OECD veröffentlicht Vorschlag für einheitlichen Ansatz zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
Akktuelle Entwicklungen in einem Webcast vom 30.01.2020
Das OECD-Sekretariat hat ein Konsultationsdokument veröffentlicht, das einen Vorschlag zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle (Pillar one) enhält, der die bisherigen drei Ansätze zu einem einheitlichen Ansatz zusammenführen soll.
Hintergrund
Im Rahmen des BEPS-Projekts wurde im Mai 2019 ein „Programme of Work“ verabschiedet (und im Juni 2019 von den Finanzministern und Regierungschefs der G20 genehmigt), wonach die OECD ein zwei-Säulen-Modell entwickeln soll, das die BEPS-Aspekte digitaler Geschäftsmodelle lösen soll. Säule Eins (Pillar One) dieses Modells behandelt die Ausweitung und Neuverteilung von Besteuerungsrechten zwischen Ansässigkeits- und Marktstaaten, während Säule Zwei (Pillar Two) eine globale Mindestbesteuerung vorsieht. Dieser Ansatz wurde von der OECD in einem Diskussionspapier im Februar 2019 vorgestellt (siehe Deloitte Tax-News).
Bei Pillar One basierten die weiteren OECD-Arbeiten auf drei unterschiedlichen Vorschlägen, die unter den Schlagworten „user participation“ (Nutzerbeteiligung), „market intangibles“ (Wertbeitrag des Absatzmarktes) und „significant economic presence“ (signifikante ökonomische Präsenz – in Abgrenzung zur physischen Präsenz) von unterschiedlichen Ländern in die Diskussion eingebracht wurden. Alle drei Vorschläge betonen nach Auffassung der OECD Besonderheiten digitaler Geschäftsmodelle und versuchen den dadurch entstehenden Herausforderungen für die Steuersysteme auf unterschiedlichen Weisen zu begegnen.
Ziel des am 09.10.2019 vorgelegten und in einem Webcast präsentierten „Unified Approach“ (einheitlicher Ansatz) ist es, die gemeinsamen Ziele der Vorschläge aufzugreifen und zu einem einheitlichen Vorschlag zusammen zu führen. Das nun vorgelegte Konsultationspapier entstammt allerdings nur dem OECD-Sekretariat und ist noch nicht konsensual im Inclusive Framework verabschiedet worden.
Inhalt des Konsultationspapiers
Die OECD sieht wesentliche Gemeinsamkeiten der bisherigen drei Vorschläge des Pillar One, beispielsweise die Definition eines neuen Nexus, der keine physische Präsenz mehr voraussetzt, die Verteilung von Besteuerungsrechten außerhalb des Fremdvergleichsgrundsatzes und die Berücksichtigung der Besonderheiten digitaler Geschäftsmodelle. Allerdings werden auch die Unterschiede zwischen den Vorschlägen gesehen, beispielsweise in der Frage, wie eng die digitalen Geschäftsmodelle definiert werden oder welche Gewinne (Routinegewinne vs. Residualgewinne) Teil der Neuverteilung der Besteuerungsrechte sein sollen. Um einen möglichst konsensfähigen Vorschlag zu erarbeiten, möchte die OECD daher die Gemeinsamkeiten der bisherigen Vorschläge aufgreifen. Dazu wurden vier Kernbestandteile eines Unified Approach definiert:
1) Scope
Mit dem neuen Ansatz sollen hochgradig digitalisierte Geschäftsmodelle erfasst werden, aber auch darüber hinausgehend Geschäftsmodelle mit Endverbraucher-Bezug („consumer-facing business“). Umgekehrt soll ebenfalls definiert werden, welche Tätigkeiten explizit nicht unter die neuen Regeln fallen sollen („carve-outs“). Die genaue Abgrenzung des Anwendungsbereichs soll Teil der Konsultation sein, ebenso wie die Frage einer möglichen Begrenzung auf große multinationale Unternehmen (beispielsweise ab der für das Country-by-Country Reporting geltenden Grenze von 750 Mio. €).
2) New Nexus
Für die Geschäftsmodelle, die unter die neuen Regeln fallen sollen, wird ein neuer Anknüpfungspunkt der Besteuerung (New Nexus) definiert, der dem Marktstaat auch dann ein Besteuerungsrecht geben soll, wenn keine physische (traditionelle) Betriebsstätte begründet wird. Dieser Nexus wird nicht auf einer physischen Präsenz, sondern primär auf Umsätzen in einem Marktstaat beruhen, unabhängig davon ob diese Umsätze durch Direktgeschäfte oder über lokale Vertriebspartner erzielt werden. Dieser neue Nexus würde auch abkommensrechtlich als separate Regel – zusätzlich zur Betriebsstätte – definiert werden.
3) New Profit Allocation Rule
Um den Besteuerungszugriff nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach abzusichern, braucht es nach Ansicht der OECD neue Regeln zur Gewinnverteilung, die über den Fremdvergleichsmaßstab hinausgehen. Die Zuordnung des Gewinns zu einem Marktstaat wäre dann unabhängig von der Art des steuerlichen Nexus in dem jeweiligen Marktstaat. Zwar soll im Grundsatz das bisherige System der Verrechnungspreise beibehalten werden, dieses würde allerdings um Elemente einer formelmäßigen Zerlegung (formula apportionment) ergänzt.
4) Increased Tax Certainty
Um in dem neuen System Rechtssicherheit für Steuerpflichtige und Steuerverwaltungen zu gewährleisten, soll die Gewinnverteilung in einem dreistufigen System erfolgen:
- Der sogenannte Betrag A entspricht dabei dem Anteil am Residualgewinn, der auf die Marktstaaten nach einer formelmäßigen Zerlegung verteilt wird. Dieser Betrag greift Elemente des Residual Profit Split auf und ist insofern mit hohen Unsicherheiten behaftet, als der Zuschnitt der „Profit Center“ nach Märkten, Regionen und Geschäftsbereichen weitgehend ungeklärt ist. Im Hinblick auf Verluste ist von einer „earn-out-Klausel“ die Rede, wodurch Residualverluste gesammlt werden und die Verteilung der Residualgewinne möglicherweise erst nach Erreichen einer Gewinnschwelle erfolgt.
- Der sogenannte Betrag B soll Routinefunktionen für Marketing und Vertrieb in Marktstaaten vergüten.Dabei besteht die Überlegung, dieses Element stärker zu vereinheitlichen und beispielsweise Empfehlungen oder Safe Harbor Regeln für die Vergütungshöhe von Routine-Distributionsleistungen abzuleiten.
- Der Betrag C soll durch verbindliche und effektive Streitbeilegungsmechanismen sicherstellen, dass etwaige über die Routinefunktionen hinausgehende Aktivitäten in Marktstaaten angemessen vergütet werden. Hierbei stellt sich die Herausforderung, dass der zu verteilende Gewinn auch in mehreren Gesellschaften in verschiedenen Staten anfallen kann.
Zu der Ermittlung dieser Beträge finden sich detaillierte technische Ausführungen und ausführliche Fragestellungen im Konsultationspapier.Führt man sich dies - zusammen mit den Ausführungen der OECD-Verechnungspreisrichtlinien zu den Schwierigkeiten bei der Anwendung der Profit Split Methode - vor Augen, steht die OECD vor großen Herausforderungen, wenn der Titel „Increased Tax Certainty“ Realität werden soll.
Die OECD betont in dem Konsultationsdokument, dass im Zeitalter der Digitalisierung die bisherigen Regelungen zur Verteilung der Besteuerungsrechte nach physischer Präsenz und nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht mehr zu angemessenen Ergebnissen führen. Die bisherigen Regeln zu Verrechnungspreisen sehen sich in bestimmten Bereichen großen Herausforderungen gegenüber und innerhalb der Arbeitsgruppe des Inclusive Frameworks sieht man erheblichen Bedarf an Vereinfachung. Daher möchte man den Fremdvergleichsmaßstab dort beibehalten, wo er sich nach Ansicht des Inclusive Framework bewährt hat und weiterhin funktioniert, und dort durch eine formelmäßige Zerlegung zu ergänzen, wo man zunehmend unzufrieden mit den Ergebnissen ist.
Konsultationsfrist
Die Veröffentlichung des Konsultationspapiers markiert den Beginn der Konsultationsfrist, die bis zum 12.11.2019 läuft. Im Rahmen der Konsulation stellt die OECD sieben konkrete Fragen am Ende des Dokuments, wobei sich die ersten beiden Fragen auf Scope und Nexus beziehen und die weiteren fünf Fragen auf die Ermittlung der Beträge A, B und C.
Der Stand der OECD Arbeiten und Diskussionen wurde zusätzlich in einem gesonderten Steuerbericht des OECD-Generalsekretärs Angel Gurria vom 09.10.2019 dargestellt und wird in der kommenden Woche, am 17. und 18.10.2019, beim G20-Treffen von Finanzministern und Zentralbanken in Washington diskutiert.
Zu Teilaspekten der zweiten Säule der OECD Arbeiten (Pillar Two) hat die OECD ein Konsultationspapier für den November diesen Jahres angekündigt.
Fundstellen
OECD, Public consultation document: Secretariat Proposal for a “Unified Approach” under Pillar One
OECD, Webcast focused on the new Secretariat Proposal for a "Unified Approach" under Pillar One