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30.03.2012
Internationales Steuerrecht

BFH: Volle Berücksichtigung ausländischer Veräußerungsverluste beim Progressionsvorbehalt

Der BFH bestätigt die Entscheidung des FG. Das FG hat im Streitfall zu Recht den ausländischen Veräußerungsverlust bei der Ermittlung des Steuersatzes in vollem Umfang berücksichtigt.
BFH, Urteil vom 01.02.2012, I R 34/11 


Veräußert ein Unternehmer einen ausländischen Betrieb mit Verlust, so ist dieser Verlust - der abkommensrechtlich in Deutschland nur bei Festsetzung des Steuersatzes (sog. Progressionsvorbehalt) zu berücksichtigen ist - im Inland in voller Höhe und nicht etwa nur zu einem Fünftel bei der Ermittlung des Einkommensteuersatzes in Abzug zu bringen.

Sachverhalt FG Münster

Die Kläger (Eheleute) eröffneten im Streitjahr 2006 eine ärztliche Gemeinschaftspraxis in der Schweiz und veräußerten diese noch im selben Jahr mit Verlust wieder. Das Finanzamt berücksichtigte den Veräußerungsverlust zunächst in vollem Umfang im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts. Eine bei den Klägern durchgeführte Betriebsprüfung vertrat dagegen die Ansicht, dass der Verlust nicht in vollem Umfang, sondern nur in Höhe eines Fünftels bei der Ermittlung des Steuersatzes in Abzug gebracht werden könne (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG). Das Finanzamt folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und änderte die Einkommensteuerfestsetzung für 2006.

Entscheidung FG Münster

Die Klage ist begründet. Der Verlust aus der in der Schweiz belegenen Arztpraxis ist nicht zu einem Fünftel, sondern in voller Höhe im Wege des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.

Der Verlust aus der Veräußerung der Arztpraxis gehört zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 und Abs. 3 EStG). Dieser ist weder dem Grunde noch der Höhe nach streitig. Ein Verlustausgleichsverbot nach § 2a EStG besteht nicht.

Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz (DBA-Schweiz vom 11.08.1971) steht der Schweiz das Besteuerungsrecht für Gewinne und Verluste aus der Veräußerung einer in ihrem Land belegenen Einrichtung zur Ausübung eines freien Berufs (hier: Arztpraxis) zu. Die Bundesrepublik Deutschland stellt diese Einkünfte steuerfrei, bezieht sie aber bei der Ermittlung des Steuersatzes ein (Steuerfreistellung mit Progressionsvorbehalt). Nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG ist für einen Steuerpflichtigen auf das zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden, wenn er Einkünfte erzielt hat, die nach Maßgabe eines DBA unter Progressionsvorbehalt steuerfrei gestellt werden. Der besondere Steuersatz ergibt sich in diesem Fall, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das zu versteuernde Einkommen vermehrt oder vermindert wird um die steuerfrei gestellten Einkünfte, wobei die darin enthaltenen „außerordentlichen Einkünfte“ mit einem Fünftel zu berücksichtigen sind (§ 32b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG).

Außerordentlich in diesem Sinne sind nach Auffassung des Finanzgerichts nur positive, nicht aber auch negative Einkünfte aus der Veräußerung bzw. Aufgabe des ausländischen Betriebs. Die Fünftel-Methode bezwecke - ebenso wie die entsprechende Regelung in § 34 EStG bei inländischen Veräußerungsgewinnen - eine Abmilderung von Progressionshärten, die bei einer Betriebsveräußerung mit Gewinn anfallen können. Eine vergleichbare Situation ergebe sich bei Verlusten allerdings nicht.

Betroffene Norm

§ 32 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 32b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG, § 34 EStG
Streitjahr 2006

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Urteil vom 18.03.2011, 4 K 3477/09 E

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