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04.05.2016
Internationales Steuerrecht

FG Münster: Anforderungen an eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit für Hinzurechnungsbesteuerung

Der BFH hat der Auffassung des FG Münster widersprochen und eine Hinzurechnungsbesteuerung abgelehnt.
BFH, Urteil vom 13.06.2018, I R 94/15, siehe Deloitte Tax-News 
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FG Münster (Vorinstanz):
Die Einkünfte einer in einem Niedrigsteuerland der EU ansässigen Tochtergesellschaft unterliegen der Hinzurechnungsbesteuerung nach AStG, wenn der Gegenbeweis einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit der Tochtergesellschaft nicht geführt werden kann.
Zu den erforderlichen Anforderungen an Art, Umfang und Substanz der wirtschaftlichen Tätigkeit entschied das FG unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache Cadbury Schweppes.

Sachverhalt

Die Klägerin war über eine in den Niederlanden ansässige Tochtergesellschaft (B-B.V.) an der auf Zypern ansässigen C Ltd. zu 100 % mittelbar beteiligt. Die Geschäftstätigkeit der C Ltd. beschränkte sich auf das Einholen von Buchlizenzen sowie auf die Unterlizenzierung an in Russland und der Ukraine ansässige Konzerngesellschaften der Klägerin. Hierfür hatte die C Ltd. auf Zypern Büroräume angemietet und beschäftigt als einzige Angestellte eine Geschäftsführerin. Die hierdurch erzielten Lizenzeinnahmen rechnete das Finanzamt der Klägerin mit der Begründung zu, dass es an der erforderlichen "wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit" der C Ltd. auf Zypern fehle. Die Klägerin ist hingegen der Auffassung, dass eine Hinzurechnungsbesteuerung im Hinblick auf das Urteil des EuGH in Sachen „Cadbury Schweppes“ nicht erfolgen dürfe.

Entscheidung

Die von der C-Ltd. erzielten Lizenzgebühren seien als sog. passive Einkünfte im Sinne des AStG anzusehen und lösten, wie das Finanzamt zu Recht angenommen habe, eine Hinzurechnungsbesteuerung aus.

Rechtsgrundlage für die Zurechnung der Einkünfte der C Ltd. ist § 14 AStG, der die Hinzurechnungsbesteuerung bei sog. nachgeschalteten Zwischengesellschaften i.S.v. § 8 AStG in der Weise regelt, dass niedrig besteuerte passive Einkünfte einer ausländischen Untergesellschaft (C Ltd.) anteilig einer ausländischen Obergesellschaft (B-B.V.) zuzurechnen sind. Der so zugerechnete Betrag unterliegt der Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 7 AStG bei dem inländischen Anteilseigner der Obergesellschaft, hier der Klägerin.

Von einer Hinzurechnung sei auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH in der Sache "Cadbury Schweppes" (EuGH-Urteil vom 06.09.2006) abzusehen. Denn nur im Falle einer nachweisbar kontinuierlichen Teilnahme am Wirtschaftsleben eines anderen EU-Staates verstoße die Hinzurechnungsbesteuerung gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 und Art 54 AEUV. Der Klägerin sei ein solcher Nachweis jedoch nicht gelungen.

Die C Ltd. habe keine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit auf dem Markt ihres Ansässigkeitsstaates Zypern ausgeübt. Zum einen sei sie neben der Unterlizenzierung von schriftstellerischen Urheberrechten an Konzerngesellschaften der Klägerin, mit Sitz in Russland und der Ukraine, nicht auf dem zypriotischen Absatzmarkt tätig geworden. Zum anderen habe sie zwar aufgrund der angemieteten Räumlichkeiten und der Anstellung einer vor Ort beschäftigten Geschäftsführerin den zypriotischen Beschaffungsmarkt in Anspruch genommen, jedoch diesen nicht gezielt genutzt, z.B. aufgrund besonders günstiger oder entsprechend ihrer Tätigkeit besonders ausgestatteter Räume, Maschinen, gut ausgebildeten Personals oder besonderer Produktionsbedingungen. Auch sei nicht ersichtlich, dass der Standort Zypern aufgrund günstiger rechtliche Rahmenbedingungen, beispielsweise aufgrund bestimmter gesellschaftsrechtlicher Regelungen für eine Unternehmensgründung bzw. Unternehmensführung oder eines günstigen Prozessrechts, gewählt worden sei. Nach Auffassung des FG stelle die bloße Nähe Zyperns zu Russland, bei gleichzeitiger Einbindung in die EU, im vorliegenden Fall keine objektiv besondere Rahmenbedingung dar, sondern sei lediglich ein subjektives Motiv für die Standortwahl.

Zudem habe die C. Ltd. ihre wirtschaftliche Kernfunktion nicht selbst von Zypern aus ausgeführt. Sie habe nicht selbst das erforderliche Personal beschäftigt, um ihr Kerngeschäft, nämlich den Ankauf, die Verwaltung und die Weitergabe von Lizenzen selbstständig auszuüben. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um ihr Kerngeschäft tatsächlich selbstständig zu betreiben.

Auch stehe es der Hinzurechnungsbesteuerung nicht entgegen, dass die Standortstruktur lediglich darauf beruhe, dass die Klägerin die Anteile an der C Ltd. mittelbar erworben und nicht selbst geschaffen habe.

Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 08.01.2007 müssten nicht zwingend mindestens zwei Personen bei der C Ltd. beschäftigt sein. Nach den Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung würde es bereits genügen, wenn im Ansässigkeitsstaat der inlandsbeherrschten ausländischen Gesellschaft eine sachlich und personell adäquat ausgestattete betriebliche Organisation existiere. Diese Voraussetzung habe die C Ltd. nachweislich jedoch nicht erfüllt: Die Geschäftsführerin habe als einzige Angestellte neben ihren administrativen Aufgaben, keine maßgeblichen unternehmerischen Entscheidungen, wie z.B. die Auswahl möglicher Urheberrechte an Büchern für den russischen und ukrainischen Markt oder die Herstellung von Kontakten zu Verlagen und Schriftstellern getroffen. Diese Entscheidungen seien vielmehr durch die in Russland und der Ukraine ansässigen Konzerngesellschaften der Klägerin getroffen worden. Alleine die gesellschaftsrechtliche Verantwortung der Geschäftsführerin könne somit keine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit der C Ltd. auf Zypern begründen.

Betroffene Normen

§ 14 AStG, § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG
Streitjahr 2007

Anmerkungen

BFH-Rechtsprechung
Der BFH hat in früheren Urteilen (BFH-Urteile vom 19.01.2000, I R 94/97, BStBl II 2001, S. 222 und vom
13.10.2010, I R 61/09, BStBl II 2011, S. 249) weniger strenge Maßstäbe im Fall des Outsourcings von Unternehmensfunktionen angelegt. Mit Spannung abzuwarten bleibt daher, ob sich der BFH im Revisionsverfahren an seiner früheren Rechtsprechung orientieren oder aber strengere Anforderungen an die Annahme einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat stellen wird.

§ 8 Abs. 2 AStG i. d. F. des JStG 2008
§ 8 Abs. 2 AStG i. d. F. des JStG 2008 wurde als Reaktion des Gesetzgebers auf die Cadbury Schweppes Entscheidung des EuGH in das AStG eingefügt. Die Vorschrift ist daher für den Streitfall noch nicht anwendbar. Für die Praxis dürften jedoch die vom EuGH im Cadbury Schweppes-Urteil aufgestellten Leitlinien hinsichtlich der Europarechtskonformität der Regelungen der Mitgliedstaaten über die Hinzurechungsbesteuerung für die Auslegung des § 8 Abs. 2 AStG i. d. F. des JStG 2008 von Bedeutung sein. Ebenso dürfte auch das Verständnis der vom EuGH aufgestellten Grundsätze durch das FG Münster und nachfolgend durch den BFH für die Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG zu berücksichtigen sein.

Fundstellen

BFH, Urteil vom 13.06.2018, I R 94/15, siehe Deloitte Tax-News

FG Münster, Urteil vom 20.11.2015, 10 K 1410/12 F

Weitere Fundstellen

EuGH, Urteil vom 06.09.2006, C-196/04 „Cadbury Schweppes“, BB 2006, S. 2118

BFH, Urteil vom 21.10.2009, I R 114/08, BStBl. II 2010, S. 774, siehe Deloitte Tax-News

BMF, Schreiben vom 08.01.2007, BStBl. I 2007, S. 99

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