FG Köln: Hinzurechnungsbesteuerung bei Outsourcing im Konzern
Ergeben sich durch die Auslagerung eines Geschäftsfeldes von einer ausländischen nichtmissbräuchlich gegründeten Gesellschaft auf eine andere ausländische Gesellschaft innerhalb eines Konzerns keine anderen steuerlichen Folgen, als wenn das Geschäftsfeld unmittelbar von der auslagernden Gesellschaft betrieben worden wäre, fehlt es an einer steuerlichen Motivation für die Gestaltung. Die zur Vermeidung der Hinzurechnungsbesteuerung geforderte tatsächliche (nach neuer Rechtslage: wesentliche) wirtschaftliche Tätigkeit muss nicht ausschließlich von eigenem Personal verwirklicht werden. Die Gesellschaft kann sich vielmehr dem Personal einer anderen (Konzern-)Gesellschaft bedienen. Der Entscheidung liegt zwar ein Altfall zugrunde, sollte aber auch unter Geltung der durch das Gesetz zur Umsetzung der ATAD-Richtlinie vom 25.06.2021 verschärften Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung Geltung haben.
Sachverhalt
Die Klägerin (Z) ist über 100 %-ige Beteiligungen mittelbar an der Y1 B.V. und an der Y3 B.V. beteiligt. Die Y1 B.V. verantwortet mit ihren Mitarbeitern das Programm für mehrere Fernsehsender von Y in den Niederlanden. Die Y3 B.V. erwirbt zum einen Rechte an Filmen von dritter Seite; zum anderen beteiligte sie sich finanziell an Filmproduktionen niederländischer Firmen und erhält im Gegenzug Lizenzen. Die Fernsehrechte gibt die Y3 B.V. zum Selbstkostenpreis an die niederländische Betriebsstätte der X (Luxemburg) weiter, die für die Y1 B.V. als Sendeanstalt fungiert. Die mit den Filmrechten verbundenen Nebenrechte vermarktete die Y3 B.V. an niederländische Filmvertriebe und unter anderem auch dem Geschäftsbetrieb der Y1 B.V. Aus haftungsrechtlichen Gründen wurde dieses Geschäft von der Y1 B.V. auf die Y3 B.V. übertragen. Eigenes Personal beschäftigte die Y3 B.V. mit Ausnahme ihrer beiden Geschäftsführer nicht. Sie übernahmen diese Aufgabe im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung als CEO bzw. CFO der Y1 B.V., ohne hierfür von der Y3 B.V. ein gesondertes Entgelt zu erhalten. Die für den Erwerb und die Vermarktung der Rechte erforderlichen Sach- und Personalmittel wurden der Y3 B.V. durch die Y1 B.V. gestellt.
Im Rahmen einer Außenprüfung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die Z aus ihrer (mittelbaren) Beteiligung an der Y3 B.V. steuerpflichtige Zwischeneinkünfte i.S.d. §§ 7-12 AStG a.F. beziehe.
Entscheidung
Das FG kam entgegen der Auffassung des Finanzamtes zu der Entscheidung, dass die Einkünfte der Y3 B.V. nicht der Y1 B.V. als Obergesellschaft und sodann der Z als steuerpflichtige Einkünfte zuzurechnen sind.
Gesetzliche Grundlagen: Hinzurechnungsbesteuerung nach alter Fassung des AStG (bis 2021)
Rechtsgrundlage für eine Zurechnung der Einkünfte der Y3 B.V. bei der Y1 B.V. ist § 14 Abs. 1, 3 AStG a.F. Für sog. nachgelagerte Zwischengesellschaften i.S.d. § 8 AStG a.F. wird dort geregelt, dass deren passive Einkünfte der sog. Obergesellschaft zugerechnet werden. Dies erfolgt nach § 14 Abs. 3 AStG a.F. kaskadenförmig über alle Stufen der Beteiligungskette, bis diejenige Gesellschaft erreicht ist, an der der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige unmittelbar beteiligt ist. Der so zugerechnete Betrag wird dann gemäß § 7 Abs. 1 AStG beim Steuerinländer hinzugerechnet.
Keine Zwischengesellschaft
Die Y3 B.V. ist bezogen auf die fraglichen Einkünfte bereits keine Zwischengesellschaft. Denn die Y3 B.V. geht nachweislich einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in den Niederlanden nach. Gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 AStG a.F. ist eine Gesellschaft nicht Zwischengesellschaft für solche Einkünfte, für die nachgewiesen wird, dass die Gesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht.
Tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit
Der Begriff der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit ist legal nicht definiert. Anhaltspunkte für die Auslegung finden sich im EuGH-Urteil vom 12.09.2006, C-196/04: Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit lasse sich nur dann mit Gründen der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken rechtfertigen, wenn das spezifische Ziel der Beschränkung darin liegt, Verhaltensweisen zu verhindern, die darin bestehen, rein künstliche Gestaltungen zu dem Zweck zu errichten, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird. Der Steuerpflichtige muss dabei die Gelegenheit haben, die Missbrauchsvermutung zu widerlegen.
Dieser Gegenbeweis erfordert zum Einen den Nachweis, dass das Hauptziel der gewählten Gestaltung nicht in einer Steuerminderung bestand, die Gestaltung also nicht überwiegend steuerlich motiviert war (subjektives Element). Zum Anderen muss anhand von objektiven Anhaltspunkten feststellbar sein (objektives Element), dass die Gründung einer beherrschten ausländischen Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art mit einer wirtschaftlichen Realität zusammenhängt, wobei die Gründung der Gesellschaft mit einer tatsächlichen Ansiedelung zusammenhängen muss, deren Zweck darin besteht, wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat nachzugehen. Zu den objektiven Anhaltspunkten für eine tatsächliche Ansiedelung gehören dabei eine stabile und kontinuierliche Teilnahme am Wirtschaftsleben des Ansässigkeitsstaates, die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung und das Vorhandensein von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen.
Führt die Prüfung solcher Anhaltspunkte zu der Feststellung, dass die beherrschte ausländische Gesellschaft keine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entfaltet, ist ihre Gründung als rein künstliche Gestaltung anzusehen. Dass die Tätigkeiten der beherrschten ausländischen Gesellschaft ebenso gut im Ansässigkeitsstaat des beherrschenden Gesellschafters hätten ausgeführt werden könnten, lässt demgegenüber nicht den Schluss auf eine rein künstliche Gestaltung zu, so das FG. Wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die beherrschte ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht, ist von der die Niederlassungsfreiheit beschränkenden Besteuerungsmaßnahme abzusehen.
Im Streitfall: Gründung der Gesellschaft keine rein künstliche Gestaltung
Für die Gründung der Y3 B.V. fehlt es an überwiegend steuerlichen Motiven. Zudem lässt sich anhand objektiver Anhaltspunkte feststellen, dass die Y3 B.V. einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in den Niederlanden nachgeht, denn am Ort der Niederlassung der Y3 B.V. sind Personen in ihrem Namen und auf ihre Rechnung am niederländischen Beschaffungs- und Absatzmarkt tätig geworden.
Subjektives Element
Die Auslagerung des Lizenzgeschäfts aus der Y1 B.V. auf die Y3 B.V. erfolgte aus haftungsrechtlichen Erwägungen. Selbst wenn man dies in Zweifel ziehen und mithin außersteuerliche Gründe für die Übertragung dieses Geschäftsfeldes auf eine andere Gesellschaft ausschließen wollte, ergäbe sich keine relevante steuerliche Motivation für diese Gestaltung, da keine anderen steuerlichen Folgen ersichtlich sind, wenn das Lizenzgeschäft von der Y1 B.V. unmittelbar betrieben worden wäre.
Objektives Element
Darüber hinaus nimmt die Y3 B.V. selbst und unmittelbar am Wirtschaftsleben der Niederlande teil.
Die Y3 B.V. ist zunächst mit hinreichendem Personal ausgestattet. Sie verfügte über zwei Geschäftsführer, die in den Niederlanden für sie tätig geworden sind. Dabei ist unerheblich, dass sie zugleich Organe der Y1 B.V. waren und von der Y3 B.V. kein gesondertes Entgelt bezogen haben. Einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit steht, insbesondere bei Konzerngesellschaften, zunächst nicht entgegen, dass die Tätigkeit sich an den Interessen der übrigen Konzerngesellschaften ausrichtet. Darüber hinaus erfordert die Ausstattung mit Personal nicht, dass dieses eigene Personal hierfür ein gesondertes Entgelt erhält.
Außerdem sind die Handlungen des Personals der Y1 B.V. der Y3 B.V. zuzurechnen. Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 S. 1 AStG geht nicht hervor, dass die geforderte "tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Staat" ausschließlich von eigenem Personal verwirklicht werden könnte. Es könne nämlich für steuerliche Zwecke keinen Unterschied machen, auf welcher zivilrechtlichen Grundlage (Arbeitsvertrag oder bspw. Geschäftsbesorgungsvertrag) die Tätigkeit entfaltet wird. Insofern verbleibt es dabei, dass Handlungen nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen demjenigen zuzurechnen sind, in dessen Namen und für dessen Rechnung sie ausgeübt werden (BFH, Urteil vom 13.10.2010, I R 61/09). Danach ist das Personal der Y1 B.V. im Namen und auf Rechnung der Y3 B.V. bei Einkauf und Vermarktung der Lizenzen tätig geworden.
Die Y3 B.V. hat ihre Tätigkeit auch in ihrem Ansässigkeitsstaat entfaltet, denn sie hat auch mit niederländischen Firmen Verträge geschlossen, um Lizenzen zu erwerben und war mithin am niederländischen Beschaffungsmarkt tätig. Weiterhin hat die Y3 B.V. auch den niederländischen Absatzmarkt erschlossen, denn die erworbenen Sendelizenzen wurden an die niederländische Betriebsstätte der X S.A. mit Sitz in Luxemburg weitergegeben und die danach verbleibenden Nebenrechte an niederländische Filmvertriebe weiterlizensiert.
Betroffene Normen
§§ 7-14 AStG a.F.
Streitjahr 2012-2014
Anmerkungen
Auslegung und Konkretisierung des BFH-Urteils vom 13.10.2010, I R 61/09
Im Urteil vom 13.10.2010, I R 61/09, hatte der BFH die aufgrund eines Managementvertrages vorgenommenen Tätigkeiten nach Auffassung des FG nicht nur deshalb der Auftraggeberin zugerechnet, weil das von der Auftraggeberin verfolgte Geschäft konzessionspflichtig war. Zwar habe der BFH in seiner Entscheidung ausgeführt, dass es schwerlich allein deshalb als rein künstliche jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltung angesehen werden könne, wenn ein konzessionspflichtiges Geschäft auf Grundlage eines Managementvertrages durch Personal anderer betrieben werde. Nach dem Verständnis des FG bedeute dies aber keineswegs, dass allein das Innehaben einer Konzession eine Zurechnung der Handlungen Dritter erlauben würde. Vielmehr habe der BFH damit betonen wollen, dass die Forderung nach einem Mindestmaß an personeller Ausstattung Ausdruck des sogenannten Motivtests ist. Die Suche nach objektiven Anknüpfungspunkten erfolge nur zur Feststellung des subjektiven Moments. Wenn aus anderen Gesichtspunkten - etwa dem Erfordernis einer Konzession - ersichtlich sei, wie der Motivtest ausgehe, könnten die objektiven Anknüpfungspunkte schwächer ausgeprägt sein.
Neue Rechtslage
Die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7-14 AStG ist durch das Gesetz zur Umsetzung der ATAD-Richtlinie vom 25.06.2021 (siehe Deloitte Tax-News) punktuell verschärft worden. Von der Gesetzesänderung betroffen ist auch der Substanz- bzw. Motivtest des § 8 Abs. 2 AStG, der es ermöglicht, die Hinzurechnung passiver Einkünfte i.S.v. § 8 Abs. 1 AStG abzuwenden, wenn die betroffene Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem EU- oder EWR-Staat hat und dort einer „wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“ nachgeht; die bis 2021 geltende Fassung setzte die Existenz einer „tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“ voraus.
Die hier besprochene Entscheidung des FG sollte auch unter Berücksichtigung dieser Änderungen bei § 8 Abs. 2 AStG einerseits sowie nach Aufhebung des § 14 AStG hinsichtlich nachgeschalteten Zwischengesellschaften andererseits Bestand haben. Zwar werden Untergesellschaften nunmehr als selbstständige ausländische Gesellschaften behandelt. Die Abschaffung der kaskadenförmigen Hinzurechnung über alle Beteiligungsstufen soll aber lediglich bewirken, dass die Verrechnung mit auf einer höheren Beteiligungsstufe erzielten negativen Einkünften künftig nicht mehr möglich ist.
Auch die Anforderungen nach § 8 Abs. 2 AStG dürften im Streitfall nach neuer Rechtslage erfüllt sein. In seiner neuen Fassung verlangt die Norm nicht nur nach einer „wesentlichen“ wirtschaftlichen Tätigkeit. Vielmehr setzt sie nach Satz 2 „insbesondere den Einsatz der für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen sachlichen und personellen Ausstattung in diesem Staat voraus“, wobei die Tätigkeit nach Satz 3 „durch hinreichend qualifiziertes Personal selbstständig und eigenverantwortlich ausgeübt werden“ muss. Im Streitfall wurde die erforderliche personelle Ausstattung der Y3 B.V. durch die im selben Mitgliedstaat ansässige Y1 B.V. gestellt, womit jedenfalls den Anforderungen des Satzes 2 entsprochen wird. Außerdem steht – worauf sowohl das FG als auch der BFH in seinem Urteil vom 13.10.2010, I R 61/09 hingewiesen haben – die Personalgestellung durch die Y1 B.V. einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Ausübung der Tätigkeit nicht grundsätzlich entgegen.
Fundstelle
FG Köln, Urteil vom 22.09.2022, 6 K 2661/18
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 13.10.2010, I R 61/09, BStBl. II 2011, S. 249, siehe Deloitte Tax News
EuGH, Urteil vom 12.09.2006, C-196/04