mit der Maßgabe anzuwenden, dass es sich nicht um eine erlaubte Ersatzschule oder eine nach Landesrecht anerkannte allgemeinbildende Ergänzungsschule handeln muss, sofern diese Schulen zu einem von dem zuständigen inländischen Ministerium eines Landes, von der Kultusministerkonferenz der Länder oder von einer inländischen Zeugnisanerkennungsstelle anerkannten oder einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannten allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führen. Das FG wird diese Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen und dabei die folgenden Aspekte zu beachten haben: Sollte sich herausstellen, dass es sich bei der Hogeschool um eine (Fach-)Hochschule im schulrechtlichen Sinne handelt, ist ein Sonderausgabenabzug zu versagen, da die Übergangsregelung ausdrücklich nur den Begriff "Schule" verwendet. Das FG wird weiterhin klären müssen, ob es sich bei der Hogeschool um eine staatliche oder um eine private Schule handelt. Nach der Übergangsregelung des § 52 Abs. 24b Satz 2 EStG n.F. sind lediglich Schulgeldzahlungen an Schulen in freier Trägerschaft oder an überwiegend privat finanzierte Schulen im EU/EWR-Ausland von der Übergangsregelung erfasst. Als weitere Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug wird zu prüfen sein, ob es sich bei dem durch die Hogeschool vermittelten Abschluss der C um einen von dem zuständigen inländischen Ministerium eines Landes, von der Kultusministerkonferenz der Länder oder von einer inländischen Zeugnisanerkennungsstelle anerkannten oder einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannten allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss handelt.

Der Kläger muss nicht selbst aus dem Vertrag mit der Hogeschool verpflichtet sein. Die Übernahme von Schulgeld wie auch von Studiengebühren stellt einen typischen Unterhaltsaufwand dar (so auch BFH-Urteil vom 17.12.2009). Eltern kommen mit der Zahlung des Schulgelds ihren Unterhaltsverpflichtungen nach. Diese rechtliche Verpflichtung reicht aus, um den Sonderausgabenabzug des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG in Anspruch nehmen zu können; Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG kommen - im Gegensatz zu den anderen in § 10 Abs. 1 EStG genannten Aufwendungen - nicht dem Steuerpflichtigen selbst zugute, sondern einer anderen Person, seinem Kind. Es ist damit nicht zwingend erforderlich, dass der Unterhaltsverpflichtete selbst Vertragspartner des mit der Privatschule i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG abgeschlossenen Vertrages wird.

Betroffene Norm

§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F., § 52 Abs. 24b S. 2 EStG n.F.
Streitjahr 2000

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 24.11.2008, 5 K 6417/04, EFG 2009, S. 1204, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 09.11.2011, X R 24/09, BStBl II 2012, S. 321 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 17.07.2008, X R 62/04, BStBl II 2008, S. 976
BFH, Urteil vom 17.12.2009, VI R 63/08, BStBl II 2010, S. 341

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