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15.01.2018
Internationales Steuerrecht

FG Münster: Unionsrechtmäßigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinszahlungen an niederländische Schwestergesellschaft

Schuldzinsen, die von einer deutschen Kapitalgesellschaft an eine niederländische Schwestergesellschaft gezahlt werden, unterliegen – trotz fiskaler Einheit der NL-Schwestergesellschaft mit der gemeinsamen Mehrheitsgesellschafterin in den NL – in Deutschland der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. Darin liegt kein Verstoß gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit, wenn sowohl nach altem Recht (vor 2002) als auch nach neuem Recht (ab 2002) die Voraussetzungen einer GewSt-Organschaft bezogen auf die deutsche Kapitalgesellschaft und die NL-Mehrheitsgesellschafterin nicht vorlagen. Auch der für das Vorliegen einer GewSt-Organschaft ab 2002 erforderliche Inlandsbezug des Organträgers stellt keine Diskriminierung dar.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, wurde in den Streitjahren 2000 bis 2002 von der in den Niederlanden ansässigen ZI B.V. zu 99,4 % gehalten. Ein Gewinnabführungsvertrag zwischen der Klägerin und der ZI bestand nicht. Gleichzeitig war die ZI zu 100 % an der niederländischen ZN B.V. beteiligt. Zwischen der ZI und der ZN bestand eine fiskalische Einheit nach niederländischem Recht, welche eine Einkommenszurechnung an die ZI bewirkte. ZN war damit eine Schwestergesellschaft der Klägerin und gewährte dieser Darlehen, für die die Klägerin in den Streitjahren Zinsen zahlte.

Das Finanzamt sah für die Zinszahlungen an die Schwestergesellschaft die Voraussetzungen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG 1999 als erfüllt an.

Entscheidung

Das Finanzamt habe zu Recht die an die niederländische Schwestergesellschaft gezahlten Zinsen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 GewStG 1999 unterworfen.

Diese Hinzurechnung verletze nicht die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 i.V.m. Art. 48 EG. Eine Ungleichbehandlung liege dann vor, wenn Zinsen, die eine gebietsansässige Tochtergesellschaft an ihre gebietsfremde Muttergesellschaft zahlt, gewerbesteuerlich hinzugerechnet werden, während dieselben Zinsen nicht hinzugerechnet werden müssten, wenn sie an eine gebietsansässige Muttergesellschaft gezahlt würden. Letzteres wäre der Fall, wenn zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft eine gewerbesteuerliche Organschaft bestehen würde.

Im Streitfall komme es nicht zu einer solchen europarechtswidrigen Ungleichbehandlung, da die Voraussetzungen für eine gewerbesteuerliche Organschaft sowohl nach altem Recht (vor 2002) als auch nach neuem Recht (ab 2002) unabhängig von der Gebietsansässigkeit der Klägerin und ihrer Muttergesellschaft nicht vorliegen.

Für die Jahre 2000 bis 2001 erforderte die gewerbesteuerliche Organschaft gem. § 2 Abs. 2 GewStG 1999 i.V.m. § 14 KStG 1999 die wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft in die Organträgerin. Die wirtschaftliche Eingliederung setzt insbesondere voraus, dass das herrschende Unternehmen eigene gewerbliche Zwecke verfolgt, denen sich das beherrschte Unternehmen im Sinne einer Zweckabhängigkeit unterordnen kann (vgl. BFH-Urteil vom 09.02.2011). Das FG kommt hierbei zu dem Ergebnis, dass es im Streitfall an einer wirtschaftlichen Eingliederung sowohl der Klägerin in die ZI als auch der ZN in die ZI fehlt.

Ab 2002 bedingt eine gewerbesteuerliche Organschaft gem. § 2 Abs. 2 GewStG 2002 i.V.m. § 14 KStG 2002 insbesondere den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags zwischen Organgesellschaft und Organträgerin. Die Klägerin habe jedoch keinen Gewinnabführungsvertrag mit der ZI abgeschlossen und durchgeführt. Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein Gewinnabführungsvertrag auch mit einem ausländischen Unternehmen als beherrschendem Gesellschafter abgeschlossen werden und einem solchen Vertrag stehen auch keine Vorschriften des niederländischen Rechts entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 07.12.2011).

Unabhängig davon hat der BFH bereits entschieden, dass die Hinzurechnung von Zinsen aus Darlehen einer niederländischen Muttergesellschaft zum Gewinn einer inländischen Kapitalgesellschaft gem. § 8 Nr. 1 GewStG nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit verstößt (vgl. BFH-Urteil vom 07.12.2011, EuGH-Urteil vom 25.02.2010). Das FG widerspricht der Auffassung der Klägerin, wonach diese Rechtsprechung des BFH durch das Urteil des EuGH vom 02.09.2015 in der Rechtssache Groupe Steria überholt sei. Eine Vorlage an den EuGH hält das FG daher für nicht erforderlich.

Betroffene Norm

§ 8 Nr. 1 GewStG 1999
Streitjahre 2000-2002

Anmerkungen

Nach derzeitigem Rechtsstand kann eine GewSt-Organschaft auch mit einem Organträger begründet werden, welcher weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hat. Als Inlandsbezug verlangt § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 ff. KStG jedoch, dass die Organträgerin eine im Inland belegene Betriebsstätte unterhält und die Beteiligung an der Organgesellschaft dieser Betriebsstätte zuzurechnen ist. Die dieser Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte müssen sowohl nach innerstaatlichem Recht als auch nach anzuwendendem DBA der inländischen Besteuerung unterliegen (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 7 KStG).

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Urteil vom 13.10.2017, 13 K 951/16 G, F, Revision nicht zugelassen

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 07.12.2011, I R 30/08, BStBl II 2012, S. 507, siehe Deloitte Tax-News  
BFH, Urteil vom 09.02.2011, I R 54/10 und I R 55/10, BStBl II 2012, S. 106, siehe Deloitte Tax-News  
EuGH, Urteil vom 02.09.2015, C-386/14, Groupe Steria, DStR 2015, S. 2125, siehe Deloitte Tax-News 
EuGH, Urteil vom 25.02.2010, C-337/08, X Holding BV, DStR 2010, S. 427, siehe Deloitte Tax-News 

 

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